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# taz.de -- Debatte über AfD-Verbot: Ein gefährliches Spiel
> Thüringens Innenminister hat eine Debatte über ein AfD-Verbot
> losgetreten. Das war unüberlegt und dumm. Die radikal rechte Partei
> wird’s freuen.
Bild: Der Innenminister von Thüringen Georg Maier (SPD) hat das AfD-Verbot ins…
Selbstverständlich kann das, was die AfD vergangene Woche in- und außerhalb
des Bundestags veranstaltet hat, jede Demokratin und jeden Verteidiger des
hiesigen Parlamentarismus in Rage und Sorge versetzen. Die radikal Rechten
versuchten, [1][auf den Demos draußen und mit Reden und Protesten drinnen
das Parlament in die Zange zu nehmen] – mit abscheulichen Vergleichen
zwischen dem Infektionsschutzgesetz, was am Mittwoch verabschiedet wurde,
und dem Ermächtigungsgesetz der Nazis von 1933. Mit Letzterem entmachtete
sich das Parlament bekannterweise selbst und übertrug den Nazis eine
Machtfülle, die in Krieg und Holocaust endete. Damit, dass AfD-Politiker am
vergangenen Mittwoch zudem Gäste in den Reichstag schleusten, die dann
Abgeordnete, die für das Gesetz stimmen wollten, bedrängten, damit haben
die Angriffe der AfD auf die parlamentarische Demokratie eine neue Stufe
erreicht.
Also ja: Man konnte entsetzt und aufgebracht sein und den Impuls
entwickeln, jetzt etwas tun zu müssen. Doch die Debatte über ein
AfD-Verbot, die [2][Thüringens SPD-Innenminister Georg Maier] jetzt
losgetreten hat, und die von seinem CDU-Kollegen aus NRW flankiert wurde,
ist unüberlegt, dumm und geht nach hinten los. Denn die Forderung nach
einem AfD-Verbot ist weder juristisch durchsetzbar noch politisch sinnvoll.
Das Bundesverfassungsgericht hat 2017, als es ein Verbot der NPD ablehnte,
zwei Kriterien für ein Parteiverbot festgelegt. Erstens: Die Partei muss
eine Machtoption haben. Also in der Lage sein, ihre Ziele durchzusetzen.
Und zweitens: Diese Ziele sowie die Ideologie der Partei müssen gegen die
vom Grundgesetz geschützte Menschenwürde verstoßen.
Eine Machtoption, das muss man leider sagen, hat die AfD mit ihren hohen
Ergebnissen zumindest in den ostdeutschen Bundesländern. In Thüringen hat
sie im Februar ja sogar [3][an der Wahl eines Kurzzeit-Ministerpräsidenten
mitgewirkt]. Und ohnehin ist die AfD heute gefährlicher, als es die NPD zur
Zeit des Verbotsverfahrens war.
## Der Bund ist nicht Thüringen
Aber die Gesamtpartei als rechtsextrem einzustufen und ihr nachzuweisen,
dass ihre Ideologie und ihre Ziele gegen die Menschenwürde verstoßen – das
dürfte schwierig werden. Unbestritten hat der Einfluss der
Rechtsextremisten in der AfD zugenommen, manche Landesverbände haben sie
vollständig im Griff.
Auf Bundesebene aber ist die Lage deutlich vielschichtiger, hier tobt ein
Machtkampf, der noch nicht entschieden ist. Zuletzt hat der Bundesvorstand
sogar dafür gesorgt, dass zwei Schlüsselfiguren der Rechtsextremisten,
[4][Andreas Kalbitz und Frank Pasemann], aus der Partei ausgeschlossen
werden.
Nicht ohne Grund verschiebt der Verfassungsschutz eine Entscheidung zum
weiteren Umgang mit der Gesamtpartei, die ursprünglich bereits im Sommer
vorgelegt werden sollte, immer wieder. Wenn aber die Behörden bislang keine
gerichtsfesten Belege für eine Einstufung als rechtsextrem haben, wie kann
man als Innenminister da ein Verbotsverfahren ins Gespräch bringen?
Dass die Lage in Thüringen, wo der Landesverband am Wochenende Björn Höcke
mit 84 Prozent erneut zu seinem Chef gewählt hat, klarer ist, darf da nicht
den Blick auf die Gesamtpartei verstellen. Und selbst was Höcke angeht, ist
die Sache kompliziert. Denn der Mann – nach gängigen Kriterien ohne Zweifel
ein Rechtsextremist – bewegt sich oft in juristischen Grauzonen.
## Bei Angriffen schließen sich die Reihen
Politisch ist die Debatte schon jetzt nach hinten losgegangen. Die AfD, die
derzeit nicht besonders gut dasteht und der das Schlüsselthema abhanden
gekommen ist, kann sich als Opfer inszenieren und die Innenminister als
Antidemokraten darstellen, was sie ohnehin mit Vertretern anderer Parteien
gerne macht. Zudem gilt in der AfD eigentlich immer: Angriffe von außen
führen dazu, dass sich in der Partei die Reihen schließen. Die Spaltung der
AfD zu fördern, wäre vielleicht die bessere Strategie.
Und völlig unabhängig von der AfD: Niemand, der die Demokratie verteidigen
will, kann sich wünschen, dass eine Partei leichtfertig verboten werden
kann. Selbst wenn man sie für gefährlich hält.
24 Nov 2020
## LINKS
[1] /Debatte-ueber-Coronaprovokateure/!5727689
[2] /Vor-der-Landtagswahl-in-Thueringen/!5629254
[3] /Thueringer-Ex-Ministerpraesident/!5719200
[4] /Rechtsextremer-Fluegel/!5708707
## AUTOREN
Sabine am Orde
## TAGS
Georg Maier
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Rechtspopulismus
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Björn Höcke
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