| # taz.de -- Debatte Männer-Bashing: Auf ewig faule Säcke | |
| > Männer sind nicht verhaltensstarr. Doch leider prägen plumpe Stereotype | |
| > Forschung und Berichterstattung über die geschlechtsspezifische | |
| > Arbeitsteilung. | |
| Bild: Die Behauptung, Männer seien verhaltensstarr und änderten sich nicht, i… | |
| „Was macht eigentlich Papa?“ schlagzeilte Anfang März die Süddeutsche | |
| Zeitung auf ihrer Titelseite. Im Bild dazu ein junger Vater, eine Hand auf | |
| dem Laptop, die andere am Handy. Neben ihm ein Kleinkind, das die Tastatur | |
| mit Bauklötzen bewirft. „Home-Office gilt vielen als ein Weg, Beruf und | |
| Familie zu vereinbaren. Doch während Mütter die frei gewordene Zeit nutzen, | |
| um sich um ihre Kinder zu kümmern, machen Väter lieber Überstunden“, hieß | |
| es mit Verweis auf den Wirtschaftsteil, in dem über eine [1][neue Studie | |
| des Wirtschafts- und Sozialwissenschaftlichen Instituts (WSI)] der | |
| gewerkschaftsnahen Hans-Böckler-Stiftung berichtet wurde. | |
| Sieht man sich diese Untersuchung genauer an, stellt sich die Frage, wo der | |
| (männliche) Reporter die Inhalte für seine zugespitzte Aufmachung gefunden | |
| hat. Die WSI-Expertise beschäftigt sich mit dem Vorschlag des | |
| sozialdemokratischen Ministers Hubertus Heil, der ein Recht auf | |
| Erwerbsarbeit von zu Hause aus gesetzlich verankern will. Sie diskutiert | |
| die Chancen und Risiken einer „Entgrenzung“ von Beruf und Privatleben, wie | |
| das im Fachjargon heißt. Der unterschiedliche Umgang der Geschlechter mit | |
| dem Home-Office taucht in der Studie zwar auf, jedoch als Randthema. Es in | |
| den Mittelpunkt zu stellen, wie die Berichterstattung es tut, verzerrt die | |
| Studie und verkürzt deren Inhalte, um ein gängiges Stereotyp zu | |
| reproduzieren und den Männern eins mitzugeben. | |
| Männer-Bashing hat eine lange Tradition, in der Wissenschaft wie in | |
| Sachbüchern. Über „das faule Geschlecht“ klagte die feministische Autorin | |
| Claudia Pinl in den 1980er Jahren, das österreichische Autorenduo Cheryl | |
| Benard und Edit Schlaffer titelte damals ironisch: „Viel erlebt und nichts | |
| begriffen“. „Verbale Aufgeschlossenheit bei weitgehender Verhaltensstarre�… | |
| ein auf Frauentagungen noch Jahrzehnte später bemühtes Bonmot des | |
| Soziologen Ulrich Beck, zielt in die gleiche Richtung: Eigentlich sind | |
| Männer immer noch die alten Säcke. Rein deklamatorisch unterstützen sie das | |
| Anliegen der weiblichen Emanzipation, um es insgeheim besser unterlaufen zu | |
| können. | |
| In der überwiegend von Frauen betriebenen Geschlechterforschung herrscht | |
| große Skepsis, wenn es um männlichen Rollenwandel geht. Doch die empirische | |
| Grundlage für platte Schuldzuweisungen wird dünner – nicht nur wegen der | |
| rasant gestiegenen Elterngeld-Nutzung durch Väter. Männer verändern sich | |
| durchaus. Man muss nur genau hinschauen. | |
| ## „Weder Pascha noch Nestflüchter“ | |
| Sich um die Steuererklärung zu kümmern, die Finanzen zu verwalten oder | |
| Kinderfahrräder zu reparieren gehört ebenfalls zu den Aufgaben in einem | |
| Haushalt und ist somit Hausarbeit. Schon 2006 haben die | |
| Sozialwissenschaftler Peter Döge und Rainer Volz in ihrer Studie „Weder | |
| Pascha noch Nestflüchter“ anhand von Daten des Statistischen Bundesamtes | |
| untersucht, wie Männer ihre Zeit verwenden. Daraus ergab sich eine | |
| aufschlussreiche Kontroverse mit feministischen Kolleginnen, die auf der | |
| Basis des gleichen Zahlenmaterials zu weniger schmeichelhaften Resultaten | |
| gekommen waren. | |
| Im Kern ging es dabei um die Frage: Was ist Hausarbeit? Die | |
| Frauenforscherinnen nämlich hatten Tätigkeiten wie Steuererklärung oder die | |
| Fahrradreparatur gar nicht erst berücksichtigt. Diese Aktivitäten sind | |
| jedoch keine egomanische Selbstverwirklichung im Hobbykeller. Für das | |
| reibungslose Funktionieren eines Familienhaushalts ist es bedeutsam, ob die | |
| Lampe im Bad wieder funktioniert. Diese Familienarbeit darf nicht einfach | |
| wegdefiniert werden. | |
| Kochen, Putzen und Kinderbetreuung sind ständig wiederkehrende Tätigkeiten. | |
| Die Empirie belegt hier ein klares weibliches Übergewicht, die These vom | |
| „Gender Care Gap“ hat also ihre Berechtigung. Trotzdem irritiert, wie | |
| ungnädig mit dem männlichen Beitrag zur Familienarbeit umgegangen wird. | |
| Dazu gehört neben Haushalt und Erziehung ganz wesentlich auch das | |
| Geldverdienen. Väter üben ihren Beruf nicht nur zum Spaß aus, sie | |
| betrachten ihn als eine männliche Form der Fürsorge. | |
| In Paarhaushalten mit Kindern tragen sie deutlich mehr zum | |
| Haushaltseinkommen bei als ihre Partnerinnen. Zumindest im Westen | |
| Deutschlands überwiegt weiterhin das Rollenmuster Haupternährer plus | |
| Hinzuverdienerin. Dass Männer in „flexiblen Arbeitsarrangements“ sogar | |
| Mehrarbeit leisten, wie die WSI-Studie im Einklang mit den Medien | |
| kritisiert, sollte in diesem Kontext betrachtet werden. | |
| ## Forschung mit schlichten Deutungsmustern | |
| Warum beteiligen sich männliche Berichterstatter am Niedermachen des | |
| eigenen Geschlechts? Der Schweizer Männeraktivist Markus Theunert nennt | |
| diesen Typus „Co-Feministen“: Männer, die eigentlich alles beim Alten | |
| lassen wollen, aber so tun, als seien sie auf der Seite der Frauen. Mit | |
| einer feministischen Forschung, die schlichten Deutungsmustern folgt, | |
| bewegen sie sich in irritierendem Gleichklang. Das gemeinsame Feindbild: | |
| der mit erweiterten Rollen experimentierende Mann, der nichts anderes sein | |
| kann als ein Faulpelz. So werden auch gute Ideen zerredet. | |
| Der Vorschlag von Arbeitsminister Heil, mit Home-Office die Vereinbarkeit | |
| von Beruf und Familie zu verbessern, ist solch eine gute Idee. Sie bietet | |
| neue Möglichkeiten, besonders wenn die Kinder älter sind. Während der | |
| Pubertät geht es weniger um Betreuung als um zurückhaltendes Begleiten, um | |
| Ansprechbarkeit. Auch das erfordert elterliche Präsenz, zeitweise | |
| Heimarbeit kann diese erleichtern. Nichts spricht dagegen, dass sich Väter | |
| (und Mütter) daneben auch um berufliche Dinge kümmern. | |
| Der stereotype Anti-Männer-Reflex in Forschung und Berichterstattung ist | |
| kontraproduktiv. In der aktuellen Debatte gerieten so die Chancen der | |
| privaten Vermischung von Beruf und Sorgearbeit ins Abseits. Stattdessen | |
| wurde die Legende von den faulen Säcken in neuer Variante erzählt. Es | |
| braucht mehr Gelassenheit, um die Veränderungen der Männerrolle | |
| wahrzunehmen. | |
| 21 Mar 2019 | |
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| ## AUTOREN | |
| Thomas Gesterkamp | |
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