# taz.de -- Debatte Katar-Krise: Macht und Unterwerfung | |
> Um Terror geht es bei der Isolierung des Emirats nur am Rande. | |
> Saudi-Arabien will mehr Einfluss, ebenso die Türkei. Ein riskantes Spiel. | |
Bild: Katar verfolgte bisher eine mehr oder weniger unabhängige Politik | |
Der Abbruch diplomatischer Beziehungen zum Emirat Katar könnte für | |
Saudi-Arabien und seinen Verbündeten zum Bumerang werden und für die ganze | |
Region unabsehbare Konsequenzen haben. Begründet wurde die drastische | |
Maßnahme mit der Unterstützung, die Katar terroristischen Organisationen | |
gewährt. Doch in Wirklichkeit geht es um viel mehr. Katar, obwohl Mitglied | |
des Golfkooperationsrats, verfolgt eine mehr oder weniger unabhängige | |
Politik und versucht, sich dem Diktat Saudi-Arabiens zu entziehen. Während | |
Saudi-Arabien die Muslimbrüder als Gegner betrachtet, pflegte Katar zu | |
ihnen eine freundschaftliche Beziehung. | |
In Palästina unterstützt Katar die mit Saudi-Arabien verfeindete Hamas, | |
auch auf den Kriegsschauplätzen in Syrien, Libyen und Jemen konkurrieren | |
der saudische Riese und der Zwergstaat Katar miteinander. Doch weitaus | |
wichtiger als all dies sind die guten Beziehungen, die Katar zum saudischen | |
Erzfeind Iran pflegt. | |
Das Fass zum Überlaufen brachte der Emir von Katar, als er Iran als eine | |
regionale Großmacht bezeichnete, die die Stabilität der Region garantiere, | |
was allerdings nach wenigen Stunden dementiert wurde. | |
Der Plan Saudi-Arabiens, eine Front arabischer Staaten gegen den Iran zu | |
bilden, schien zunächst glatt aufzugehen. „Wir haben Gott und den Völkern | |
der ganzen Welt gegenüber die Pflicht, gemeinsam gegen teuflische Kräfte | |
und gegen Extremismus vorzugehen“, rief König Salman vor einer Versammlung | |
islamischer Staaten in Riad in Anwesenheit des US-Präsidenten Donald Trump. | |
Speerspitze des Terrorismus und Extremismus sei der Iran. | |
## Trump wertet die Saudis auf | |
Saudi-Arabien war der erste Staat, den Trump auf seiner ersten | |
Auslandsreise besuchte. Dieser großen aufwertenden Geste folgten Worte des | |
Präsidenten, die an Eindeutigkeit der Position gegen Iran und zugunsten | |
Saudi-Arabiens an nichts fehlen ließen. „Iran hat das Feuer der Spaltung | |
(in der Region) geschürt. (… ) Alle müssen helfen, das iranische Regime zu | |
isolieren“, sagte Trump. Ein Waffendeal in Höhe von 110 Milliarden Dollar | |
sollte die Entschlossenheit der Allianz demonstrieren. | |
Unterstützung kam auch aus Israel. Verteidigungsminister Avigdor Lieberman | |
schlug in einem Welt-Interview ein Bündnis mit den arabischen Staaten gegen | |
Iran vor. Ähnlich wie die Nato, sagte er. Die größte Gefahr für die | |
arabische Welt sei nicht Israel, sondern Iran. | |
Nun drohte Katar aus der Reihe der Mitglieder des Golfkooperationsrats | |
herauszutanzen. Das musste mit aller Macht verhindert werden, um der Gefahr | |
eines Zerbröckelns der arabischen Front gegen Iran vorzubeugen. Denn auch | |
Kuwait und Oman halten sich weitgehend bei Attacken gegen Iran zurück. | |
Omans Beziehungen zu Teheran sind sehr gut. Das Sultanat spielte sogar im | |
Atomkonflikt zwischen Washington und Teheran eine wichtige Vermittlerrolle. | |
## Neue Machtkonstellationen | |
Die nahezu totale Isolierung Katars durch den Abbruch diplomatischer | |
Beziehungen sollte das kleine Land zur Raison bringen. Ob Katar sich diesem | |
Druck beugen und sich wieder der Anti-Iran-Front anschließen wird, ist noch | |
offen. Wenn nicht, könnte die Maßnahme nicht nur für Saudi-Arabien | |
weitreichende Folgen haben, sondern auch zu [1][neuen Machtkonstellationen | |
in der Region führen]. | |
Katar ist zwar ein sunnitisches Land, aber das wäre kein Hindernis für eine | |
größere Annäherung an Iran. Zwischen den beiden Staaten bestehen bereits | |
starke Verbindungen. Sie gehören weltweit zu den größten Gasproduzenten, | |
betreiben gemeinsame Gasfelder, es gibt zwischen Iran und Katar [2][einen | |
regen Warenverkehr], auch ein Kooperations- und Sicherheitsabkommen. | |
Teheran hat zwar zu dem Konflikt Katars mit den arabischen Staaten sein | |
Bedauern geäußert, dem hochgradig vom Import abhängigen Land aber sofort | |
Versorgung mit Lebensmitteln und sonstige Hilfen angeboten. Sollte Katar | |
tatsächlich, wie sein Außenminister Mohammad bin Abdulrahman al-Thani | |
bekräftigte, standhaft bleiben und seine eigenständige Politik fortsetzen, | |
wäre Iran um einen Bündnispartner reicher. | |
Bemerkenswert ist, dass auch Kuwait und Oman bislang nicht dem Schritt der | |
Saudis gegen Katar gefolgt sind. Das könnte sogar zur Spaltung des | |
Golfkooperationsrats führen, der nach der iranischen Revolution gegründet | |
wurde, um mögliche Einflussnahme Irans auf die Staaten der Region zu | |
verhindern. | |
## Ankara konkurriert mit Riad | |
Aber Iran ist nicht das einzige Land, das sich um die Gunst Katars bemüht. | |
Auch die Türkei eilte zur Hilfe. Das türkische Parlament beschloss, seinen | |
Militärstützpunkt in Katar erheblich zu erweitern. Die Zahl der Soldaten | |
soll von 80 auf 3.000 erhöht werden. | |
Zwar hat die Türkei auch enge Beziehungen zu Saudi-Arabien, diese sind | |
jedoch nicht frei von Konflikten. Ankara hat während des „arabischen | |
Frühlings“ genauso wie Katar die Muslimbrüder in Ägypten unterstützt und | |
hoffte in der neu entstandenen Lage als islamisches Land die Rolle einer | |
Regionalmacht spielen zu können. Dabei sollten die gelungenen Reformen in | |
Richtung Demokratie den islamischen Ländern als Vorbild dienen, was | |
allerdings gründlich scheiterte. | |
Der Versuch Saudi-Arabiens, mit Unterstützung der USA und möglicherweise | |
Israels eine Front gegen Iran zu bilden und somit als eine regionale | |
Großmacht seinen Einfluss zu steigern, wird nicht nur in Teheran als eine | |
Drohung registriert, sondern auch in Ankara. Möglicherweise wird die | |
Türkei, die sich von Europa entfernt, versuchen, durch weitere Annäherung | |
an Iran und Russland den Gefahren aus den arabischen Staaten vorzubeugen. | |
Dafür spricht auch der überraschende Besuch des iranischen Außenministers | |
Mohammad Dschawad Sarif in Ankara. | |
Zwar vertreten Moskau und Teheran einerseits und die Türkei andererseits in | |
Syrien gegensätzliche Positionen. Das hinderte sie aber nicht daran, | |
gemeinsam Pläne für einen Waffenstillstand und Gründung von Schutzzonen zu | |
entwerfen. Ein Bündnis zwischen den drei Staaten, das auch Irak, die | |
libanesische Hisbollah, die Huthis in Jemen und die Muslimbrüder | |
einschließen könnte, würde die gesamte Machtkonstellation im Nahen Osten | |
verändern. | |
13 Jun 2017 | |
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## AUTOREN | |
Bahman Nirumand | |
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