| # taz.de -- Das Hamburger Duo Sufi Dub Brothers: „Wir sind Außerirdische!“ | |
| > Das pakistanisch-hanseatische Duo Sufi Dub Brothers über den Einfluss von | |
| > Wetter auf Musik, das Meditieren an der Sitar und Konzerte im Sitzen. | |
| Bild: Echte Steher, Ashraf Sharif Khan, Viktor Marek und die Sitar: Sufi Dub Br… | |
| taz: Viktor Marek, klassischer Raga und basslastiger Dub – keine gängige | |
| Kombination. Wie kam es zu Ihrer Zusammenarbeit mit Ihrem Duokollegen, dem | |
| pakistanischen Sitar-Spieler Ashraf Sharif Khan? | |
| Viktor Marek: Wir haben uns bei einer Theatergruppe kennengelernt, die mit | |
| geflüchteten Jugendlichen professionelles Theater macht. Es war eine | |
| [1][Bollywood-Show] geplant, und so kamen sie auf Ashraf, der … | |
| … Moment bitte! Ashraf Sharif Khan, Sie sind Sohn eines Sitarmeisters und | |
| spielen Ihr eigenes Instrument seit 40 Jahren. Ist eine Bollywoodshow nicht | |
| unter Ihrer Würde? | |
| Ashraf Sharif Khan: Na ja, ich habe da schon meine Bedingungen gestellt. | |
| Zum Beispiel, dass ich einen Soloauftritt bekomme. Aber als ich dann Viktor | |
| traf, habe ich diese Bedingung gleich vergessen. Zwischen uns war sofort | |
| [2][gute Chemie.] Die Theatermacher wollten wohl einen Gegenpart, damit es | |
| nicht nur traditionelle Musik ist. | |
| … und kamen so auf Hamburgs renommierten Dubproduzenten Viktor Marek. | |
| Marek: Wir waren beide zunächst skeptisch. Wie verträgt sich eine Sitar mit | |
| elektronisch generierter Musik? Hmmm. Aber hey, dachte ich dann, echt guter | |
| Typ, lass mal probieren! Es hat wirklich auf Anhieb dermaßen gut | |
| funktioniert, dass wir schon vor der Premiere Ende 2010 ein Konzert auf | |
| Kampnagel gegeben haben. | |
| Wie sind Sie ursprünglich zu Ihrem Instrument gekommen, Herr Khan? | |
| Khan: Ich komme aus einer klassisch geprägten Community und habe schon | |
| immer meinem Vater beim Sitar-Spielen zugehört. Ich habe etliche Konzerte | |
| von ihm erlebt und später selbst klassische indopersische Musik studiert. | |
| Das war für uns Musik, alles andere war gar nicht möglich! Raga, das ist | |
| fast wie Religion. Meditative Musik, sehr seriös. Klassische Musiker haben | |
| sich zu benehmen! | |
| Das hat sich dann später in Deutschland geändert? | |
| Khan: Als ich in den Neunzigern ins Land kam, erst nach Kiel, dann nach | |
| Hamburg, wurde mir mehr und mehr bewusst, dass ich mich auch anderer Musik | |
| öffnen will. Ich spielte zunächst in einer Jazzband. Als ich Viktor traf, | |
| war alles Elektronische für mich noch neu. Ich musste viel dazulernen; das | |
| ist ganz schön kompliziert. | |
| Also bitte, wenn man Sie spielen sieht … | |
| Khan: Na gut, mein Instrument ist auch kompliziert. Aber ich dachte: Hey, | |
| ein paar Knöpfe, ein paar Kabel, kann ja nicht so schwer sein. Von wegen! | |
| Viktor kreiert seine Sounds auch, als würde er ein Instrument spielen. Was | |
| er produziert, ist organische elektronische Musik. | |
| Marek: Mein Anspruch an elektronische Instrumente ist: [3][Es muss so | |
| dehnbar wie möglich klingen]. Die Gitarre hat mich vom Soundbild irgendwann | |
| gelangweilt. In einen Sampler kann man alles reinladen und alles damit | |
| machen – das muss ein Instrument können! Einfach spielbar sein, damit man | |
| improvisieren kann. Diese Kombination hat unsere Zusammenarbeit fruchtbar | |
| gemacht. Wir können spontan auf den Moment reagieren. Die Musik hat | |
| verschiedene Wurzeln, aber sie funktioniert, ohne dass wir uns zurücknehmen | |
| müssen. Es ist nicht weichgespült dadurch, auch keine typische Fusion. | |
| Sondern es sind zwei Dinge, die selbstständig auf Augenhöhe miteinander zu | |
| tun haben. | |
| „Fusion“ oder gar „World Music“ hätte man früher aus Bequemlichkeit d… | |
| gesagt, inzwischen würde man Ihre Musik vielleicht als „Outernational | |
| Music“ bezeichnen. | |
| Marek: Den Begriff mag ich sehr. Er hat ja prominent mit dem | |
| [4][Jazzpianisten Sun Ra] zu tun, der schon vor 70 Jahren diese umfassende | |
| Idee des Outernational prägte. Weil die US-Gesellschaftsverhältnisse so | |
| zementiert nach race und class sind, ignorierte er alle Grenzen, verließ | |
| die Erde in seiner Musik Richtung Weltraum und kam als Außerirdischer | |
| wieder zurück. Außerirdische sind wir jetzt auch. Wir müssen gar nichts | |
| dazu sagen. Unsere Musik pumpt alles direkt in die Leute, in die Hirne, | |
| Beine und Mägen der Menschen. | |
| Sie selbst nennen Ihre Musik „Sufistep“. Was ist das? | |
| Marek: Die Bezeichnung Sufistep beinhaltet 2Step und moderne britische | |
| Bassmusik, aber auch Klassik, und ihr gleichberechtigtes Zusammenkommen. | |
| Den Begriff „World Music“ umgehen wir dagegen weiträumig. | |
| Khan: Klassische Musik ist wie ein Gebet für mich. Wenn ich mit Viktor | |
| spiele, kann ich mich dagegen entspannen, ich habe mehr Freiheiten. My mind | |
| is flowing! | |
| Ihr Debüt „Sufi Dub Brothers“ ist ein echtes Dancefloor-Album, es enthält | |
| Elemente von Acid und Techno. Wie kam das bei Ihrer Tour durch Pakistan an? | |
| Marek: Ich war nervös, ob meine Sachen verstanden werden. In Hamburg | |
| funktioniert es, aber ich wusste nicht, wie die Leute es dort aufnehmen, wo | |
| Ashraf so stark verwurzelt ist. Wir waren zwei Mal für mehrere Wochen in | |
| Pakistan auf Tour. Da ist so ziemlich alles passiert. Wir waren in einer | |
| Fernsehshow eine Art Hausband. Und an der Universität von Lahore haben wir | |
| unter widrigsten Bedingungen gespielt: helles Licht, alles bestuhlt, die | |
| Anlage mies. Ashraf hat erst alleine gespielt, dann bin ich eingestiegen. | |
| Die Leute sind sofort aufgesprungen und haben auf den Stühlen getanzt, sind | |
| richtig durchgedreht. Es war eines der herrlichsten Konzerte überhaupt! | |
| Khan: Die Professoren hatten strenge Anweisungen gegeben: Benehmt euch, | |
| bleibt sitzen! Und ich nahm das Mikro und sagte, dass sie die Studenten | |
| bitte nicht stoppen sollten. Unsere Musik kann man viel intensiver | |
| genießen, wenn man sich dazu bewegt. Ich wünschte manchmal selbst, ich | |
| könnte beim Spielen aufstehen und tanzen. Aber ich kann mich kaum bewegen, | |
| während ich spiele. Das Instrument Sitar verlangt von mir, dass ich während | |
| des Spiels throne wie ein König. | |
| Marek: Dabei ist Ashraf ein sehr guter Tänzer! | |
| Wie kamen Sie eigentlich auf die Idee, das 40 Jahre alte Stück | |
| „Maschinenland“ der Hamburger Postpunk-Band [5][Abwärts] zu covern? | |
| Marek: Die entstand während eines Konzerts. Bei dem Song finde ich die | |
| abgehackte Rhythmik der Gitarre so toll, diesen treibenden Beat. Ich | |
| dachte, es wäre super, das auf die Sitar zu übersetzen. Diese Einfachheit, | |
| die das Original von Abwärts ausmacht. Mit Details und Verschiebungen kann | |
| man total viel machen, und doch behält es die Energie. | |
| Ashraf, Sie haben auch eine Weile in Oslo gelebt. Wie halten Sie es, als | |
| jemand, der aus dem wüstenheißen Lahore kommt, eigentlich in Regionen wie | |
| Skandinavien und Norddeutschland aus? | |
| Khan: Das Wetter beeinflusst gar nichts! Darum werde ich jetzt | |
| philosophisch. Wenn ich friedvollen Geistes und Herzens bin, gefällt mir | |
| jedes Wetter. Minus 30 oder plus 40 Grad, das macht mir gar nichts aus. Als | |
| Teenager übte ich den Sommer hindurch und war danach immer vollkommen | |
| schweißgebadet. Aber das war egal. Wissen Sie warum? Because I was at | |
| peace. | |
| 6 Oct 2020 | |
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| ## AUTOREN | |
| Jan Paersch | |
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