# taz.de -- Coronalob an die Mehrheit: Verstörend gelassene Freundlichkeit | |
> Im Ausnahmezustand der Pandemie wird viel geredet über Nörgler und | |
> Trittbrettfahrer. Dabei machen die Menschen in Deutschland das gerade | |
> richtig gut. | |
Bild: Die Gelassenheit, mit der Menschen den Corona-Maßnahmen begegnen, verdie… | |
Niemand übersteht eine Pandemie unbeschadet – selbst [1][die Superreichen | |
in ihren abgeschotteten Enklaven] müssen sich Fragen gefallen lassen, | |
[2][die bislang auf wissenschaftliche oder aktivistische Zirkel begrenzt | |
blieben]: Was ist eigentlich euer Beitrag in der globalen Krise? Wie | |
rechtfertigt ihr euren Egoismus, in einer Zeit, da die normalen Leute | |
selbstverständlich den Laden am Laufen halten? | |
Täglich schlagen sie jetzt ein, die ganz privaten Nachrichten: eine | |
Freundin im Pflegeheim, die nicht weiß, wann sie wieder einen Menschen | |
umarmen darf; Familien in Isolation, die Kinder getrennt von ihren | |
Freundinnen und in Sorge um die kranke Mutter; und dann, ja, auch die | |
Toten, unsere Toten. | |
Davon schweigen die Menschen morgens und abends in der U-Bahn, auf dem Weg | |
zu Schule und Arbeit. Die Kids kabbeln sich kaum, die Erwachsenen maulen | |
wenig, wäre ja auch schwierig: Sie sind die 99 Prozent, die Maske tragen. | |
Der „so verwegene Menschenschlag“, wie Goethe die Berliner Bevölkerung gar | |
nicht abwertend betitelte – er ist jetzt verwegen im Aushalten, in einer | |
oft schon verstörend gelassenen Freundlichkeit. | |
[3][Kindische Panik, menschenfeindliche Asozialität, organisierte | |
Verächtlichkeit] – sie scheinen derzeit als Laster der Provinz in die Stadt | |
zu strömen. Dabei sind die meisten Menschen überall in Deutschland gleich | |
abgestoßen von den [4][Trittbrettfahrern des pandemischen | |
Ausnahmezustands]. Es ist nicht die oft verschlafene und [5][sozial | |
unausgewogene Krisenpolitik], die dem Leben in diesem traurigen November | |
einen – hoffentlich – unwiederholbaren Glanz verleiht: Es sind die Leute. | |
Scheiße sagt man nicht, aber zu Hause haben wir eine Ausnahmeregelung für | |
die Tochter eingeführt: „Corona ist Scheiße.“ Das singen wir auch mal im | |
Chor und es geht uns besser. Und dann denken wir an unsere Risikopatienten, | |
die niemand haben, mit dem sie im Chor fluchen können. | |
Heute Morgen wollte ich an einer Engstelle mit dem Rad schon demütig | |
anhalten, um die entgegenkommende Powerradlerin vorbeizulassen, da nickte | |
sie mir ermunternd zu, ich fuhr los, nuschelte Danke durch die Maske, sie | |
nuschelte etwas zurück – das nett klang! Da dachte ich: Hoffentlich ist die | |
Sache bald vorbei. Ich will mein motziges Berlin wiederhaben | |
22 Nov 2020 | |
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[5] https://www.mdr.de/nachrichten/politik/inland/ungleichheit-einkommen-wegen-… | |
## AUTOREN | |
Ambros Waibel | |
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