# taz.de -- Corona im Flüchtlingslager Moria: Ein Zelt als Klinik | |
> Die Sorge vor Corona im Camp ist groß, einfache Hygieneregeln lassen sich | |
> kaum umsetzen. Ärzte ohne Grenzen haben sich angepasst. | |
Bild: Migrant mit Mundschutzmaske in Moria, April 2020 | |
BERLIN taz | Bisher scheint das völlig überfüllte Flüchtlingslager Moria | |
auf der griechischen Insel Lesbos von Corona-Fällen verschont geblieben zu | |
sein. Doch die Situation ändert auch die Arbeit der Hilfsorganisationen, | |
die noch vor Ort sind. | |
Eine davon ist [1][Ärzte ohne Grenzen], die in direkter Nähe des Lagers | |
eine Klinik betreibt, in der vor allem Kinder und Schwangere behandelt | |
werden. „Wir haben nun unsere Klinik angepasst“, erklärt Peter Casaer, | |
Sprecher des Teams auf Lesbos. Bei der Ankunft komme es zunächst wie immer | |
zur Triage, einer Ersteinschätzung der PatientInnen. „Wir messen die | |
Körpertemperatur und stellen eine Reihe von Fragen,“ so Caesar. „Personen | |
mit Symptomen, die auch Symptome von Covid-19 sind, gehen nun in einen | |
neuen Teil der Klinik, der draußen ist, in einem Zelt.“ Dieses sei gut | |
belüftet und in Gesprächsboxen aufgeteilt. | |
Ärzte ohne Grenzen benenne diese PatientInnen nicht sofort als | |
Corona-Verdachtsfälle, so Casaer. „Dann kann das ganze Camp als | |
Verdachtsfall betrachtet werden, weil die Gesundheitssituation generell | |
nicht gut ist“, sagt er. Denn aufgrund der schlechten Lebensbedingungen, | |
der Kälte und Nässe, hätten viele Menschen in Moria Symptome, die denen von | |
Covid-19 ähneln – Kopfschmerzen, Fieber, Husten, Durchfall. | |
Das Flüchtlingslager auf Lesbos besteht im Wesentlichen aus zwei Teilen: | |
Der ursprünglichen Struktur, die nur auf 3.000 Menschen ausgelegt ist – und | |
dem Teil, in dem Menschen in Zelten und behelfsmäßigen Unterkünften etwa | |
aus Plastikplanen leben. Mehr als 20.000 Flüchtlinge leben nunmehr im Camp. | |
## Übertragung in Klinik vermeiden | |
Wer erst einmal im neuen Teil der Ärzte-ohne-Grenzen-Klinik landet, wird | |
zunächst nur weiter befragt – mit Abstand zu Arzt oder Ärztin und immer | |
auch zu allen anderen PatientInnen. „Wenn das medizinische Personal | |
physischen Kontakt haben muss mit dem Patienten, bewegen sie sich zu einem | |
anderen Zelt – der Patient geht auf einer Seite hinein, der Arzt auf der | |
anderen“, sagt Casaer. | |
„Der Arzt zieht Schutzkleidung an und kann den Patienten dann behandeln und | |
untersuchen, wie auch immer es nötig ist.“ So will die Hilfsorganisation | |
auch vermeiden, dass die eigene Klinik zu einem Ort der Übertragung wird. | |
Bisher gab es in Griechenland mit Stand vom 7. April 1.832 | |
Corona-Infektionen. Auch auf Lesbos gab es innerhalb der lokalen | |
Bevölkerung eine Hand voll Fälle. | |
[2][Zwei Flüchtlingslager auf dem griechischen Festland sind bereits unter | |
Quarantäne] – beide befinden sich in der Nähe der Hauptstadt Athen. Um die | |
Flüchtlinge im Land weitgehend von der örtlichen griechischen Bevölkerung | |
fernzuhalten, haben die Behörden Ausgangssperren für die Lager verhängt. | |
Verstöße dagegen würden strafrechtlich geahndet, warnte Migrationsminister | |
Notis Mitarachi. Das gilt auch für die BewohnerInnen des Lagers Moria; die | |
Klinik von Ärzte ohne Grenzen können sie allerdings noch aufsuchen. | |
Die griechische Regierung hat angegeben, mehr medizinisches Personal in die | |
Lager schicken. „Im Lager hier richten sie jetzt ein Triagesystem ein – um | |
zu machen, was wir auch in unserer Klinik machen“, so Casaer. Im Gegensatz | |
zur Ärzte-ohne-Grenzen-Klinik richte sich das aber vor allem an Erwachsene. | |
## Isolation ist unmöglich | |
Während die Klinik außerhalb des Lagers liegt, schickt Ärzte ohne Grenzen | |
wie immer auch Teams in das Camp hinein, die mit den BewohnerInnen über | |
Gesundheitsthemen sprechen – und jetzt vor allem über Corona und Hygiene. | |
Doch Regeln wie Händewaschen oder Isolation sind für die BewohnerInnen des | |
Lagers kaum machbar: „Das ist unmöglich hier, die Menschen leben auf sehr | |
engem Raum. Die Leute müssen für jeden Bedarf anstehen: Essen, Duschen, | |
Wasser…“, sagt Casaer. „Im Lager, im Bereich, in dem ich gerade sitze, gi… | |
es eine Toilette für 167 Personen. Ein Wasserhahn für etwa 1.300 Menschen – | |
und oft gibt es keine Seife, und die Wasserversorgung ist unterbrochen.“ | |
Deswegen hätten die BewohnerInnen Angst – „mit Recht“, sagt Casaer. | |
Das Virus könnte sich also rasend schnell verbreiten. „Was wir befürchten, | |
ist, dass es eine menschliches, medizinisches, humanitäres Desaster wäre“, | |
so Casaer. „Eine Katastrophe für die Menschen, weil sie hier gefangen sind, | |
ohne eine Möglichkeit, die Versorgung zu bekommen, die sie brauchen.“ | |
8 Apr 2020 | |
## LINKS | |
[1] https://www.aerzte-ohne-grenzen.de/ | |
[2] /Fluechtlingslager-in-Griechenland/!5676519 | |
## AUTOREN | |
Eva Oer | |
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