# taz.de -- CDU in Baden-Württemberg: Union nutzt den Enkeltrick | |
> Manuel Hagel wird der neue Chef der CDU Baden-Württemberg. Er könnte | |
> Ministerpräsident Kretschmann beerben, wäre da nicht ein Konkurrent. | |
Bild: Manuel Hagel: „rising star“ am schwarzen CDU-Himmel? | |
BERLIN taz | Neulich in einer Talkshow des SWR zeigte Manuel Hagel, was | |
wohl seine größte Starke ist: ruhig zu bleiben. Da warf ihm [1][die | |
Seenotretterin und Linken-Politikerin Lea Reisner] vor, rassistisch zu | |
argumentieren, wenn er behaupte, Geflüchtete kämen wegen der | |
Sozialleistungen nach Deutschland. | |
Er ließ Reisner ausreden, entgegnete dann ruhig, das sei ja das Tolle an | |
diesem Land, dass es auch erlaubt sei, ihn rassistisch zu nennen, „Schwamm | |
drüber.“ | |
Kontrolliert und integrierend, vielleicht etwas glatt, dabei durchaus | |
konservativ. Das fällt politischen Gegnern wie auch Weggefährten ein, wenn | |
sie über den Newcomer der baden-württembergischen CDU sprechen. | |
Eigenschaften, die Hagel gut gebrauchen kann, wenn seine Partei ihn am | |
Samstag zum neuen Vorsitzenden wählt. Denn die dortige CDU ist traditionell | |
in Lager gespalten, die nur wenig mit politischen Ansichten zu tun haben, | |
dafür viel mit lange gepflegten Feindschaften. | |
Hagel konnte da in der Vergangenheit schon einiges kitten. Die Erwartungen | |
seiner Parteifreunde hat der junge Schwabe aber erst erfüllt, wenn er sie | |
nach der Landtagswahl 2026 wieder dahin zurückbringt, wo sie nach Ansicht | |
der meisten Mitglieder quasi naturrechtlich hingehört: in die | |
Regierungszentrale. | |
## Der Jüngste ist er oft | |
Hagel wäre, wenn das gelänge, der jüngste Ministerpräsident, den das Land | |
je hatte. Mit seinen 35 Jahren hat er gerade erst das erforderliche | |
Mindestalter für das Amt. Doch das ist er gewohnt, er war immer der | |
Jüngste: Als Direktor der örtlichen Sparkasse, als Gemeinderat, als | |
Landtagsabgeordneter, Generalsekretär der Landes-CDU und derzeit als | |
Fraktionschef. | |
Dabei ist es ihm bisher gelungen, seine Aufgaben weitgehend fehlerlos zu | |
absolvieren. Im [2][vergeigten Wahlkampf] mit Spitzenkandidatin Susanne | |
Eisenmann distanzierte er sich frühzeitig. Als CDU-Fraktionschef stand er | |
lange in duldsamer Treue zu seinem Förderer und Durchwurschtler Thomas | |
Strobl, ohne dass dessen Skandale auf ihn abfärbten. | |
Und selbst zum grünen Regierungschef Winfried Kretschmann pflegte der | |
praktizierende Katholik in der grün-schwarzen Koalition bis vor Kurzem ein | |
inniges Schüler-Lehrer-Verhältnis. So innig, dass der SPD-Oppositionsführer | |
Andreas Stoch sein Verhalten als „politischen Enkeltrick“ bezeichnete. | |
Hagel präsentiere sich konservativen Kretschmann-Wählern als natürlicher | |
Nachfolger, indem er Ökologie und Klimaschutz bisweilen leidenschaftlicher | |
predigte als der Ministerpräsident selbst. | |
## Kuscheln mit Grünen | |
Mit der demonstrativen Harmonie zu den Grünen ist es aber weitgehend | |
vorbei, seit die letzte Hälfte von Kretschmanns Amtszeit angebrochen und | |
die CDU auch im Land im Aufwind ist. Im Sommer stellte Hagel klar, dass die | |
CDU nicht bereit wäre, im Fall von Kretschmanns vorzeitigem Rückzug einen | |
grünen Nachfolger zu wählen. Im bisher milden Koalitionsklima des | |
Südwestens galt das schon fast als Kampfansage. | |
Hagel ist Stratege. Im kleinen Kreis kann er sich auch mal in die | |
Feinheiten von Wählermilieus und Methoden für die Zielgruppenanprache | |
verlieren. Zeitweise hatte er große Bewunderung für einen anderen | |
Polit-Youngster, der aber schon wieder gefallen ist: den früheren | |
österreichischen Bundeskanzler [3][Sebastian Kurz]. | |
Nur für dessen moderne Wahlkampfstrategien habe er sich interessiert, | |
beteuert Hagel, nicht für seine politischen Methoden oder Inhalte. Ein | |
direkter Vergleich wäre ungerecht. Anders als Kurz hat Hagel auf dem Weg | |
zur Macht keine Parteigranden aus dem Weg geräumt. Und während sich der | |
Österreicher mit der rechten FPÖ einließ, grenzt sich Hagel verbal von der | |
AfD ab: „Sowohl intellektuell als auch habituell unterscheidet uns von | |
dieser rechtsextremistischen Gruppe alles“, sagt er. „Eine Zusammenarbeit | |
ist undenkbar.“ | |
Als Parteivorsitzender hat Manuel Hagel nun zweieinhalb Jahre Zeit, sich | |
auch bei den Wahlberechtigten zu profilieren. Nicht einfach. Vor allem, | |
wenn man eher als Versöhner, nicht als Polemiker auftreten will. | |
Bekanntheit wird entscheidend sein. Vor allem, wenn stimmt, was Grüne | |
eifrig verbreiten – dass 2026 ein echter Promi Hagels Gegner sein könnte: | |
Cem Özdemir. | |
17 Nov 2023 | |
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## AUTOREN | |
Benno Stieber | |
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