# taz.de -- Bundestags-Experten zum Türkei-Angriff: Eindeutig völkerrechtswid… | |
> Für den Wissenschaftlichen Dienst ist klar: Erdogan bricht mit dem | |
> Angriff auf Nordsyrien Völkerrecht. Die Nato müsse der Türkei nicht | |
> beistehen. | |
Bild: Die nordsyrische Stadt Ras al-Ain wurde auch trotz Waffenruhe von der Tü… | |
BERLIN taz | Der Wissenschaftliche Dienst des Bundestags hält den | |
türkischen Angriff auf kurdische Gebiete in Syrien für völkerrechtswidrig. | |
In einer Ausarbeitung für die Abgeordneten des Bundestags schreibt er: | |
„Mangels erkennbarer Rechtfertigung stellt die türkische Offensive im | |
Ergebnis offensichtlich einen Verstoß gegen das Gewaltverbot aus Art. 2 | |
Ziff. 4 VN-Charta dar.“ | |
Die türkische Regierung rechtfertigt ihren Angriff völkerrechtlich mit | |
ihrem angeblichen Selbstverteidigungsrecht gegen die YPG und andere | |
kurdische Gruppen in Nordsyrien. Dem Wissenschaftlichen Dienst zufolge | |
müsste die Türkei dafür aber nachweisen, dass sie von dort aus tatsächlich | |
angegriffen werde oder bald angegriffen werden könne. Das lasse sich „nicht | |
erkennen und ist von der Türkei so auch nicht vorgetragen worden“. | |
Erst recht völkerrechtswidrig sei der türkische Plan, einen 30 Kilometer | |
tiefen Streifen in Syrien als sogenannte „Sicherheitszone“ zu besetzen. Die | |
Einrichtung dieser Zone, der die USA am Donnerstag in einem Abkommen | |
[1][mit der Türkei zugestimmt haben], stelle praktisch eine „ethnische | |
Flurbereinigung“ dar. Diese wäre laut Wissenschaftlichem Dienst selbst dann | |
verboten, wenn die YPG die Türkei tatsächlich angegriffen hätte. | |
Den türkischen Präsidenten Recep Tayyip Erdoğan sieht der Wissenschaftliche | |
Dienst theoretisch sogar als Fall für den Internationalen Strafgerichtshof | |
an, da dieser seit kurzem auch für Verantwortliche sogenannter | |
„Aggressionsverbrechen“ zuständig ist. Praktisch hat Erdogan aber keinen | |
Prozess zu befürchten – alleine schon, weil sich die Türkei dem Abkommen | |
zum Internationalen Strafgerichtshof nie angeschlossen hat. | |
## Kein Nato-Bündnisfall | |
Für unbegründet hält der Wissenschaftliche Dienst schließlich die Sorge, | |
Deutschland und die Nato müssten der Türkei beistehen, falls der Konflikt | |
in Nordsyrien weiter eskaliere. Unter anderem hatte in dieser Woche der | |
luxemburgische Außenminister Jean Asselborn gewarnt, die Nato müsse | |
einspringen, wenn [2][Syrien oder Russland] als Reaktion auf die derzeitige | |
Offensive die Türkei angreifen würden. | |
Laut Wissenschaftlichem Dienst macht der Nato-Vertrag deutlich, dass „eine | |
automatische militärische Beistandspflicht nicht vorgesehen ist und jeder | |
Nato-Partner frei über seine Beistandshandlung entscheidet“. Zudem sei es | |
Voraussetzung für den Bündnisfall, dass ein Mitglied angegriffen werde. Im | |
aktuellen Fall gehe der Angriff dagegen von der Türkei aus. Die Bedingungen | |
für den Bündnisfall wären selbst dann nicht erfüllt, wenn sich Syrien jetzt | |
„im Rahmen der Verhältnismäßigkeit“ wehren würde. | |
Der Linken-Bundestagsabgeordnete Niema Movassat fordert Aufgrund der | |
Einschätzung des Wissenschaftlichen Dienstes Konsequenzen von Seiten der | |
Bundesregierung. „Sie muss das türkische Vorgehen endlich glasklar als | |
völkerrechtswidrig verurteilen und sich in der EU für ein umfassendes | |
Waffenembargo gegen die Türkei einsetzen, statt dieses weiter zu | |
torpedieren“, sagte er der taz. „Die Bundesregierung sollte sich zudem | |
dafür einsetzen, dass der UN-Sicherheitsrat das türkische Vorgehen | |
entschieden verurteilt.“ | |
18 Oct 2019 | |
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## AUTOREN | |
Tobias Schulze | |
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