| # taz.de -- Bürgermeister*inwahl in Tunis: Feministische Islamistin kandidiert | |
| > Souad Abderrahim sieht sich als Feministin und Islamistin – und sie will | |
| > Bürgermeisterin von Tunis werden. Ihre Chancen stehen gut. | |
| Bild: Souad Abderrahim könnte die erste Bürgermeisterin von Tunis werden | |
| Souad Abderrahim will Geschichte schreiben. Die 53-jährige Tunesierin hat | |
| als Nummer eins der meist gewählten Liste der islamistischen Ennahda-Partei | |
| (Erneuerung) allerbeste Chancen, in den kommenden Tagen „Cheikha de la | |
| Medina“ zu werden: Bürgermeisterin von Tunis. Wählt die Stadtversammlung | |
| die Pharmazeutin Abderrahim an die Spitze, ist sie nicht nur die erste Frau | |
| im Amt, sondern das erste gewählte Stadtoberhaupt. Bisher wurden die | |
| Bürgermeister vom Präsidenten eingesetzt. | |
| Der Stadtrat wird in den kommenden Tagen erstmals zusammenkommen und | |
| spätestens Anfang Juli zur Wahl schreiten. Abderrahim weiß 21 der 60 Sitze | |
| hinter sich. Sie wirbt nun um die zweitgrößte Fraktion, Nidaa Tounes und um | |
| die Vertreter kleinerer, unabhängigen Listen. | |
| Die in der südtunesischen Hafenstadt Sfax geborene Abderrahim ist keine | |
| gewöhnliche islamistische Politikerin. Sie trägt das Haar offen und kleidet | |
| sich am liebsten in Hosenanzügen. Als „feministische Islamistin“ sieht sich | |
| die verheiratete Mutter zweier Kinder. Im Wahlkampf versprach sie, die | |
| dringendsten Probleme der tunesischen Hauptstadt anzugehen. Sie will den | |
| öffentlichen Nahverkehr ausbauen, die Müllabfuhr verbessern und die | |
| Parkanlagen herrichten lassen. Für letzteres will sie straffällig gewordene | |
| junge Menschen heranziehen: Tausende, die pro Jahr wegen kleiner Diebstähle | |
| oder Drogendelikte hinter Gitter müssen, sollen statt der Haftstrafe | |
| gemeinnützige Arbeit verrichten. | |
| Abderrahims politische Karriere begann in Monastir, wo sie Pharmazeutik | |
| studierte. Dort gehörte sie dem Vorstand der islamistischen | |
| Studentengewerkschaft UGTE an. 1985 wurde sie für zwei Wochen inhaftiert, | |
| als sie bei einer politisch motivierten Schlägerei festgenommen wurde. | |
| Abderrahim, die damals noch Kopftuch trug, hatte eigentlich vermitteln | |
| wollen. Dennoch wurde sie daraufhin gezwungen, ihr Studium erst einmal zu | |
| unterbrechen. | |
| ## Mit Argwohn beäugt | |
| Abdrrahim zog sich zunächst aus der Politik zurück, schloss ihr Studium ab | |
| und begann im Arzneimittelgroßhandel zu arbeiten. Das Kopftuch wanderte | |
| endgültig in die Schublade. Nach der Revolution am 14. Januar 2011 meldete | |
| sie sich in der Politik zurück. Sie wurde im Herbst des gleichen Jahres als | |
| Ennahda-Spitzenkandidatin im zweiten Wahlbezirk von Tunis in die | |
| Verfassungsgebende Versammlung gewählt. Dort stand sie der Kommission für | |
| Menschenrechte und Freiheiten vor. | |
| Ihre politische Gegner beäugen Abderrahim mit Argwohn. Sie sei nur ein | |
| „modernes Aushängeschild für die internationale Öffentlichkeit“ für die | |
| Islamisten. „Souad Palin“ wurde sie in Anlehnung an die extrem rechte | |
| Gouverneurin des US-Bundesstaates Alaska Sarah Palin immer wieder genannt. | |
| Trotz aller Reden über die Benachteiligung der Frau vertritt Abderrahim ein | |
| orthodoxes Familienbild. Alleinstehende Mütter erklärte sie zur „Schande | |
| für eine islamische Gesellschaft“. Und im derzeitigen Streit um das | |
| Erbrecht, das Männer bevorteilt, hält sie sich völlig bedeckt. Auch ohne | |
| Kopftuch. | |
| 21 Jun 2018 | |
| ## AUTOREN | |
| Reiner Wandler | |
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