# taz.de -- Brasilianische Aktivistin über Gewalt: „Ich werde hier nicht weg… | |
> Alessandra Korap Munduruku kämpft für die Natur, Frauen und Indigene. Die | |
> Gewinnerin des taz Panter LeserInnenpreises wird gerade massiv bedroht. | |
Bild: Bedroht und prämiert: Alessandra Korap Munduruku | |
taz: Seit langer Zeit werden Sie bedroht, [1][weil Sie für den Erhalt des | |
Regenwaldes kämpfen]. In den letzten Wochen hat sich die Situation | |
zugespitzt. Was ist passiert? | |
Alessandra Korap Munduruku: Sie fahren in Autos mit getönten Scheiben an | |
unserem Dorf vorbei, machen Fotos und verfolgen sogar Menschen, die mich | |
unterstützen. Meine Anwältin erhielt kürzlich Morddrohungen. Die Situation | |
ist bedrohlich, aber ich werde hier nicht weggehen. | |
Wer steckt dahinter? | |
Hier gibt es [2][viele Menschen, die die Region wirtschaftlich ausbeuten | |
wollen]. Wegen des Holzes, des Goldes und des Sojas. Der Bergbaukonzern | |
Anglo American will in unserem Gebiet fördern. Außerdem gibt es | |
[3][Großprojekte wie Staudämme] und eine geplante Bahntrasse. Wer sich | |
dagegen wehrt, wird bedroht. Oft von pistoleiros – Menschen, die bezahlt | |
werden, um zu töten. Ihr einziger Weg ist es, Personen wie mich zu | |
eliminieren. | |
Haben Sie Angst? | |
Als 2019 in mein Haus eingebrochen wurde, hatte ich Angst. Aber jetzt darf | |
ich mich nicht mehr fürchten, denn ich muss ein Vorbild für die anderen | |
Frauen sein. Meine einzige Angst: unser Territorium zu verlieren. | |
Sie erwähnten die Ferrogrão (Eiserne Bohne). Die Bahntrasse soll quer durch | |
das Gebiet der Munduruku gebaut werden, um Soja aus dem Süden zu den Häfen | |
am Tapajós-Fluss zu transportieren. Welche Auswirkungen befürchten Sie? | |
Tonnenweise Soja und Mais sollen mit der Bahn hierhin transportiert werden. | |
Um Soja anzupflanzen, muss der Wald weiter gerodet werden. Immer mehr | |
Flächen werden dafür von Landinvasoren mit Gewalt eingenommen. Die | |
eingesetzten Pestizide vergiften unseren Fluss und die Fische, der Gestank | |
ist furchtbar. Das Gift im Soja hat furchtbare Konsequenzen – sowohl für | |
die Weißen als auch für uns. | |
Der größte Teil des Sojas wird exportiert, auch nach Deutschland. Welche | |
Verantwortung haben wir in Europa für Ihre Heimat? | |
Eine große Verantwortung, denn: Woher kommen die Unternehmen, die | |
Kraftwerke für Staudämme bauen, die unsere Flüsse vergiften und unser Land | |
zerstören? Wer hilft dabei, Amazonien abzuholzen, damit Soja als Tierfutter | |
importiert werden kann? | |
Nicht wenige sagen, dass die wirtschaftliche Ausbeutung Amazoniens | |
notwendig sei, um Brasilien zu „entwickeln“. | |
Diese Leute vergessen, dass hier Menschen leben. Wie können sie über unser | |
Leben entscheiden, ohne uns zu fragen oder einzubeziehen? Viele von uns | |
wurden bereits vertrieben, etliche getötet. Ihre „Entwicklung“ bedeutet f�… | |
uns Gewalt und Tod. | |
Wie hat sich die Situation seit dem Amtsantritt von Präsident Jair | |
Bolsonaro verändert? | |
Bolsonaro hat Indigene und Umweltschützer schon immer verachtet. Alles was | |
er sagt, ist schlecht für uns. Auch früher gab es Invasionen in unseren | |
Territorien. Aber es existierten Organe, die Invasoren bestraften und sie | |
von unserem Land warfen. Bolsonaro und sein Umweltminister Ricardo Salles | |
versuchen nun, genau diese Organe abzubauen. Seit dem Amtsantritt der | |
Regierung hat der Bergbau in indigenen Gebieten massiv zugenommen. Erst vor | |
ein paar Tagen hat der Gouverneur des Bundesstaates Roraima (ein enger | |
Verbündeter von Präsident Bolsonaro, Anm. d. Red.) den Abbau von | |
Quecksilber in der Region freigegeben. Das wird verheerende Konsequenzen | |
für die Indigenen haben. | |
Ein Teil Ihres Stammes unterstützt dennoch die Pläne der Regierung, die | |
kommerzielle Ausbeutung in geschützten Gebieten zu legalisieren. Wie | |
schätzen Sie das ein? | |
Es ist ein kleine Gruppe, die von den Weißen manipuliert wird. Sie werden | |
mit einfachem Geld gelockt. Vertreter von großen Unternehmen kommen in die | |
Dörfer und sagen ihnen: „Verlasst euch nicht auf die NGOs, produziert | |
selbst. Ihr seid reich, nutzt das!“ Doch wer am Ende das große Geld macht, | |
sind die Weißen aus den Städten. Leider sehen sie nicht, dass sie benutzt | |
werden. Und sie merken nicht, dass sie helfen, ihr Volk auszulöschen. | |
Indigene sind bei der Impfkampagne als höchste Risikogruppe eingestuft. Wie | |
ist da die Situation? | |
Viele wollen sich nicht impfen lassen, weil sie von den evangelikalen | |
Kirchen beeinflusst werden. Diese nennen die Impfung „Teufelszeug“ und | |
sagen, man würde ihnen einen Chip einpflanzen – um am Ende die Dosen der | |
Indigenen für sich selbst zu sichern. Ich wurde bereits geimpft, viele aus | |
meinem Dorf auch. Ich versuche ein Vorbild zu sein und sage: Der Teufel ist | |
nicht die Impfung, sondern die Gewalt, die sie uns antun. | |
18 Feb 2021 | |
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## AUTOREN | |
Niklas Franzen | |
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