# taz.de -- Boykott der Winterspiele 2022 in Peking: Olympia mit politischem An… | |
> Die US-Regierung hat angekündigt, die Pekinger Winterspiele diplomatisch | |
> zu boykottieren. Für Chinas Image könnte das Folgen haben. | |
Bild: Ungewöhnliches Kuscheltier in Zhangjiakou: Hier finden im Februar die Wi… | |
BERLIN taz | Es gibt Proteste, die muss man erst einmal erklären, damit sie | |
überhaupt wahrgenommen werden. Dazu zählt neuerdings der diplomatische | |
Boykott der Olympischen Winterspiele in Peking, den die US-Regierung am | |
Montag verkündete. Das Kabinett von Präsident Biden werde wegen des | |
fortdauernden „Völkermords und Verbrechen gegen die Menschlichkeit“ an den | |
muslimischen Uiguren in der Provinz Xinjiang und anderer | |
Menschenrechtsverletzungen keine diplomatischen oder offiziellen Vertreter | |
nach China schicken. | |
Aufgrund des extrem strengen Coronahygienekonzepts hätte sich wohl ohnehin | |
kein US-Vertreter nach China verirrt. Schon im August bei den Olympischen | |
Sommerspielen in Tokio waren wegen der Pandemie zur Eröffnungsfeier | |
lediglich Staatsgäste aus rund 15 Ländern angereist. So versehen die | |
US-Politiker:innen ihre Abwesenheit auf den Stadionsitzen in Peking | |
leichterhand mit einem politischen Anstrich. | |
Die Reaktionen der chinesischen Regierung bewegten sich möglicherweise auch | |
deshalb zwischen Belustigung und Verärgerung. Außenamtssprecher Zhao Lijian | |
sagte am Dienstag, niemand würde die Anwesenheit von einzelnen Politikern | |
bei den Olympischen Winterspielen bemerken. Eine ähnliche Reaktion war in | |
der staatlichen chinesische Boulevardzeitung Global Times zu lesen: „Um | |
ehrlich zu sein, sind die Chinesen erleichtert über diese Nachricht, denn | |
je weniger US-Beamte kommen, desto weniger Viren werden eingeschleppt.“ | |
Außenamtssprecher Zhao Lijian betonte, dass die Protagonisten die Sportler | |
seien. Andererseits forderte er, die USA sollten endlich aufhören, den | |
Sport zu politisieren, und kündigte „entschiedene Gegenmaßnahmen“ an. Das | |
deutet darauf hin, dass die chinesische Regierung selbst diese | |
symbolpolitische Boykottform der USA als Gesichtsverlust wertet und sie zum | |
Politikum macht. | |
Diese Entwicklung wäre überhaupt nicht im Sinne des Internationalen | |
Olympischen Komitees, das im steten Streben, die Sphären Politik und Sport | |
voneinander zu trennen, die US-Entscheidung nicht bewerten wollte. „Das ist | |
eine rein politische Diskussion. Auch in dieser Frage ist das IOC politisch | |
neutral.“ Partei ergreifend will das IOC auch weiterhin nicht im Fall der | |
chinesischen Tennisspielerin [1][Peng Shuai] sich positionieren. | |
## Stille Diplomatie versus Boykott | |
Seitdem die 35-Jährige über soziale Netzwerke Vergewaltigungsvorwürfe gegen | |
einen chinesischen Spitzenpolitiker erhoben hat, kann sich die Sportlerin | |
offensichtlich nicht mehr frei äußern. Ihre Anklage wird verschwiegen. All | |
das beförderte die Boykottdiskussionen rund um die anstehenden Olympischen | |
Winterspiele. Das IOC wirbt dagegen um Vertrauen auf [2][seine stille | |
Diplomatie.] | |
Bereits vor den Olympischen Sommerspielen 2008 in Peking hat es wegen der | |
Menschenrechtsverletzungen in Tibet Debatten gegeben, ob Sportler:innen | |
fernbleiben sollten. Mit Verweis auf die einschneidenden Olympiaboykotte | |
während des Kalten Krieges, als 1980 etliche Staaten die Spiele in Moskau | |
wegen des russischen Einmarsches in Afghanistan boykottierten und umgekehrt | |
als Reaktion wiederum etliche Länder den Spielen 1984 in Los Angeles | |
fernblieben, wird von Regierungen und Sportfunktionär:innen diese Form | |
des Protests jedoch immer wieder abgelehnt. Auch die US-Regierung erklärte | |
zur aktuellen Lage, einen kompletten Boykott wollen man nicht, um die | |
Sportler:innen nicht zu bestrafen. | |
Mit dem Mittel des diplomatischen Boykotts werden nun selbst für die | |
olympischen Sportstätten sportliche und politischen Sphären voneinander | |
abgegrenzt. Unpolitisch ist das Aktionsfeld der Protagonist:innen, | |
politisch sind die unbesetzten Plätze auf den Ehrentribünen. Als der | |
Bundespräsident Joachim Gauck bei den Winterspielen 2014 in Sotschi sein | |
Fernbleiben mit den Menschenrechtsverletzungen in Russland begründete, | |
wurde das mehr als individuelle Protesthaltung wahrgenommen. | |
Breiter und struktureller aufgestellt war schon der Protest während der | |
Fußball-Europameisterschaft 2012 in Polen und der Ukraine. Die | |
EU-Kommission und viele europäische Regierungschefs nahmen Einladungen zu | |
den Spielen in der Ukraine aus Protest gegen die Inhaftierung der | |
Oppositionspolitikern Julia Timoschenko nicht an. Diese damals recht neue | |
Form, diplomatisch zu protestieren und mit Abwesenheit zu glänzen, bekam | |
kaum jemand mit. | |
Die Entscheidung der US-Regierung, in zwei Monaten den Winterspielen in | |
Peking fernzubleiben, erhält dagegen eine ganz andere Aufmerksamkeit. Viele | |
andere Staaten werden nun überlegen müssen, wie sie sich zu dem | |
amerikanischen Vorstoß verhalten wollen. Die Ampelkoalition ließ es noch | |
offen, ob sie sich dem Boykott anschließen wolle. Der designierte | |
Bundeskanzler Olaf Scholz kündigte enge Abstimmungen mit den Partnerländern | |
an und warb für Dialog: „In einer Welt, die zusammenarbeiten muss, geht es | |
auch darum, dass man die Signale der Zusammenarbeit nutzt.“ | |
Beim Koalitionspartner, den Grünen, forderte der außenpolitische Sprecher | |
Omid Nouripour im „Inforadio“ wiederum unverblümt, dem Beispiel zu folgen. | |
„Das, was die Amerikaner sagen, dass keine Regierungsmitglieder daran | |
teilnehmen, das halte ich für eine richtige Herangehensweise. Ich hoffe, | |
dass sich Deutschland dem anschließt.“ | |
Sollten sich weitere Länder dem Boykott anschließen, wird dies den Ablauf | |
der Olympischen Winterspiele nicht beeinträchtigen. Eine große Koalition | |
der unsichtbaren Boykotteure würde den Spielen jedoch zweifellos etwas an | |
propagandistischem Glanz nehmen. | |
7 Dec 2021 | |
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## AUTOREN | |
Johannes Kopp | |
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