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# taz.de -- Boxerin Sarah Scheurich zurück im Ring: Die Ausdauernde
> Sarah Scheurich verfolgt ihre Karriere trotz ihres Ausscheidens aus dem
> Nationalkader weiter. Und hört nicht auf, Missstände im Boxsport
> anzuprangern.
Bild: Hat große Ausdauer und einen großen Gerechtigkeitssinn: Sarah Scheurich
Hamburg taz | Sarah Scheurich liebt das Boxen – und erhebt ihre Stimme
gegen Ungerechtigkeiten, seit sie ein kleines Mädchen ist. Jetzt, mit 29
Jahren, ist sie unter anderem vier Mal deutsche Meisterin, Dritte bei der
U19-WM und Fünfte bei der WM 2018 geworden. Seit sie 2021 vom Deutschen
Boxverband (DBV) mit der Begründung fehlender Leistung aus dem Kader
genommen wurde, verfolgt sie ihre eigene Profikarriere. Auch gegen die
Weltbesten Clarissa Shields und Savannah Marshall stand sie schon im Ring.
Am 29. Juli boxt sie beim Battle at the Beach in Monheim.
Scheurich wuchs in Mecklenburg-Vorpommern auf und begann als kleines
Mädchen mit Kampfsport. Grund: Ihr „unglaublicher Bewegungsdrang“. Mit elf
ging sie auf eine Sportschule in Schwerin. „Dort habe ich nur unter Jungs
trainiert“, sagt Scheurich. Schon mit 13 bot sie Personen die Stirn, die
ihr sagten: „Frauen im Boxen finde ich scheiße.“
Nach dem Abitur boxte sie weiter. Sie wurde von der Bundeswehr gefördert
und als Sportsoldatin ausgebildet. Es folgten viele Erfolge – aber auch
Niederlagen. Ihre größte Enttäuschung: Die Qualifikation für Olympia 2021
verpasst zu haben. „Das war eine sehr schwierige Zeit. Mein Trainer wandte
sich von mir ab und trainierte meine Konkurrentin“, sagt sie.
Den Amateur-Boxsport sieht sie heute kritisch: „Ich möchte nicht, dass
meine Kinder dort später mal Sport machen.“ Sie kann sich aktuell auch
nicht vorstellen, als Trainerin zu arbeiten. „Allerdings würde ich das
sofort, wenn im DBV Fairness, Leistungsorientierung und Verbandsdemokratie
wieder hergestellt würden“, sagt sie. Sie spricht aus eigener Erfahrung:
[1][2018 legte sie sich öffentlich mit dem DBV an.]
## Mangelnder Respekt für Frauen im Boxsport
In der [2][Kampagne „Coach don’t touch me“] kreidete sie gemeinsam mit
anderen Boxerinnen Strukturen an, die Missbrauch leichter machen würden.
Frauen würden im Boxsport nicht den gleichen Respekt wie Männer erfahren.
Zum Beispiel gibt es keine Bundesliga für Frauen. „Oder wir kämpfen ohne
Zuschauer*innen – und ja, wir sind zwar wenige. Aber auch einfach, weil
es für uns unattraktiver ist“, sagt Scheurich. Ihr hatte mal ihr Trainer
gesagt: „Du müsstest mal abnehmen – so wie du jetzt aussiehst, kriegst du
keinen Mann mehr ab.“
2021 schrieb sie einen offenen Brief an den Verband, in dem sie ihn erneut
kritisierte. „Nach dem Erscheinen habe ich Zuspruch von Boxer*innen und
Trainern unter der Hand bekommen. Aber alle hatten Angst um ihre Position,
was ich ja auch verstehen kann.“ In dieser Zeit gab ihr ihre Familie großen
Halt.
Im gleichen Jahr [3][strich sie der Boxverband nach zehn Jahren
Nationalmannschaft aus dem Kader]. „Ich habe damit jegliche Förderung
verloren. Aber ich würde das alles genauso noch mal machen“, sagt
Scheurich.
Für sie ist es wichtig, auch Rückschläge zu teilen. „Vor zwei Jahren bin
ich in die Klinik gegangen, eigentlich um die Einnahme von
ADHS-Medikamenten überwachen zu lassen. Dabei kam raus, dass es mir
eigentlich viel schlechter ging, und ich eine schwere Depression hatte.“
Der zweimonatige Aufenthalt hat ihr gutgetan: „Ich habe festgestellt: Es
ist schwierig, wenn der Sport der einzige Lebensinhalt ist.“ [4][ADHS]
sieht sie als Stärke: „Ich habe eine krasse Ausdauer und Disziplin. Ich
glaube ich habe auch einen großen Gerechtigkeitssinn und bin sehr kreativ“,
sagt sie.
Inzwischen studiert sie Soziale Arbeit in Hannover und arbeitet in
Düsseldorf mit ihrem Trainer Pasquale Ferraro und der Boxerin Ramona Graeff
zusammen. Ihr Ziel: Im Studium weiterkommen, sich im Profibereich
etablieren und einen Titel gewinnen. „Ich möchte zeigen, dass ich die Beste
in Deutschland bin.“
18 Jul 2023
## LINKS
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[2] /Sexueller-Missbrauch-im-Boxsport/!5544297
[3] /Moegliche-Ausgrenzung-einer-Boxerin/!5807022
[4] /ADHS-bei-Erwachsenen/!5929194
## AUTOREN
Nina Spannuth
## TAGS
Boxen
Frauen
Leistungssport
ADHS
Hannover
Das Leben einer Frau
Schwerpunkt Stadtland
Schwerpunkt Olympische Spiele 2024
Psychologie
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kritisch ist. Der Verband entgegnet, Grund sei die stagnierende Leistung.
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