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# taz.de -- Berliner Wohnungsmarkt: Das Unmögliche schaffen
> Mit einer neuen Variante will der grüne Baustadtrat von
> Friedrichshain-Kreuzberg das Vorkaufsrecht ziehen: Eine
> Dachgenossenschaft soll 13 Häuser retten.
Bild: Das Problem haben viele Menschen: Banner an einem Haus im Bezirk Pankow
Gewöhnliche Unternehmensgründungen sehen anders aus, erst recht, wenn zur
Startfinanzierung Millionenbeträge notwendig sind. Doch auf dem Berliner
Wohnungsmarkt ist schon lange nichts mehr normal, und so trafen sich am
Donnerstagabend in der Friedrichshainer Pablo-Neruda-Bibliothek mehr als 50
Interessierte, um über die Gründung einer neuen Wohnungsgenossenschaft zu
diskutieren. Ihr Ziel: 13 Häuser in Kreuzberg und Friedrichshain mit
insgesamt 200 Wohnungen zu übernehmen, für die der Bezirk das Vorkaufsrecht
ziehen will.
Die Idee hatte zuerst Florian Schmidt, grüner Baustadtrat des Bezirks, in
die Debatte geworfen. Auch am Donnerstag erklärte Schmidt den Vertretern
der betroffenen Häuser, warum nicht wie bisher landeseigene
Wohnungsbaugesellschaften als Käufer einspringen: Die Kaufpreise seien zu
hoch, außerdem seien die Zuschüsse, die der Finanzsenator für solche
Fälle bereithalte, „endlich“ .„Wenn wir bei allen Häusern Zuschüsse
beantragen würden, würden wir auch Absagen bekommen“, so Schmidt. „Wir
müssen deshalb andere Möglichkeiten finden, das zu finanzieren.“
Zu der ersten Versammlung der 13 Häuser hat Schmidt Werner Landwehr
mitgebracht, einen Kenner von Wohnungsgenossenschaften und zugleich
Regionalleiter Berlin der GLS-Bank. Landwehr erklärte, dass eine
Genossenschaft bereits handlungsfähig sein könne, bevor sie im Register
eingetragen ist. Eine beruhigende Information für die Betroffenen, denn der
Zeitplan ist eng. Binnen zwei Monaten nachdem der Bezirk vom Kaufvertrag
zwischen dem bisherigen Verkäufer und bisherigen Käufer unterrichtet wurde,
muss er das Vorkaufsrecht in Anspruch nehmen und in den bisherigen
Kaufvertrag eintreten. Das bedeutet auch, dass die Finanzierung dann stehen
muss.
Ein erstes Finanzierungskonzept hat Landwehr bereits entworfen. Er rechnet
mit einer durchschnittlichen Genossenschaftseinlage von 500 Euro pro
Quadratmeter. Für eine Familie in einer 100-Quadratmeter-Wohnung, wären das
50.000 Euro. Erstaunlich, dass bei dieser Summe kein Raunen durch den Raum
ging. Offenbar ist die Vorstellung, an einen privaten Investor verkauft zu
werden, noch abschreckender, als tief in den Geldbeutel greifen zu müssen.
„Immerhin gehört das Haus dann Ihnen allen“, warb Schmidt für den
Genossenschaftsgedanken.
Um mit einem möglichst hohen Eigenkapitalanteil zu den Banken gehen zu
können, setzten Schmidt und Landwehr auch auf eine Förderung durch den
Senat. 10 Prozent des Kaufpreises soll das Land Berlin zuschießen. „Dazu
kommt dann noch die im Koalitionsvertrag vereinbarte
Genossenschaftsförderung“, so Landwehr. Ein Fünftel des Kaufpreises würde
durch die Genossenschaftseinlagen finanziert werden, so das Modell.
„Die Dachgenossenschaft ist eine gute Idee, auf die Verkäufe zu reagieren“,
sagte Jeannette Brabenetz aus der Krossener Straße 36 in Friedrichshain.
Beim Hausfest am 25. Mai werde man die Werbetrommel rühren.
„Wir wollen das auf jeden Fall durchziehen, auch wenn einige Häuser nicht
mitmachen“, betonte Schmidt. „Ziel ist, dass in jedem Haus mehr als die
Hälfte der Mieter zeichnen.“ Es wäre nicht das erste Mal, dass der Grüne
das Unmögliche schafft. Seine letzte Aktion: der „gestreckte Erwerb“ von
fast 700 Wohnungen, bei dem in der Karl-Marx-Allee zunächst an die Mieter
und dann an die Wohnungsbaugesellschaft Mitte (WBM) verkauft wurde.
10 May 2019
## AUTOREN
Uwe Rada
## TAGS
Florian Schmidt
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Deutsche Wohnen
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Vorkaufsrecht
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