# taz.de -- Berliner Schulleiter zu offenen Schulen: „Normalbetrieb ist ein R… | |
> Statt die Schulen während der Pandemie für alle offen zu halten, sollte | |
> man zu halben Klassen wechseln, sagt Schulleiter Guido Landreh. | |
Bild: Das geht noch smarter: An vielen Schulen sind digitale Unterrichtskonzept… | |
taz: Herr Landreh, welche Farbe zeigt die Corona-Ampel der | |
Bildungsverwaltung bei Ihnen an der Schule gerade? | |
Guido Landreh: Die zeigt momentan noch Gelb. | |
Also Masken auf im Lehrerzimmer, ansonsten aber Normalbetrieb? | |
Genau. Aber das könnte sich bald ändern. Wir haben aktuell zwei Klassen in | |
Quarantäne. Und es kommen immer häufiger Meldungen über Corona-Erkrankungen | |
von Schülerinnen und Schülern, deren Eltern oder bei Kolleginnen und | |
Kollegen und deren privatem Umfeld. Das war im Frühjahr nicht so. | |
Angesichts der [1][Dynamik der Infektionen], die Sie gerade beschreiben: | |
Klappt denn das System, dass die Schulen sich jeden Donnerstag mit der | |
Schulaufsicht und dem Gesundheitsamt zusammenschalten? Der feste | |
Wochenrhythmus klingt ja eher wenig dynamisch. | |
Im Moment klappt das noch gut. Und ich bin ja durch das Gesundheitsamt auch | |
angehalten, als Schulleiter selbstständig Kontaktpersonen der Kategorie I | |
zu informieren, sobald mir Fälle gemeldet werden, da muss ich nicht auf das | |
Amt warten. Wo ich grundsätzlich ein Problem sehe: Der Stufenplan der | |
Bildungsverwaltung, die [2][Corona-Ampel für die Schulen], berücksichtigt | |
den Arbeitsschutz nicht ausreichend. | |
Maske tragen reicht nicht? | |
Der Stufenplan reicht uns schon an anderer Stelle nicht. Wir hatten hier an | |
der Schule bereits nach den Sommerferien ein Wechselmodell zwischen Lernen | |
in der Schule und angeleitetem Lernen zu Hause umgesetzt. Da hat uns die | |
Bildungsverwaltung aber Ende September aufgefordert, das zu unterlassen und | |
uns an die Vorgaben zu halten. | |
Also erst mal zurück zum Normalbetrieb in Klassenstärke und ohne | |
Abstandsregeln. | |
Ja, und das ist für uns ein Rückschritt. Wir sitzen hier in voller | |
Klassenstärke, und die Schüler verstehen nicht, warum sie vormittags mit 30 | |
Leuten in einem Raum sitzen und abends in der gleichen Konstellation keine | |
Party machen sollen. Dabei hat unser System nach den Sommerferien sehr gut | |
funktioniert. | |
Wie sah das genau aus? | |
Indem die Jugendlichen einen halben Tag in der Schule waren und den anderen | |
halben Tag im angeleiteten Lernen zu Hause, konnten wir den Stundenplan | |
einer Woche vollumfänglich umsetzen – laut dem Stufenplan der | |
Senatsverwaltung soll das lediglich innerhalb von 14 Tagen geschehen. Das | |
hat uns übrigens selbst überrascht. | |
Dass die Jugendlichen etwas gelernt haben? | |
Dass sie erfolgreicher lernen. Lernrückstände waren überhaupt kein Thema. | |
Und es gab eine hohe Akzeptanz sowohl bei den Eltern als auch bei den | |
Schülerinnen und Schülern. Gerade diejenigen, die eher eine gewisse | |
Schuldistanz hatten und bisher auf der Strecke blieben, was | |
Hausaufgabenhilfe angeht, haben profitiert. Und da ist es schon misslich, | |
wenn einem Konzepte untersagt werden, die fortschrittlich und innovativ | |
sind. Da wächst der Unmut unter den Kolleginnen und Kollegen. | |
In vielen Schulen war die Erfahrung aus dem Frühjahr: Benachteiligte | |
Jugendliche sind erst recht im Nachteil, wenn sie zu Hause lernen sollen. | |
Deshalb ist ja auch die Politik unisono der Meinung, dass die Schulen offen | |
bleiben müssen. | |
Es braucht eine sinnvolle Kommunikation. Wir haben zum Beispiel eine | |
Schulcloud – einen Messengerdienst mit Kalender- und Cloudfunktion –, wo | |
Wochenpläne bereitgestellt werden können. Die ist datenschutzkonform, nur | |
Mitglieder der Schule haben Zugang. Und wir haben Videokonferenzen mit | |
eingebunden. Plötzlich haben wir mit den Eltern übrigens auch eine ganz | |
andere Kommunikation: Die erleben sich jetzt viel eher als kompetent und | |
gefragt. Das Verhältnis entspannt sich an vielen Stellen, eben weil man | |
mehr miteinander im Gespräch ist. | |
Sie erreichen auch Eltern, die Sie sonst nicht erreicht haben? | |
Nicht alle, aber mehr als vorher. Und was uns das Unterrichten in halber | |
Klassenstärke noch mal gezeigt hat: Eine Klassengröße von 26 und mehr | |
Kindern ist eigentlich zu groß für Kinder mit besonderem Förderbedarf. Wir | |
haben ja hier in Berlin die Idee der inklusiven Schule – und eine Klasse, | |
in der weniger als 15 Kinder sitzen, die schafft genau das: die | |
Schülerinnen und Schüler mit besonderem Förderbedarf zu integrieren. Da | |
geht keiner mehr verloren. Auch die Stillen, Ruhigen, Leisen sind plötzlich | |
anders aktiv. Die Unterrichtsphasen sind einfach wesentlich effektiver | |
gewesen in den zwei Monaten, in denen wir unser Konzept durchführen | |
durften. | |
Klingt nach einem Modell, das über Corona hinaus attraktiv ist. | |
Richtig. Es ist zudem günstig aus einer Kosten-Nutzen-Perspektive: Man | |
braucht weniger Platz in den Schulen, die Raumfrage entschärft sich bei | |
kleineren Gruppen. Und auch der Personalbedarf fällt günstiger aus: Eine | |
Lernbegleitung zu Hause ist weniger zeitaufwendig als die Durchführung von | |
zusätzlichen Unterrichtstunden. Allerdings gilt das, was ich sage, für die | |
Sekundarstufe I. Auf jüngere Kinder in der Grundschule lässt sich das | |
sicher nicht so übertragen. Und völlig kostenneutral wird es auch nicht | |
sein. | |
Für das Lernen zu Hause braucht es in jedem Fall aber leistungsfähiges | |
Internet und vernünftigere Endgeräte als ein Smartphone. Das haben nicht | |
alle Jugendlichen. | |
Das stimmt, da muss es Mittel geben, und da hat das Land ja auch schon | |
Geräte verteilt. Wobei die Tablets nur dann etwas bringen, wenn das auf die | |
Medienkonzepte der Schule abgestimmt ist. Und natürlich muss auch die | |
Didaktik Schritt halten: Die Lehrer müssen die Rolle als Lernbegleiter auch | |
ausfüllen können. Sie müssen wissen: Wofür braucht man die Ressourcen der | |
Gruppe, wann lasse ich die Schüler selbstständig arbeiten, und wie gestalte | |
ich das. | |
Und da hat das Kollegium mitgezogen? | |
Ja, der überwiegende Teil der Lehrkräfte hat da sehr gut mitgezogen. Das | |
ist der Vorteil von Krisen: Jetzt gibt es die Notwendigkeit, etwas anders | |
zu machen. | |
Andere Frage: Wie klappt eigentlich das Lüften bei Ihnen? | |
Das klappt, wir kriegen die Fenster auf. Allerdings ist das nicht die | |
Lösung für den Winter: In einem viergeschossigen Altbau lässt die | |
Heizleistung nach oben hin dermaßen nach, dass wir die oberen Räume | |
eigentlich bald nicht mehr nutzen können. | |
Die Bildungsverwaltung hat [3][1.200 Luftfiltergeräte für die Schulen] in | |
Aussicht gestellt. | |
Schauen wir mal. Wir warten jetzt erst mal noch auf die CO2-Messgeräte, die | |
sind auch noch nicht da. | |
12 Nov 2020 | |
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## AUTOREN | |
Anna Klöpper | |
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