| # taz.de -- Berliner Krankenhausbewegung: Erfolgreiche Urabstimmung | |
| > Die gewerkschaftlich organisierten Krankenhaus-Mitarbeitenden wollen es | |
| > wissen: 98 Prozent stimmten in einer Urabstimmung für Streik. | |
| Bild: Hohe Streikbereitschaft: streikbegleitende Kundgebung vor der Vivantes-Ze… | |
| Berlin taz | Der Druck auf die beiden landeseigenen Krankenhauskonzerne | |
| Charité und Vivantes steigt: Bei einer Urabstimmung unter den | |
| gewerkschaftlich organisierten Mitarbeitenden stimmten am Montagmorgen 98 | |
| Prozent für Streik. Bereits im Mai wusste die Berliner Krankenhausbewegung, | |
| in der sich die Beschäftigten organisiert haben, 63 Prozent aller | |
| Beschäftigten sowie eine Mehrheit auf jeder Station hinter sich. | |
| Gewerkschaftlich organisiert dürften etwas weniger Beschäftigte sein. In | |
| Vivantes und Charité arbeiten rund 12.000 Pfleger:innen, dazu kommen noch | |
| die Beschäftigten der Tochterunternehmen. | |
| Demnach werden in den nächsten Tagen wohl einige Tausend Mitarbeitende ihre | |
| Arbeit niederlegen, schon am Donnerstag könnte es losgehen. Man sei zu | |
| einem „Erzwingungsstreik“ bereit, sagte Verdi-Verhandlungsführerin Meike | |
| Jäger am Montagmorgen in einer online-Pressekonferenz. Man sei aber auch | |
| bereit weiter zu verhandeln und warte auf bessere Angebote der | |
| Arbeitgeberseite. | |
| [1][Die Gewerkschaft fordert] für die Pflegenden einen Tarifvertrag | |
| Entlastung, der für jede Station Normalbesetzungen definiert und einen | |
| Belastungsausgleich vorschreiben würde, falls die Normalbesetzung | |
| unterschritten wird. Für die Tochtergesellschaften, in denen zahlreiche | |
| Krankenhausberufe von Essenszubereitung bis Krankentransporte oder | |
| Laborarbeiten ausgegliedert sind, fordert sie eine Bezahlung nach dem | |
| Tarifvertrag des öffentlichen Dienstes (TVÖD). Bei der Entlohnung von | |
| Kantinenmitarbeitenden gebe es zum Beispiel eine Lohndifferenz von 900 bis | |
| 1.000 Euro pro Monat, berichtete Jennifer Lange, seit 10 Jahren im | |
| Gastro-Bereich des Tochterunternehmens SVL tätig, bei der Pressekonferenz | |
| am Montag. „Wir möchten endlich den gleichen Lohn für die gleiche Arbeit“, | |
| sagte sie. | |
| Mit der Charité gebe es zwar Verhandlungen, die Geschäftsführung bewege | |
| sich auch, aber bislang sei das Entgegenkommen „nicht ausreichend“, sagte | |
| Jäger. Und die Geschäftsführung von Vivantes sei bis zum Warnstreik in der | |
| vorigen Woche nicht zu Verhandlungen bereit gewesen. Der Konzern hatte im | |
| Vorfeld der Warnstreiks auch versucht, diese gerichtlich verbieten zu | |
| lassen – allerdings erfolglos. | |
| ## Vivantes bewegt sich | |
| Im Verlauf des Montags gab es dann erste substanzielle Verhandlungen mit | |
| Vivantes. Dabei haben Konzernvertreter nach eigenen Angaben ein Modell | |
| vorgestellt, „nach dem der Leistungsumfang der Krankenhäuser sich nach dem | |
| vorhandenen Personal richtet“, womit die Versorgungsqualität verbessert und | |
| gleichzeitig die Belastung für Pflegekräfte begrenzt würde. Voraussetzung | |
| für weitere Gespräche sei allerdings, das nicht gestreikt würde, hieß es in | |
| einer Pressemitteilung von Vivantes. „Sollte Verdi also zu Streiks | |
| aufrufen, werden für diesen Zeitraum die Gespräche ausgesetzt.“ | |
| „Wir freuen uns über die Verhandlungsbereitschaft, aber unsere Forderungen | |
| sehen anders aus“, kommentierte Silvia Habekost von der Berliner | |
| Krankenhausbewegung den Vorschlag gegenüber der taz. Die Bedingung von | |
| Vivantes, die Verhandlungen auszusetzen, solange Streiks stattfinden, | |
| kritisierte sie. „Wir werden uns nicht einschüchtern lassen“, so Habekost. | |
| Jäger appellierte an die Politik, auf beide Geschäftsführungen hinzuwirken, | |
| dass für beide Krankenhauskonzerne gemeinsam verhandelt werden könne. Von | |
| den Geschäftsführungen forderte sie, endlich eine Notdienstvereinbarung zu | |
| unterzeichnen, damit der Streik „sicher“ ablaufen könne. Eine solche | |
| Vereinbarung hat bei vergangenen Streiks dafür gesorgt, dass Stationen, die | |
| bestreikt wurden, rechtzeitig geschlossen und die PatientInnen verlegt | |
| wurden, damit niemand unversorgt blieb. Weil dies immer gut funktioniert | |
| habe, wollten dies die Geschäftsführungen offenkundig nicht, sagte Luigi | |
| Wolf von Verdi. Wenn die Stationen offen blieben, setze dies nämlich die | |
| Pflegekräfte unter „emotionalen Druck“, nicht am Streik teilzunehmen um | |
| ihre PatientInnen nicht zu gefährden. | |
| Dessen ungeachtet sei die Streikbereitschaft außergewöhnlich hoch – in | |
| manchen Stationen, etwa beim Klinikum Vivantes, liege sie bei 100 Prozent, | |
| sagte Heike Groß, Krankenschwester in einer Vivantes-Klinik. Dies gelte | |
| auch für die Tochterunternehmen, so Ibo Garbe, Verhandlungsführer für | |
| diesen Bereich. Dort soll es am Donnerstag eine erste Verhandlungsrunde | |
| geben, für die man ein konkretes Angebot der Arbeitgeber erwarte. Beim | |
| Warnstreik am vorigen Freitag habe SPD-Fraktionschef Raed Saleh bei einem | |
| Besuch gesagt, ein TVÖD in diesem Bereich „werde nicht am Geld scheitern“. | |
| Update: Am Montag, 17.30 Uhr, wurde dieser Text um das von Vivantes neu | |
| vorgeschlagene Modell sowie die Kritik der Krankenhausbewegung daran | |
| ergänzt. | |
| 6 Sep 2021 | |
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| ## AUTOREN | |
| Susanne Memarnia | |
| Timm Kühn | |
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