# taz.de -- Berliner Aufnahmeprogramm: Die ersten Familien können kommen | |
> Innensenator startet Landesaufnahmeprogramm für Geflüchtete aus dem | |
> Libanon. Zu spät und nicht ausreichend, monieren Kritiker. | |
Bild: Syrisches Flüchtlingscamp im Libanon | |
Berlin taz | Es hat lange gedauert, aber nun soll es kommen: Das Berliner | |
„Landesaufnahmeprogramm für besonders schutzbedürftige Personen aus dem | |
Libanon“. Das verkündete Innensenator Andreas Geisel (SPD) am Montag per | |
Pressemitteilung. Aufgenommen werden sollen vor allem syrische und | |
irakische Staatsangehörige, die in den Libanon geflohen sind. | |
Das Programm ist befristet auf fünf Jahre, pro Jahr sollen 100 Geflüchtete | |
nach Berlin kommen können. Die Auswahl erfolge unter Einbeziehung des | |
UN-Hochkommissariats für Flüchtlinge (UNHCR), anschließend gebe es | |
Sicherheitsüberprüfungen durch die Berliner Polizei mit Unterstützung der | |
Bundessicherheitsbehörden, so Geisel. Die ersten Familien könnten noch in | |
diesem Jahr kommen. | |
Ende 2018 hatte die rot-rot-grüne Koalition im Abgeordnetenhaus ein | |
Landesaufnahmeprogramm für besonders schutzbedürftige Menschen beschlossen. | |
Man habe dabei eigentlich an Jesidinnen gedacht, erklärte die | |
Grünen-Abgeordnete Susanne Kahlefeld der taz. Sie hatte das Programm | |
zusammen mit Vertreter*innen der Linkspartei initiiert. Im Verlauf der | |
Verhandlungen mit der SPD seien daraus besonders Schutzbedürftige, die in | |
den Libanon geflüchtet sind, geworden. | |
Das Land mit knapp sieben Millionen Einwohnern beherbergt rund 1,5 | |
Millionen syrische Geflüchtete. [1][Davon leben laut UNHCR fast 90 Prozent | |
unterhalb der „extremen Armutsgrenze]“. Dass es nun fast drei Jahre | |
gedauert hat, den Abgeordnetenhaus-Beschluss umzusetzen, erklärte die | |
Innenverwaltung mit den nötigen „umfangreichen Abstimmungen zwischen | |
Bundes- und Landesbehörden sowie coronabedingten Verzögerungen“. | |
## Klage anhängig | |
Bundesinnenminister Horst Seehofer (CSU) muss solchen Landesprogrammen | |
formal zustimmen, [2][allerdings ist umstritten], ob er dies in humanitären | |
Notlagen verweigern kann. Im Fall des Landesprogramms für Geflüchtete von | |
den griechischen Inseln hat Seehofer die Zustimmung verweigert. Die | |
Innenverwaltung hatte dagegen 2020 Klage erhoben. Diese ist laut Geisels | |
Sprecher weiterhin beim Bundesverwaltungsgericht anhängig. | |
Laut Kahlefeld ist im aktuellen Fall aber nicht Seehofer schuld. Die | |
Innenverwaltung habe verzögert, wo es ging: bei der Zielgruppe, der Zahl | |
der Aufzunehmenden und der Frage, wie die Auswahl getroffen werde. Deshalb | |
sei die Anfrage der Innenverwaltung an das BMI auch erst im Dezember 2020 | |
raus. „Das hätte schon viel früher etwas werden können.“ | |
Katina Schubert, flüchtlingspolitische Sprecherin der Linkspartei, | |
verteidigte das Programm dennoch. Die Absprachen mit dem Bund seien | |
schwierig gewesen, sagte sie der taz. Aber Berlin zeige nun erneut, „dass | |
es ein sicherer Hafen werden kann“. | |
Integrationssenatorin Elke Breitenbach (Linke) sagte zur taz: „Ich hätte | |
mir gewünscht, dass es Lösungen auf Bundesebene, besser noch auf | |
europäischer Ebene gibt.“ Berlin habe vom Bund schon immer gefordert, dass | |
Länder und Kommunen selbst über ihre Aufnahmeprogramme entscheiden könnten. | |
## Unendlicher Flickenteppich | |
Zwiespältig sind auch die Reaktionen von Flüchtlingslobbyisten. Andreas | |
Tölke von Be an Angel: „So sehr wir das Landesaufnahmeprogramm begrüßen, | |
sind wir doch verwundert über den unendlichen Flickenteppich an | |
Unterstützungsmaßnahmen des Landes Berlin.“ Tölke meinte damit auch die | |
weiterhin katastrophale Lage für Geflüchtete in Griechenland. Diana | |
Henniges von Moabit hilft vermutete mit Blick auf die anstehenden Wahlen | |
gar, „dass es lediglich um Stimmenfang geht“. | |
Georg Classen vom Flüchtlingsrat findet es erfreulich, dass der Bund in | |
diesem Fall zugestimmt habe. Allerdings seien 100 Menschen pro Jahr sehr | |
wenig. Zudem müsse der Bund erst mal eine sofortige Evakuierungsaktion für | |
Ortskräfte der Bundeswehr und ihrer Angehörigen aus Afghanistan | |
organisieren. „Sie befinden sich in akuter Lebensgefahr! “ | |
Auch Breitenbach forderte die Bundesregierung in einem Radiointerview auf, | |
ehemalige afghanische Ortskräfte von Bundeswehr und Polizei bei der | |
Ausreise besser zu unterstützen. Bislang laufe die Hilfe sehr chaotisch und | |
sei unzureichend. „Man könnte es einfacher machen – das ist unser Wunsch.�… | |
26 Jul 2021 | |
## LINKS | |
[1] https://www.uno-fluechtlingshilfe.de/hilfe-weltweit/libanon | |
[2] /Senat-will-Innenminister-verklagen/!5725534 | |
## AUTOREN | |
Susanne Memarnia | |
## TAGS | |
Andreas Geisel | |
Flüchtlingsrat | |
Libanon | |
Schwerpunkt Flucht | |
Flüchtlinge | |
Moria | |
Moria | |
## ARTIKEL ZUM THEMA | |
Aufnahme von Kriegsflüchtlingen: SPD blockiert sicheren Hafen | |
Nur wenige Menschen kommen über legale Fluchtwege nach Berlin. R2G wollte | |
die Zahl um 400 erhöhen – selbst dies ist der SPD zu viel. | |
Flüchtlingselend an EU-Grenze: Berlin blickt auf Bosnien | |
Der Flüchtlingsrat fordert vom Senat ein Aufnahmeprogramm für in Bosnien | |
gestrandete Geflüchtete. Die Zustände dort seien schlimmer als in Moria. | |
Senat will Innenminister verklagen: Berlin will grundsätzliche Klärung | |
Horst Seehofer verweigert dem Land Berlin seine Zustimmung zur Aufnahme von | |
mehr Flüchtlingen. Seebrücke und Anwälte begrüßen eine Klage dagegen. | |
Verlogenheit beim Flüchtlingsthema: Würdeloses Gefeilsche | |
Deutschlands Flüchtlingspolitik ist beschämend: Man nennt eine Zahl, gibt | |
sich mitfühlend – und weiß, dass Innenminister Seehofer sowieso Nein sagen | |
wird. |