# taz.de -- Belastete Flussfische in Norddeutschland: In ihrem Element | |
> Schwer zu sagen, wie es wild lebenden Flussfischen geht, ihre Gesundheit | |
> wird nicht regelmäßig geprüft. Jetzt gibt ein Schadstoff-Monitoring | |
> Einblick. | |
Bild: Beliebter Anglerfisch und nicht selten mit Dioxinen belastet: die Brasse | |
HAMBURG taz | Der Zustand der Fische gibt Aufschluss über den Zustand der | |
Umwelt. Weil Fische über die Kiemenatmung und die durchlässige Haut immer | |
in Kontakt mit dem Element Wasser sind, gelangen schon winzigste | |
Giftkonzentrationen in den Fischkörper. Sofort aufmerksam werden wir, wenn | |
es zu einem spektakulären [1][Fischsterben] kommt und Hunderte oder | |
Tausende tote Tiere an der Oberfläche treiben. | |
So starben beispielsweise im vergangenen Oktober in einem Kies-See im | |
niedersächsischen Landkreis Leer Tausende Fische. Für die Passage der | |
„Norwegian Encore“, einem Luxusliner der Papenburger Meyer-Werft, war die | |
Ems zuvor drei Wochen lang ausgebaggert und der Schlick in den See gepumpt | |
worden. Die Sauerstoff- und Salzwerte waren dann so schlecht, dass | |
eineinhalb Tonnen tote Fische aus dem See geholt werden mussten. In solchen | |
Fällen ist die Ursache leicht auszumachen. | |
Schwieriger ist das beim stillen Verschwinden der Tiere, das aber ebenso | |
auf [2][mangelhafte Wasserqualität] hinweisen kann. Fische können durch | |
Krankheiten dahingerafft werden, weil Schwermetalle ihr Immunsystem | |
schwächen oder sie sich nicht mehr fortpflanzen können, weil die Eier und | |
Jungfische nicht überleben. | |
Im April hat das niedersächsische Landesamt für Verbraucherschutz und | |
Lebensmittelsicherheit (Laves) seinen Abschlussbericht des neuen | |
„Schadstoff-Monitoring in Flussfischen aus niedersächsischen | |
Flussabschnitten“ veröffentlicht – angelehnt an eine 2008/2009 | |
durchgeführte Untersuchung zum Schadstoff-Monitoring. | |
[3][Im Monitoring 2019/2020] wurden insgesamt 164 Aale, Brassen und Zander | |
aus Elbe, Ems, Weser, Aller und Oste untersucht. Die Brasse ist als | |
Vertreter der Weißfische ein beliebter Anglerfisch, der Aal kommt in nahezu | |
allen Flüssen Deutschlands vor. Zander wurden 2019 neu in das | |
Untersuchungsprogramm aufgenommen. | |
Diese Substanzen finden sich in den wild lebenden Flussfischen: | |
## Perfluoroctansulfonsäure (PFOS) | |
Gehört zu den perfluorierten Alkylsubstanzen (PFAS), die in der Industrie | |
genutzt werden, etwa zur Beschichtung von Papier, zur Imprägnierung von | |
Kleidung, Polstermöbeln und Teppichen und in Feuerlöschschäumen. | |
Im menschlichen Körper geht man von einer Halbwertszeit von fünf Jahren | |
aus. PFOS steht in Verdacht, Leber und Schilddrüse zu schädigen, das | |
Immunsystem anzugreifen und die Fortpflanzungsfähigkeit zu beeinträchtigen | |
Im niedersächsischen Schadstoff-Monitoring wurden sowohl bei Aal, Brasse | |
als auch Zander problematisch hohe PFOS-Werte gefunden, und zwar in allen | |
untersuchten Flüssen. Würde eine Person, die 60 Kilo wiegt, in der Woche | |
300 Gramm verzehren, käme sie bei 83 Prozent der Fischproben über den | |
kritischen Grenzwert, bei dem die Europäische | |
Lebensmittelsicherheitsbehörde vor gesundheitlichen Schäden warnt. | |
## Dioxine und PCB | |
Es handelt sich um organische Chlorverbindungen, die im Verdacht stehen, | |
Krebs auszulösen und deshalb nach dem Stockholmer Übereinkommen von 2001 | |
weltweit verboten sind (PCB in Deutschland sogar seit 1989). Sie entstanden | |
bei Verbrennungsprozessen oder wurden als Industriechemikalien verwendet, | |
sind nicht wasserlöslich und binden sich an Fett, weshalb fettreiche Fische | |
sie gut aufnehmen können. | |
Während die Monitoring-Proben beim Zander unter den Höchstgrenzen blieben, | |
wurde bei 20 Prozent der Brassen eine Überschreitung der Grenzwerte | |
festgestellt. Beim Aal wurden die Grenzwerte nicht ganz so häufig | |
überschritten, allerdings liegt die zulässige Menge hier auch höher. | |
Eine Verzehrempfehlung sei noch nicht möglich, heißt es im Monitoring, weil | |
das zuständige Bundesamt noch keine Risikobewertung vorgenommen habe. Der | |
Verzehr von Brasse und Aal könne jedoch „erheblich zur Aufnahme von | |
Dioxinen und PCB beim Menschen beitragen“. | |
## Chlorierte Kohlenwasserstoffe (CKW) | |
Die Pestizide und Industriechemikalien, die in Deutschland inzwischen | |
verboten sind, lassen sich immer noch nachweisen, da sie nur langsam | |
abgebaut werden. | |
Das Schädlingsbekämpfungsmittel DDT einschließlich seiner Metaboliten wurde | |
in 98,8 Prozent der 169 untersuchten Fischproben nachgewiesen, | |
Hexachlorbenzol (HCB) in 85,8 Prozent. | |
In sieben Fällen ergaben sich Höchstmengenüberschreitungen, in allen sieben | |
handelte es sich um Proben von Aalen aus der Elbe. Die Brassen waren | |
geringer belastet. Der Monitoring-Bericht merkt an: „Die Elbe gilt damit | |
auch weiterhin als Belastungsschwerpunkt für DDT und Metaboliten sowie für | |
Hexachlorbenzol.“ | |
Mehr über die belasteten Flüsse in Norddeutschland und die Folgen für | |
Fische und Menschen lesen Sie in der taz am wochenende oder unserem | |
[4][e-Kiosk]. | |
5 Jun 2020 | |
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[1] /Umweltverbaende-gegen-Elbvertiefung/!5603704 | |
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[4] /Unser-eKiosk/!114771/ | |
## AUTOREN | |
Ilka Kreutzträger | |
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