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# taz.de -- Bäume und Wälder in der Dürre: Bis an den Rand der Todeszone
> Werden die Wälder überleben? Nur wenn die Bäume und die Waldökosysteme
> Zeit und Raum haben, sich ans veränderte Klima anzupassen.
Bild: Dürre, Hitze und Schädlinge – geschädigte Fichten von oben
Hier und dort regnet es wieder in Deutschland, doch in weiten Teilen des
Landes ist es zu trocken. In Brandenburg, Sachsen-Anhalt, Thüringen hat die
Dürre des Jahres 2018 genau genommen durch Winter und Frühjahr nie
aufgehört. Ende Januar waren nördlich von Berlin die Niederschläge bis zu
40 Zentimeter in den Waldboden gesickert. Darunter war die Erde so staubig
wie am Ende des Sommers 2018.
Die Bäume bräuchten mindestens in einem Meter Tiefe noch feuchte Erde. Das
extrem trockene Wetter mit hohen Temperaturen entspricht den
wissenschaftlichen Prognosen über die Auswirkungen des Klimawandels in
Deutschland. Während Waldbesitzerinnen und Förster noch diskutieren, wie
sie den Wald für den Klimawandel umbauen, holt die Realität sie ein.
Bäume und Waldökosysteme weltweit kennen Trockenstress, denn dürre Zeiten
gab es schon immer. Sie haben wie die Laub- und Nadelbäume im bislang
atlantisch-feuchten Mitteleuropa daher Strategien entwickelt, wie sie
extreme Trockenzeiten überleben. Die Bäume verschließen die Spalten auf der
Unterseite der Blätter, damit keine Feuchtigkeit entweichen kann. Bei lang
anhaltender Trockenheit werfen die Bäume dann die Blätter schon im Sommer
ab, auch Zweige und Äste wirft der Baum je nach Art ab, um den gesamten
Organismus zu entlasten.
Indem die Bäume die Blattspalten (Stomata) schließen, reißt jedoch der
ansonsten ununterbrochene Wasserfluss von den Wurzeln bis in die Blätter
ab. Das hydraulische System des Wassertransports stockt. Luft schließt sich
so in den Hohlräumen ein, Embolien entstehen.
## Daten aus verschiedenen Weltregionen
Die meisten Bäume gehen bis an ihr Limit, um trockene Zeiten zu überleben,
haben WissenschaftlerInnen um Brendan Choat von der Universität Western
Sidney und Steven Jansen von der Universität Ulm herausgefunden. Die beiden
haben mit einem internationalen Team von BiologInnen die Daten aus
verschiedenen Weltregionen über die dort wachsenden Baumarten
ausgewertet.
Bäume aus feuchten Gebieten entwickeln schneller Embolien als Baumarten aus
trockenen Gebieten. Das verwundert nicht, denn Bäume aus Regenwäldern
brauchen von Natur aus mehr Wasser als Bäume aus der Savanne. Doch alle
Baumarten arbeiten bis zur Erschöpfung, unabhängig vom Ökosystem. Sie sind
deshalb sehr empfindlich gegen zusätzliche Trockenheit. Das heißt, die
Baumarten haben ihren Organismus an die bisherigen Trockenzeiten in ihren
Regionen angepasst – weniger Feuchtigkeit bedeutet Absterben.
70 Prozent der 226 untersuchten Waldbaumarten an 81 Standorten erhalten
ihre Funktionsfähigkeit bis an den Rand der Todeszone aufrecht, haben
WissenschaftlerInnen herausgefunden. Die Bäume arbeiten noch in einem
schmalen Sicherheitsbereich, der je nach Baumart unabhängig von der
Niederschlagsmenge ist. Daher sind die Waldökosysteme so verletzlich, wenn
es zu wenig regnet.
Wie die Baumarten auf längere und extremere Trockenzeiten reagieren, wird
weltweit untersucht. Nur wenn die Bäume und die Waldökosysteme Zeit und
Raum haben, sich an das veränderte Klima anzupassen, werden die Wälder
überleben.
Waldbaumarten im Nordwesten der USA und im Westen Kanadas sind schlecht an
Dürre angepasst, lautet das Fazit einer Studie von WaldbiologInnen und
ÖkologInnen der Universität Alberta in Kanada, der
Albert-Ludwigs-Universität Freiburg und dem Schweizer Institut der
Forstwissenschaften. Die WissenschaftlerInnen um Miriam Isaac-Renton von
der Universität Alberta haben genetische Daten der Küstenkiefer ((Pinus
contorta Dougl. ex Loud.). von verschiedenen Standorten im Nordwesten der
USA und im Westen Kanadas ausgewertet. Die Orte werden seit den 1970er
Jahren wissenschaftlich untersucht, sodass die ForscherInnen auf Daten aus
mehreren Trockenzeiten zurückgreifen konnten.
## Suche nach überlebensfähigen Bäumen
Die Küstenkiefer ist eine der häufigsten Forstbaumarten in den USA und
Kanada. Bei einigen Förstern in Deutschland gilt die Küstenkiefer als
vielversprechende Alternative zur heimischen Kiefer und zur Fichte, wenn
die beiden Arten in den trockenen Heißzeiten des Klimawandels nicht mehr
mithalten können. Doch die Erkenntnisse der Wissenschaftler dürften die
forstwirtschaftlichen Hoffnungen zunichtemachen. Die Zellproduktion der
Küstenkiefer ist nicht dazu geeignet, mit den Trockenzeiten umzugehen.
Ihr Fazit: „Die nördlichen Bäume produzieren mehr verletzliche hydraulische
Systeme in Kombination mit einer geringeren Empfänglichkeit der Stomata.
Diese schlechte Anpassung an Trockenheit bedeutet, dass westliche boreale
Wälder wohl nicht gut mit den erwarteten zunehmenden Trockenheiten im
Klimawandel umgehen werden.“
Zur Erklärung: Bei Dürre verschließen Bäume zwar die Spalten auf den
Blättern oder Nadeln, um keine Feuchtigkeit zu verlieren, doch durch die
Poren, die Stomata, nimmt der Baum auch das für ihn lebenswichtige
Kohlendioxid CO2 auf. Wenn also die Poren geschlossen sind, fehlt dem Baum
der Grundstoff der Fotosynthese. Der Baum kann die lebensnotwendigen
Kohlehydrate nicht bilden – er ist auf Diät.
Die verschlossenen Stomata haben noch einen weiteren Effekt auf den Baum:
Das Wasser aus dem Boden steigt nicht mehr in die Zellschichten zwischen
Baum und Borke – damit erhält der pflanzliche Organismus auch keine
Nährstoffe wie Magnesium, Phosphor oder Kohlenstoff aus dem Boden. Aus der
Diät wird so eine Hungerkur für den Baum.
Hinzu kommen die Embolien. Bei Trockenheit entstehen Hohlräume mit Luft in
den Blättern und in den lebenserhaltenden Zellen zwischen Baum und Borke.
Die Luftbläschen blockieren dann auch zunächst, dass nach der
Wiedervernässung des Bodens das Wasser wieder steigen kann.
## Fichten zehren sich auf
Doch Bäume regenerieren, sonst hätten sie nicht überlebt. Ökologin Martina
Tomasella von der TU München hat untersucht, ob und wie Rotbuchen und
Fichten den Wasserfluss zwischen Wurzeln und Blättern wiederherstellen und
sich so mit Nährstoffen versorgen können. Ausgewachsene Bäume
akklimatisieren sich nach Trockenzeiten, wenn wieder ausreichend Wasser
vorhanden ist, hat Tomasella festgestellt.
Als junge Topfpflanzen waren jedoch nur Fichten im Laufe ihrer zweijährigen
Forschungen in der Lage, die Lufteinschlüsse zu beheben, also die Embolien
abzubauen. Die Fichten haben die aufgestauten Kohlenhydrate abgebaut und
für das Wachstum genutzt. Nach schnell aufeinanderfolgenden Trockenzeiten
haben die jungen Fichten den bereits eingelagerten Zucker im Splintholz
gelöst, um zu überleben. Die Fichten zehren sich in der Dürre auf.
Es gibt daher eine Schwelle, hinter die es kein Zurück gibt, hat der
US-Wissenschaftler William R. L. Anderegg vom Department of Ecology and
Evolutionary Biology der Princeton-Universität nachgewiesen. Anderegg ist
einer der führenden Waldökosystemforscher der Welt. Er hat Amerikanische
Zitterpappeln in einem Gebiet mit lang anhaltender Trockenheit untersucht.
Wenn die Dürre zu lange anhält, nützt den Zitterpappeln auch kein Regen
mehr.
3 Aug 2019
## AUTOREN
Ulrike Fokken
## TAGS
Trockenheit
Wald
Dürre
Schädlinge
Tempelhof-Schöneberg
Schwerpunkt Klimawandel
Russland
Schwerpunkt Klimawandel
Schwerpunkt Fridays For Future
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