# taz.de -- Ausstellung „Femme Fatale“ in Hamburg: Männer in Angst | |
> Eine Ausstellung zu problematischen Frauenbildern? „Femme Fatale“ in der | |
> Hamburger Kunsthalle ist nicht perfekt, macht aber manches richtig. | |
Bild: Femme Fatale des Kinos: Marlene Dietrich in „Die Frau nach der man sich… | |
Dass sie gar kein Gespür hätten, kann man ihnen nicht vorwerfen. Es ist | |
schon eine Weile her, dass in der [1][Hamburger Kunsthalle] die Ausstellung | |
„Femme Fatale“ zu eröffnen war, und es sprachen vor der Presse (und ein | |
paar anderen) – zwei Männer: der Direktor des Hauses, Alexander Klar, und | |
Markus Bertsch, Sammlungsleiter 19. Jahrhundert. Nun wäre das bei neun von | |
zehn solcher Termine keine Erwähnung wert, hier nun aber doch. Die | |
ebenfalls an der Konzeption beteiligten Kolleginnen nämlich, Selvi Göktepe | |
und Ruth Stamm, habe man mit auf die Bühne gebeten, erzählte Hausherr Klar | |
– aber die beiden hätten sich geweigert, dort gewissermaßen in Alibirolle | |
zu stehen. | |
Was stimmen mag oder nicht, im Kleinen – und vergleichsweise Harmlosen – | |
aber als Hinweis gelesen werden kann auf zwei in diesen Tagen, rund um den | |
[2][Frauen- oder Feministischen Kampftag], mit etwas mehr Aufmerksamkeit | |
bedachten Problemen. Zum einen die gläsernen Decken, an denen Nichtmänner | |
auch im Kulturbetrieb immer noch ziemlich oft ihre Karrieren enden sehen. | |
Und zum anderen die Frage, wer sich wessen Blicken stellt, wessen | |
Perspektive die maßgebliche, vermeintlich neutrale ist; wer Subjekt sein | |
darf, wer Objekt bleibt. | |
Mithin das inhaltliche Herz der Ausstellung zu „Blick – Macht – Gender“… | |
der Untertitel). Die „tödliche Frau“, der sich die Kurator*innen | |
epochenübergreifend und mittels einiger durchaus spektakulärer Leihgaben | |
und [3][begleitendem Filmprogramm] angenähert haben, war ja die | |
allerlängste Zeit eine Männerfantasie, eine Konstruktion von Geschlecht, | |
eine Zuschreibung von Eigenschaften. Diesen, ihren Gegenstand nun | |
präsentiert „Femme Fatale“ – wenn auch hie und da aufgebrochen – | |
chronologisch: Los geht es mit dem Loreley-Mythos (inklusive | |
Clemens-Brentano-Handschrift) und benachbarten, also dem Wasser nahen | |
Männerverderberinnen, etwa einer besonders blassen Meerjungfrau von | |
Elisabeth Jerichau-Baumann (1863); ja: da war es ausnahmsweise eine Frau, | |
die so malte, dass es Männern Angstlust bereitet. | |
Blass, wenn auch ganz anders, sind dann auch die Frauen, wie die | |
Präraffaeliten sie etwas später auf ihre Leinwände brachten; einige | |
zumindest repräsentative Beispiele für diese sehr englische Ausprägung der | |
Romantik hängen da nun; ebenso Beispiele aus Symbolismus und Neuer | |
Sachlichkeit. Wir erfahren etwas, wie das Motiv der tödlichen Schönen von | |
den Leinwänden der Maler_innen etwa auf die im jungen Kino weiter wanderte | |
und in die Bildstrecken der Illustrierten: [4][Reale Stars und Sternchen] | |
wurden im frühen 20. Jahrhundert zu Femmes fatales erklärt. | |
Und am Ende, recht spät – kunsthistorisch, aber auch im | |
Ausstellungsrundgang –, sehen wir sie in Zweifel gezogen, subvertiert, | |
ironisiert, dekonstruiert, die ermüdend selbstverständlich mit bloßen | |
Brüsten gezeigten Fantasiegestalten. Bei diesem letzten Schritt sind dann, | |
kaum überraschend, die Künstlerinnen mal nicht in der Minderheit. | |
Das Chronologische ist die dominante Logik der Ausstellung, aber hie und da | |
erlaubt man sich doch Assoziatives: Gleich neben den | |
Präraffaeliten-Gemälden ist [5][Sonia Boyce’] Videoinstallation „Six Acts… | |
zu sehen, über jene gern missverstandene Aktion 2018 in einem Museum in | |
Manchester: Das Bild „Hylas and the Nymphs“ (1896) des Malers John William | |
Waterhouse – kein Präraffaelit, aber in der direkten Nachbarschaft zu Hause | |
– wurde da unter Hinweis auf seine schlecht gealterte, reichlich | |
voyeuristische Darstellung der Frauen-, oder doch eher Mädchenkörper | |
symbolisch abgehängt. Interessierte in Nah und Fern erklärten das flugs zu | |
Zensur; nicht zuletzt ja auch ein Spiel mit Erregung und Grusel, dieses | |
[6][„cancel culture“-Geschrei]. | |
Ein nicht gleich weltweit beachtetes, ähnlich gelagertes spezifisch | |
Hamburger Problem übrigens gab auch den Anstoß zu „Femme Fatale“: [7][Hans | |
Makarts „Der Einzug Kaiser Karls V. in Antwerpen“ (1878)], seit 2020 im | |
eigenen Saal präsentiert, habe eine „fruchtbare“ Diskussion angeregt über | |
Nacktheit und Sexismus, erzählten Klar und Bertsch, und ein vorläufig | |
letztes Ergebnis ist diese Ausstellung: Statt solche anstößigen Stücke im | |
Depot zu verstecken, so die Maxime, lieber das Anstößige offensiv der | |
Diskussion anheimgeben. Dafür lässt sich trefflich streiten (dagegen erst | |
recht, klar) – ob der Kontext das Zeigen akzeptabler macht oder nicht (und | |
wer das am Ende eigentlich entscheiden soll): Diese Debatte ist noch lange | |
nicht vorbei. | |
Löst die Ausstellung ein, was ihre Macher, Pardon, Macher_innen | |
beanspruchen? Oder kommt alles Brechen, Hinterfragen, Untergraben immer | |
noch zu kurz gegenüber der schlichten Wiederholung, also dem Zeigen eines | |
heiklen Frauenbilds in etlichen Schattierungen? Kommt darauf an, woran man | |
es misst: Affirmation der und Widerrede gegen die Männerfantasie könnten | |
besser austariert sein. Aber als Diskussionsbeitrag verstanden, klappt hier | |
auch schon recht viel: Und sei’s, weil es hilft zu kennen, was man | |
abgeschafft wünscht. | |
9 Mar 2023 | |
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[7] https://online-sammlung.hamburger-kunsthalle.de/de/objekt/HK-1515/der-einzu… | |
## AUTOREN | |
Alexander Diehl | |
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