| # taz.de -- Ausländerwahlrecht erwünscht: „Triebfeder für meine Einbürger… | |
| > In Zukunft sollen auch Ausländer aus Nicht-EU-Ländern bei Kommunalwahlen | |
| > wählen dürfen, haben SPD, Grüne und FDP im niedersächsischen Landtag | |
| > beschlossen. Dafür müsste jedoch das Grundgesetz geändert werden. | |
| Bild: Hier sollen balld auch Nicht-EU-Bürger ihr Kreuzchen setzen können: Wah… | |
| taz: Herr Pantazis, warum sollen Ausländer bei Kommunalwahlen wählen | |
| dürfen? | |
| Christos Pantazis: Weil es gut ist für unsere Demokratie und eine Form der | |
| Willkommens- und Anerkennungskultur. Außerdem ist dieses Wahlrecht schon in | |
| 16 Mitgliedsstaaten der Europäischen Union gelebte Praxis.Das | |
| Bundesverfassungsgericht hat 1990 entschieden, dass das Wahlrecht Privileg | |
| von Staatsangehörigen ist. Was ist falsch daran? | |
| Ich bin Arzt, kein Jurist. Allerdings wählen wir bei Kommunalwahlen keine | |
| Parlamente, sondern Organe der örtlichen Selbstverwaltung. Es geht darum, | |
| dass Menschen ihr unmittelbares Lebensumfeld mitbestimmen möchten – das | |
| schließt auch Drittstaatsangehörige ausdrücklich mit ein. Außerdem ist das | |
| Kommunalwahlrecht seit dem Vertrag von Maastricht nicht mehr auf deutsche | |
| Staatsangehörige beschränkt. Seither dürfen auch EU-BürgerInnen auf | |
| kommunaler Ebene in ihrem Wohnsitz wählen. | |
| Ihr Vorschlag bezieht sich nur auf das Kommunalwahlrecht. Warum sollen | |
| Migranten, deren Kinder hier in die Schule gehen, nicht auch über | |
| Bildungspolitik mitentscheiden dürfen? | |
| Meine persönliche Sicht ist, dass alle Menschen, die in unserem Land | |
| dauerhaft leben, an Wahlen teilhaben können müssen. Teilhabe bedeutet, dass | |
| die Menschen, die hier leben auch darüber befinden, wie ihre Steuern | |
| ausgegeben werden. Politisch gesehen, ist eine Änderung des | |
| Kommunalwahlrechts zudem am einfachsten umzusetzen, weil nur Artikel 28 | |
| Absatz 1 des Grundgesetzes verändert werden müsste. | |
| Allein entscheiden können Sie das allerdings nicht. Haben Sie Unterstützung | |
| aus anderen Ländern? | |
| Schon im Juni hat sich die niedersächsische Landesregierung einer | |
| Bundesratsinitiative von Rheinland-Pfalz angeschlossen. Auch Hamburg, | |
| Schleswig-Holstein und Bremen signalisieren Zustimmung. In Niedersachsen | |
| ist der Versuch bisher dreimal an der schwarz-gelben Mehrheit gescheitert. | |
| Auch diesmal stimmte die CDU dagegen. | |
| Die CDU-Fraktion kritisiert, dass durch ein kommunales Wahlrecht für | |
| Ausländer jeglicher Anreiz verloren ginge, sich einbürgern zu lassen. | |
| Dagegen bin ich das beste Beispiel. Ich war bis 2002 griechischer | |
| Staatsangehöriger und meine erste Wahl, die niedersächsische Kommunalwahl | |
| 1996, war eine Art Triebfeder für meine Einbürgerung. Das Gefühl im | |
| unmittelbaren Lebensumfeld plötzlich gleichberechtigt zu sein und | |
| mitentscheiden zu dürfen, hat mich politisiert. | |
| Warum ist es ausländischen Mitbürger nicht zumutbar, die deutsche | |
| Staatsangehörigkeit anzunehmen, wenn sie wählen wollen? | |
| Hier geht es um die grundsätzliche Frage, wie man Migrationspolitik | |
| begreift. Ich bin der Ansicht, dass politische Teilhabe auch | |
| gesellschaftliches Engagement fördert, weil Menschen sich mit ihrer | |
| Umgebung auseinandersetzen, Verantwortung übernehmen und Kontakte knüpfen. | |
| Der Anreiz, sich gänzlich zu dieser Gemeinschaft zu bekennen ist doch dann | |
| viel größer. Die Krönung dieses Prozesses kann dann die Einbürgerung sein. | |
| Inwiefern können sich Ausländer schon heute beteiligen? | |
| Sie können sich in Parteien, Verbänden und Vereinen engagieren. Das | |
| Wahlrecht für EU-Bürger ist auf die kommunale Ebene begrenzt, auf Landes- | |
| und Bundesebene dürfen sie nicht wählen. Dabei gibt es viele Menschen, die | |
| politische Prozesse auch hier mitbestimmen wollen. | |
| 29 Jul 2015 | |
| ## AUTOREN | |
| Andrea Scharpen | |
| ## TAGS | |
| Wahlrecht | |
| Schwerpunkt Flucht | |
| Kommunalwahl | |
| Ausländerwahlrecht | |
| Schwerpunkt Landtagswahlen | |
| Einbürgerung | |
| Inklusion | |
| ## ARTIKEL ZUM THEMA | |
| Mitbestimmung für Ausländer*innen: Ohne Pass kein Kreuz | |
| Hamburger*innen ohne deutschen Pass dürfen bei Volksinitiativen nicht | |
| abstimmen. Die Linke will das ändern. | |
| Wahlrecht für Nicht-Deutsche: Ausländer setzen auf Rot-Rot-Grün | |
| Jede/r siebte BerlinerIn darf nicht wählen, weil das Wahlrecht am Pass | |
| hängt. Der künftige Senat müsse das ändern, fordert die Organisation | |
| „Citizen for Europe“. | |
| Der lange Weg zur Einbürgerung: Endlich deutsch | |
| Nationalstolze Sachbearbeiterinnen, viel Kaffee und Erziehungstipps: zwölf | |
| Monate Ämtermarathon auf dem Weg zum deutschen Pass. | |
| Inklusive Demokratie: Bremen erleichtert das Mitwählen | |
| Als erstes Bundesland erleichtert Bremen Menschen mit Leseschwierigkeiten | |
| die Teilnahme an der Wahl. Erstmals sind Wahlunterlagen barrierefrei. | |
| Kommentar Urteil Ausländerwahlrecht: Bremen liebt nur das deutsche Volk | |
| Die Bremer Richter schützen Stadtteilgremien davor, dass Anwohner aus | |
| Zürich oder Ankara mitentscheiden. Sie haben sich gegen die Modernisierung | |
| entschieden. |