# taz.de -- Aufregung um Politiker in Rumänien: Heirat als nationales Event | |
> Der Rechtsradikale George Simion inszeniert seine Hochzeit in | |
> populistischem Stil. Historisches Vorbild ist die Heirat des Faschisten | |
> Codreanu 1925. | |
Bild: Geoge Simion bei Anti-Corona-Protesten in Bukarest im Dezenber 2021 | |
Provozieren, pöbeln und beleidigen, nationale und sexuelle Minderheiten | |
beschimpfen, den Holocaust verharmlosen: All dies gehört zum politischen | |
Repertoire des rechtsradikalen rumänischen Parlamentsabgeordneten und | |
[1][Chefs der ultranationalistischen Partei Allianz für die Vereinigung der | |
Rumänen (AUR)], George Simion, 35. | |
Um seine populistischen Botschaften nachhaltiger unter das Volk zu bringen, | |
inszenierte er am vergangenen Wochenende seine Hochzeit als Megafest, das | |
online live übertragen wurde und an dem etwa 10.000 Gäste aus allen Teilen | |
des Landes teilnahmen. | |
Im Vorfeld der „Jahrhunderthochzeit“ hatte Simion seinen 1,2 Millionen | |
Internetanhängern verkündet, dass er für das Fest exklusiv rumänische | |
Landwirtschaftsprodukte besorgt habe. Und: Das Tragen rumänischer | |
Volkstracht sei für die Gäste verpflichtend, so Simion. Gleichzeitig gab er | |
bekannt, dass der orthodoxe Erzbischof Teodosie zusammen mit mehreren | |
anderen Geistlichen die kirchliche Trauung vornehmen werde. | |
Das als Wiesenfest angelegte Großevent war eine Nachahmung der Hochzeit des | |
rumänischen Faschisten und Antisemiten Corneliu Zelea Codreanu (1899–1938). | |
Auch zu dessen Hochzeit 1925 waren Zehntausende eingeladen – alle in | |
Volkstrachten. Codreanu war Gründer und Chef der rechtsextremistischen | |
Legion des Erzengels Michael. Die auch noch unter dem Namen Eiserne Garde | |
bekannte Gruppe war in Europa, nach der NSDAP und der italienischen | |
Bewegung Mussolinis, die drittstärkste rechtsextreme Partei der | |
Zwischenkriegszeit. | |
## Antisemitismus und Fremdenfeindlichkeit | |
Die AUR streitet ideologischen Parallelen zur Eisernen Garde ab. Verbal | |
versucht sich die 2019 gegründete Partei vom Antisemitismus und | |
Fremdenfeindlichkeit der Eisengardisten zu distanzieren. Sie fällt aber | |
immer wieder durch holocaustleugnende und [2][minderheitenfeindliche | |
Aussagen] auf. | |
Einer der AUR-Abgeordneten hält regelmäßig Reden im Parlament, in denen er | |
an Opfer des Kommunismus erinnert, die vorwiegend Mitglieder der von | |
Codreanu geführten rechtsextremen Organisation waren. An | |
Gedenkveranstaltungen für verstorbene Faschisten beteiligte sich übrigens | |
in den letzten Jahren auch der klerikale AUR-Sympathisant und | |
coronaskeptische Erzbischof Teodosie. | |
Wie andere rechtsnationalistische Gruppen und Parteien schwadroniert die | |
AUR von der „Notwendigkeit einer konservativen Revolution“. Mit „Nation, | |
Familie und Glaube“ wirbt Simion für ein Europa der Vaterländer. Trotz | |
offenkundiger euroskeptischer Tendenzen plädiert er für einen Verbleib | |
Rumäniens in der EU. Einen förderalen europäischen Superstaat lehnt er aber | |
ab. In der EU fordert er einen Platz für ein mit der Republik Moldau und | |
der heute ukrainischen Region Nordbukowina wiedervereinigtes Groß-Rumänien. | |
## Eigenwilliger Souveränitätsgedanke | |
Der eigenwillige Souveränitätsgedanke entspricht den Vorstellungen | |
nationalistischer Politiker aus der sogenannten Visegrád-Gruppe: Ungarn, | |
Polen, Slowakei und Tschechien. „Wir haben die gleiche Geschichte, die | |
gleichen Interessen und werden die gleiche Zukunft haben“, so Simion in | |
einem Interview für die rechtskonservative Gazette Visegrád Post. | |
Nicht zufällig ist er ein erklärter Bewunderer des illiberalen ungarischen | |
Premiers Viktor Orbán und der nationalkonservativen polnischen | |
Regierungspartei Recht und Gerechtigkeit (PiS). | |
Simions Hochzeit war ein politisches Statement. Sie sollte nationalistische | |
Kräfte zusammenschweißen, den Parteichef populärer machen und ihm letztlich | |
die Stimmen sichern, die er als zukünftiger Präsidentschaftskandidat in | |
zwei Jahren brauchen wird. | |
31 Aug 2022 | |
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## AUTOREN | |
William Totok | |
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