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# taz.de -- Attacke auf türkischen Journalisten: Angriff im Exil
> Der türkische Journalist Erk Acarer wurde in Berlin von drei Männern
> überfallen. Der Erdoğan-Kritiker vermutet ein politisches Tatmotiv.
Bild: Kam nach Deutschland, um in Sicherheit zu leben und zu arbeiten: Erk Acar…
Berlin taz | Der im Berliner Exil lebende türkische Journalist Erk Acarer
ist am Mittwochabend vor seinem Wohnhaus in Berlin-Neukölln angegriffen
worden. Er musste mit Kopfverletzungen ambulant im Krankenhaus behandelt
werden, wie Acarer mit angeschwollenem Gesicht in einem Videostatement auf
Türkisch am [1][frühen Donnerstagmorgen] erzählte. Mittlerweile gehe es ihm
den Umständen entsprechend gut, heißt es in einem weiteren Statement nach
dem Angriff.
Laut den Schilderungen von Acarer haben drei Männer ihn im Vorgarten seines
Hauses in Neukölln überfallen und ihm vor den Augen seiner Frau direkt ins
Gesicht geschlagen. Acarer sei hingefallen. Zwei Angreifer hätten weiter
auf ihn eingeprügelt, während ein Dritter Schmiere gestanden habe. Einer
der Männer habe geschrien: „Du schreibst nicht mehr!“
Der Erdoğan-kritische Journalist lebt aufgrund von [2][Repressionen und
Bedrohungen in der Türkei] seit 2017 in Deutschland und geht beim Angriff
von einem politischen Hintergrund aus. Noch am Mittwochabend hatte Acarer
ein Bild seines blutenden Gesichts zusammen mit den Worten „Ich werde mich
dem Faschismus nie ergeben“ [3][getwittert]. Er kenne die Täter.
Acarer berichtete immer wieder kritisch über die türkische Regierung unter
Recep Tayyip Erdoğan, zuletzt für die linke türkische Zeitung BirGün und
den in Köln gegründeten Exilsender Arti TV. In der Türkei berichtete er
unter anderem für Cumhuriyet, Sabah, Habertürk und Milliyet. Von September
2017 bis Juli 2020 war Acarer auch für die [4][taz.gazete] tätig, das
mittlerweile [5][abgeschlossenen Projekt der taz] für politisch verfolgte
türkischen Journalist*innen.
## Strafverfahren in der Türkei
Im Video sagte Acarer: „Das zeigt, dass alles, was ich über die
islamistisch-faschistische AKP-MHP Regierung geschrieben habe, stimmt.“ Er
habe zur Identität der Täter Vermutungen und Informationen. Allerdings
habe die Polizei ihn gebeten, zunächst keine Namen oder Gruppierungen zu
nennen, da dies die Ermittlungen erschweren könne.
Acarers Schwerpunktthemen sind islamistischer Terror und Fundamentalismus
sowie der Krieg in Syrien. Er hat zudem ein Sachbuch über das Verhältnis
zwischen der Türkei und dem IS veröffentlicht. In der Türkei laufen
Strafverfahren gegen ihn, zudem sind offenbar Haftbefehle anhängig.
Im April wurde Acarer von Innenminister Süleyman Soylu auf Twitter
beleidigt, nachdem er über die mutmaßliche Verwicklung von dessen Neffen in
einen Millionen-Betrugsfall getwittert hatte. Ein anderer ranghoher AKPler,
Kemalettin Aydın, empfahl daraufhin, [6][den Journalisten „mit Strychnin
einzuschläfern“]. Dazu twitterte Aydın ein Bild mit der [7][chemischen
Formel des Giftstoffs].
Der Angriff am Mittwochabend hätte auch schlimmer ausgehen können, vermutet
Acarer in seinem Videostatement. Weil sich schnell Zeug*innen per Zuruf
eingemischt hätten, seien die Täter geflohen. Der [8][Welt] schilderte
Acarer, er gehe davon aus, dass die Angreifer Waffen gehabt und diese auch
gezückt hätten, wenn die Nachbar*innen sich nicht eingeschaltet hätten.
Er habe nach dem Angriff sogar noch versucht, die Täter zu verfolgen, ihm
sei aber zu schwindlig gewesen, um hinterherzulaufen. Seine 14-jährige
Tochter, die im Haus gewesen sei, habe den Angriff glücklicherweise nicht
mit ansehen müssen. Kurz darauf sei die Polizei eingetroffen. Er und seine
Familie [9][würden mittlerweile geschützt].
## Staatsschutz übernimmt Ermittlungen
Die Berliner Polizei bestätigte den Angriff [10][in einer Meldung] am
Donnerstag und leitete Ermittlungen ein. Aufgrund der Angaben von Acarer
über ein mögliches politisches Motiv habe der Staatsschutz übernommen. Nach
Darstellung der Polizei haben Nachbar*innen sie gegen 21.50 Uhr wegen
einer Körperverletzung gerufen.
Auch die Polizei berichtet, dass Acarer auf dem Hof des Gebäudes von zwei
Männern geschlagen und getreten worden sei, während ein dritter Schmiere
stand. Als sich die Zeugen bemerkbar machten, sollen die Angreifer von dem
48-Jährigen abgelassen haben und geflüchtet sein.
Reporter ohne Grenzen ist schockiert über den Angriff. „Wir kennen die
Hintergründe der Tat noch nicht, aber dass ein regierungskritischer
Journalist aus der Türkei in Berlin angegriffen wird, ist besorgniserregend
und könnte andere Exiljournalistinnen und -journalisten im Land
einschüchtern“, sagte der Geschäftsführer der Organisation, Christian Mihr.
Er forderte Aufklärung, ob der Angriff mit seiner journalistischen Arbeit
zusammenhängt. „Medienschaffende im Exil sind vor Repressionen in ihren
Heimatländern geflohen. Sie müssen sich hier sicher fühlen können“, so
Mihr. Acarer ist 2017 nach Angaben der NGO mit einem Nothilfestipendium
über Reporter ohne Grenzen nach Deutschland gekommen. Auch verschiedene
Politiker*innen wie [11][Cem Özdemir (Grüne)] und Sevim Dağdelen
(Linke) äußerten sich schockiert über den Vorfall.
Der ebenfalls in Deutschland lebende Journalist Can Dündar wertete den
Angriff als „[12][direkte Botschaft“ Erdoğans]. Auch die Journalistin
Meşale Tolu, die 2017 mehrere Monate in der Türkei in Haft saß, verurteilte
den Angriff. Laut Sicherheitsexperten soll der türkische Geheimdienst über
ein [13][weit verzweigtes Informant*innennetzwerk] verfügen.
Ebenso gibt es viele gewaltbereite Erdoğan-Anhänger*innen und in Vereinen
organisierte Anhänger der extrem rechten [14][Grauen Wölfe], deren Partei
zusammen mit Erdoğans AKP regiert. Auch die verbotene Rockergruppe
[15][Osmanen Germania] soll über [16][Verbindungen in die türkische
Regierung] verfügen.
Wie schon am Vorabend bei seinem Tweet bleibt Erk Acarer auch in seinem
Videostatement kämpferisch. Mit Blick auf die Genesungswünsche und
Nachrichten bedanke er sich bei allen Leser*innen, Freund*innen und
Verwandten. Er beendet das Statement mit klaren Worten in Richtung der
Täter: „Macht ruhig, was ihr könnt. Aber ihr sollt wissen, dass wir euch
zur Rechenschaft dafür ziehen. Und am Ende werdet ihr zahlen müssen.“
Am Donnerstagabend, 08.07.21, soll um 19 Uhr unter dem Motto „Solidarität
mit Erk Acarer“ eine Kundgebung am [17][Kottbusser Tor in Berlin-Kreuzberg]
stattfinden.
Mitarbeit: Oliver Kontny, Ebru Taşdemir
8 Jul 2021
## LINKS
[1] https://twitter.com/eacarer/status/1412974057625198594
[2] /Angriff-auf-Journalisten-in-Berlin/!5520277
[3] https://twitter.com/eacarer/status/1412865504382013440
[4] https://gazete.taz.de/
[5] /Das-ende-von-tazgazete/!5703952
[6] https://artigercek.com/haberler/akp-nin-etik-kurulu-baskani-erk-acarer-e-ka…
[7] https://www.tr724.com/akpli-profesorden-soyluya-gazeteci-icin-zehir-onerisi/
[8] https://www.welt.de/politik/deutschland/article232367859/Erk-Acarer-wird-at…
[9] https://twitter.com/eacarer/status/1412889742597926914
[10] https://www.berlin.de/polizei/polizeimeldungen/2021/pressemitteilung.11042…
[11] /Cem-Oezdemir-ueber-Angriff-auf-Erk-Acarer/!5784550
[12] https://www.spiegel.de/panorama/justiz/erk-acarer-tuerkischer-journalist-i…
[13] https://www.welt.de/politik/deutschland/article157778863/Erdogans-Agenten-…
[14] /Graue-Woelfe/!t5014397
[15] /Seehofer-verbietet-Rockergruppe/!5521599
[16] https://www.tagesspiegel.de/politik/tuerkische-vereine-in-deutschland-band…
[17] https://twitter.com/ismail_kupeli/status/1413057199832768513
## AUTOREN
Gareth Joswig
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