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# taz.de -- Seehofer verbietet Rockergruppe: Razzien bei den Osmanen Germania
> Bundesinnenminister Horst Seehofer verbietet die Rockergruppe Osmanen
> Germania. Sie soll Verbindungen in die höchste politische Ebene der
> Türkei haben.
Bild: Osmanen Germania: Beschlagnahmtes aus einer Durchsuchung im März 2017
Berlin taz | „Wer den Rechtsstaat ablehnt, kann von uns keine Nachsicht
erwarten“, so lautet die erste knappe Begründung des Innenministers Horst
Seehofer am Dienstagmorgen. Laut Innenministerium wird die militante
Rockervereinigung Osmanen Germania bundesweit verboten. Im Vorfeld gab es
bereits seit 2017 in mehreren Bundesländern Durchsuchungen von
Geschäftsräumen und Wohnungen der Mitglieder.
Auf die Anfrage der taz, woran die Ablehnung des Rechtsstaates denn
festzumachen sei, antwortete das Innenministerium, dass es auf Anweisung
der führenden Köpfe ein „Kooperationsverbot“ mit der Polizei gebe.
„Straftaten der Mitglieder werden durch die Entscheidungsträger des Vereins
ausdrücklich gefördert bzw. sogar angewiesen. Ein großer Teil der
Mitglieder ist in der Vergangenheit bereits straffällig geworden“, lautet
die weitere Begründung. Verbote von ähnlich kriminell agierenden, bekannten
Rockerclubs wie den „Hells Angels“ gab es aber bisher nur auf Landes-, nie
auf Bundesebene.
Nach außen gab sich Osmanen Germania als Box- und Rockerclub von
mehrheitlich türkischstämmigen Nationalisten. Erst 2015 gegründet, sind die
Osmanen Germania über die Landesgrenzen hinaus aktiv. Dem Innenministerium
zufolge existieren derzeit 16 „Chapter“, lokale Unterabteilungen, in ganz
Deutschland.
Aus einer Anfrage an die Bundesregierung der Abgeordneten Sevim Dağdelen
(Die Linke) geht hervor, dass es weitere lokale Gruppen in Belgien, der
Schweiz, der Türkei und sogar in Kambodscha geben soll. Wie aktiv diese
Chapter in den anderen Ländern sind, ist fraglich.
Eine besondere Rolle spielt jedoch die Türkei. Laut Abhörprotokollen
deutscher Ermittlungsbehörden sollen Politiker der Regierungspartei AKP und
Mitglieder der AKP-Lobbyorganisation UETD (Union Europäisch Türkischer
Demokraten) im Ausland die Osmanen Germania finanziell und logistisch
unterstützt haben.
## Gangstarap und Männerkult
Eine Verbindung wurde durch die UETD und AKP-Politiker bisher öffentlich
bestritten. In der regierungsnahen Zeitung Sabah vom 16. Oktober 2015 ist
jedoch zu lesen, dass die Osmanen Germania die AKP bei den Parlamentswahlen
unterstützten. So geht aus dem Artikel hervor, dass die „3.500 Mann starke
Jugendorganisation Osmaney Germania“ (falsche Schreibweise im Original)
beschlossen habe, für die AKP zu votieren. Zitiert wird in dem Artikel auch
der derzeit in Stuttgart vor Gericht stehende Mehmet Bağcı. „Wir wollen
unsere Jugend nicht an die Gangs in Deutschland verlieren. Wir wollen eine
Generation errichten, die die nationalen und ideellen Werte hochhält.“
Als aktive Jugendarbeiter zeigen sich die Osmanen auf Facebook. Unter
anderem wird dort für Blutspenden für leukämiekranke Kinder geworben. Aber
auch Eigenwerbung gibt es dort zu hören. Mit „Man gegen Man – Kana Kan“
(Blut gegen Blut) auf der Facebookseite der Osmanen Germania Heilbronn wird
ein Video des Sängers Remzi, der mit vermummten und bewaffneten
Muskelmännern ein Loblied auf die Osmanen Germania rappt, angekündigt.
Im ersten Moment scheint das Video nicht weniger martialisch als andere
Gangstarapper-Videos. Unterlegt mit Bildern von Boxern und reitenden
Kämpfern in Militärtracht, wird hier vor allem ein brutaler, mit Waffen
dekorierter Männerkult gepflegt: „Maşallah, hier musst du ein Mann sein“.
Würden nicht schon seit März in Stuttgart Gerichtsverhandlungen unter hohen
Sicherheitsvorkehrungen gegen Mitglieder der Osmanen Germania laufen,
könnte man fast denken, dass es es sich um eine Gruppe von Halbstarken
handelt, die zu viele Filme in Martial Arts-Manier gesehen hat.
Aber weit gefehlt: Bereits seit 2016 sind baden-württembergische Ermittler
des Landeskriminalamtes mit der Sonderkommission „Meteor“ an der
rockerähnlichen Vereinigung dran. Im Dezember des vergangenen Jahres folgte
dann die Anklage: Acht mutmaßliche Mitglieder müssen sich unter anderem
wegen versuchten Mordes, Zwangsprostitution und Verstößen gegen das
Betäubungsmittelgesetz seit März 2018 vor Gericht verantworten. Der Prozess
soll bis Januar 2019 andauern.
## Razzien in vier Bundesländern
In einem Spiegel-Berichtsieht sich einer der Angeklagten, mutmaßlich einer
der führenden Köpfe der Osmanen Germania, Mehmet Bağcı, politisch verfolgt.
Er vergleiche sich seinem Anwalt Stefan Striefler zufolge mit dem
Welt-Korrespondenten Deniz Yücel, [1][der über ein Jahr ohne Anklageschrift
in türkischer Haft saß].
Der Name Osmanen Germania setzt sich zusammen aus zwei Gebietsnamen, die
für die Ideologie und Lokalisation der Rockergruppe stehen. Osmanen für die
ideologische Anknüpfung an das längst vergangene Weltreich der Osmanen,
einer nationalistisch-islamisch geprägten Weltsicht, verbunden mit einem
Hass auf Minderheiten, sowie das rustikale Germania für die lokale
Anbindung.
In den türkischen Medien wurde wenig über die brutal agierende Vereinigung
berichtet. Einzig der ungeklärte Tod eines Osmanen-Germania-Mitglieds durch
eine Polizeikugel in Wuppertal wurde im Februar breiter aufgegriffen.
Türkischen Medienberichten zufolge bemühe sich die Düsseldorfer
Generalkonsulin Şule Gürel „um eine lückenlose Aufklärung“, was die
Umstände des Todes betrifft.
Seit heute früh laufen in vier Bundesländern – Rheinland-Pfalz,
Baden-Württemberg, Bayern und Hessen – Razzien in Vereinslokalen und
Wohungen von Mitgliedern. Weitere Maßnahmen seien „nach derzeitigem
Erkenntnisstand“ des Innenministeriums nicht geplant.
10 Jul 2018
## LINKS
[1] /Deniz-Yuecel-ueber-die-Haft-und-die-Tuerkei/!5492150
## AUTOREN
Ebru Tasdemir
## TAGS
taz.gazete
Politik
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