# taz.de -- Atomkraftwerk Saporischschja: Unter normalen Umständen | |
> Trotz Kühlwassermangels ist der Weiterbetrieb des AKWs Saporischschja | |
> noch gesichert. Die russische Besatzung ist aber ein Risiko. | |
Bild: Experten der Internationalen Atomenergie-Organisation inspizieren Saporis… | |
BERLIN taz | Jahrzehntelang hatte das [1][Atomkraftwerk Saporischschja] in | |
dem südostukrainischen Städtchen Enerhodar sein für die Kühlung von Reaktor | |
und abgebrannten Brennstäben erforderliches Wasser dem Kachowkastausee | |
entnommen. Das geht nun nicht mehr. Der Pegel ist nach der Zerstörung des | |
Staudamms so niedrig, dass dieses Wasser nicht mehr für das AKW genutzt | |
werden kann. | |
Was bedeutet das für die Anlage mit ihren sechs nuklearen Reaktoren? Bei | |
seinem Besuch im Kraftwerk in der vergangenen Woche kam IAEO-Chef Rafael | |
Grossi zu dem Schluss, dass auch nach dem Dammbruch sowohl kurz- als auch | |
mittelfristig genügend Wasserreserven vorhanden seien. Davon geht auch Oleg | |
Korikow von der Staatlichen Atomregulierungsbehörde aus. Jedenfalls, so | |
zitiert ihn das Portal radiosvoboda.org, könnte der Betrieb des AKWs normal | |
weiterlaufen, wenn man wie bisher arbeiten könnte, man ein | |
verantwortungsbewusstes Management hätte, das AKW nicht unter Besatzung | |
stünde und keine Waffen sowie kein Sprengstoff auf dem Werksgelände wären. | |
Insgesamt hält Oleg Korikow eine Katastrophe wie in Fukushima nicht für | |
ausgeschlossen: „Wir können feststellen, dass die Risiken eines Unfalls im | |
AKW Saporischschja zunehmen und unsere Möglichkeiten, auf diese Risiken zu | |
reagieren, abnehmen“, meint Korikow, „und das trotz der IAEO-Präsenz seit | |
September 2022.“ | |
Derzeit erhalte das dem AKW angegliederte Krisenzentrum, das alle | |
sicherheitsrelevanten Daten auswertet, keine Informationen mehr aus dem | |
Kraftwerk. Die Besatzer hätten den Kommunikationskanal zum Krisenzentrum | |
abgeschaltet. | |
## Einige MitarbeiterInnen sollen gefoltert worden sein | |
Hinzu komme, so Korikow, dass die Besatzer weiterhin Druck auf die | |
MitarbeiterInnen des AKWs ausübten, doch endlich mit dem russischen | |
Betreiber einen Arbeitsvertrag zu schließen. Einige MitarbeiterInnen sollen | |
von den Besatzern auch gefoltert worden sein. | |
Sorgen macht ukrainischen AtomexpertInnen insbesondere Reaktor 5 des | |
Atomkraftwerks. Der befindet sich nach Aussagen von Olga Koscharna, | |
ehemaliges Mitglied des Kollegiums der ukrainischen Atomaufsichtsbehörde, | |
immer noch im Zustand einer Heißabschaltung, sei im ersten Kühlkreislauf | |
also immer noch 275 Grad heiß. Demgegenüber hätten die fünf kalt | |
abgeschalteten Reaktoren eine Temperatur von ungefähr 70 Grad. „Das ist ein | |
weitaus höherer Sicherheitsgrad“, so Koscharna zur taz. Obwohl die | |
ukrainische Atomaufsichtsbehörde eine Kaltabschaltung auch dieses Reaktors | |
angeordnet habe, weigerten sich die Besatzer, das auch zu tun. | |
„Nehmen wir einmal an, im AKW fällt die externe Stromversorgung aus. Nehmen | |
wir weiter an, dass auch die 20 Notstromgeneratoren nicht anlaufen, man | |
also plötzlich keinen Strom mehr hat, um die Pumpen zu betreiben. In so | |
einem Fall haben wir kein Wasser. Ab da dauert es acht Tage, bis es in der | |
aktiven Zone zum Schmelzprozess kommt – bei einer Kaltabschaltung“, so | |
Koscharna. Bei einer Heißabschaltung habe man nur 27 Stunden Zeit, um eine | |
Katastrophe noch zu verhindern. | |
## Offensichtlich russisches Management gemeint | |
Gleichzeitig kritisiert Koscharna das Verhalten von IAEO-Chef Grossi | |
[2][bei seinem Besuch im Kraftwerk in der vergangenen Woche]. Der sei in | |
keiner seiner Stellungnahmen vor Ort darauf eingegangen, dass die | |
ukrainische Atomaufsichtsbehörde die Kaltabschaltung von Reaktor 5 | |
angeordnet hatte. Koscharna missfällt auch die Antwort von Grossi auf die | |
Frage eines Moskauer Journalisten, wann ein Betrieb des AKWs mit voller | |
Last wieder möglich sei. Dies sei die Entscheidung des Managements, habe | |
Grossi geantwortet, wobei er offensichtlich das russische Management | |
gemeint habe. | |
Außerdem nähere sich die IAEO immer mehr einer russischen Sprachregelung | |
an. Habe Grossi noch vor wenigen Monaten in Beiträgen auf der IAEO-Website | |
die Begriffe „Intensivierung der militärischen Operationen im Bereich des | |
AKWs“ oder „Gespräche über Offensiven und Gegenoffensiven“ verwendet, o… | |
eine der Parteien namentlich zu nennen, sagte Grossi auf einer | |
Pressekonferenz in Kiew am 13. Juni, er sei „sehr besorgt“, dass das | |
Kernkraftwerk Gegenstand einer ukrainischen Gegenoffensive sein könnte, so | |
Koscharna. | |
21 Jun 2023 | |
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## AUTOREN | |
Bernhard Clasen | |
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