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# taz.de -- Gruselclowns als Trend: Akrobat Hässlich
> Sie tragen Fratzenmasken und erschrecken ihre Mitmenschen: Horrorclowns
> treiben seit einiger Zeit auch in Deutschland ihr Unwesen.
Bild: Boohoo, jetzt ist Schluss mit lustig
München taz | Geht’s noch? Der Mann springt plötzlich aus dem Gebüsch und
rennt eine Axt schwingend auf einen zehnjährigen Buben zu. Zu erkennen ist
er nicht, denn er trägt eine Clownsmaske, Fratze wäre wohl das passendere
Wort. Während der Tat filmt sich der vermeintliche Spaßmacher auch noch.
Körperlichen Schaden erleidet das Kind bei dem Angriff nicht, über die
psychischen Folgen kann man nur spekulieren.
So trug es sich gerade erst in München zu, wie der Bayerische Rundfunk
berichtete. Anderswo geschieht Ähnliches: Auch die beiden Männer, die vor
wenigen Tagen auf einen Schulhof in Duisburg eindrangen und die Kinder
erschreckten, trugen Clownsmasken. Als ein 30-Jähriger den Schülern helfen
wollte, schlugen die Männer ihn offenbar mit einem Baseballschläger
krankenhausreif.
Ähnliches meldet die Polizei aus Neunkirchen, Kiel, Chemnitz, Köln, Essen,
Sulz am Neckar, Ahaus, Aachen, Rostock, Bad Reichenhall, Aschaffenburg,
Leipzig, Aue und Zwönitz. Allein in Nordrhein-Westfalen waren es dem
Innenministerium zufolge rund 110 Vorfälle in wenigen Tagen. Sogar „Clowns“
mit Kettensägen wurden gesichtet. Meistens wollen sie anderen wohl einen
Schrecken einjagen. Aus Bremen und Berlin wurden jedoch auch schon
versuchte Raubüberfälle im Schutz der Clowns-Überfälle gemeldet.
Die Polizei ist freilich wenig amüsiert und warnt die Rotnasen: Selbst wenn
es keine Körperverletzung gebe, seien Tatbestände wie Bedrohung oder
Nötigung denkbar. Deshalb drohten den „Clowns“ erhebliche strafrechtliche
Konsequenzen.
## Epidemie aus den USA
Bayerns Innenminister Joachim Herrmann will hart durchgreifen: Wer etwa
Videos solcher Taten veröffentliche, könne sich schon mal auf einen Besuch
der Polizei einstellen, kündigte er an. Und sein Kollege aus
Nordrhein-Westfalen, Thomas Kutschaty, warnt: Bis zu einem Jahr Gefängnis
könnten die Aktionen nach sich ziehen.
Ausgebrochen ist die Clown-Epidemie in den USA, wo solche Attacken schon
seit Jahren auftreten, sich seit diesem Sommer allerdings besonders häufen.
Als literarische Vorlage dürfte Pennywise dienen, der Killerclown aus
Stephen Kings Horrorklassiker „Es“. Auch der Joker aus Batman ähnelt einem
Clown. Viele Menschen haben ohnehin schon Angst vor Clownsgesichtern.
Coulrophobie nennt sich dieses Phänomen.
Das dümmliche Treiben der Grinsegesichter diskreditiert dabei einen
Berufsstand, der es ohnehin schon schwer hat im Kampf gegen Klischees: Eine
rote Nase, etwas Schminke und ein paar billige Späße – darauf wird der
Clown in den Augen vieler heute reduziert.
Zu Unrecht. Echte Clownerie ist Kunst. „Die dicke rote Nase leuchtet über
den bemalten Wangen und dem weißen Mund, der hochgezogen und zu ewigem
Lächeln verzerrt ist. Aber lacht der Clown? Der Clown lebt in uns allen,
und im weiten Rund der Manege deckt er alle Facetten des Menschenlebens
auf. Das bist du – das bin ich.“ Das schreibt Charlie Rivel, einer der
größten Clowns des 20. Jahrhunderts in seinen Erinnerungen „Akrobat
Schöön“. Und: „Ich, der Clown, habe die Aufgabe, traurige Menschen froh zu
machen. Ich habe die Verpflichtung auf mich genommen, andere ihre Sorgen
und Leiden vergessen zu machen. Und auch wenn ich selbst voll Kummer und
Leid bin, so muss ich doch in die Manege.“
## Hofnarr im Mittelalter
Der Beruf des Clowns geht auf den Hofnarr im Mittelalter zurück. Auch bei
Shakespeare trifft man seine Vorfahren, etwa den Malvolio in „Was ihr
wollt“ und den Lanzelot Gobbo im „Kaufmann von Venedig“. Im 20. Jahrhunde…
gab es eine Reihe von ganz großen Clowns, die ebenfalls nichts mit Stephen
Kings Fratzenmann zu tun haben: Neben dem Spanier Rivel waren dies etwa die
Schweizer Grock, Dimitri und Pic oder auch der Russe Oleg Popov. Selbst
Charlie Chaplin verstand sich durchaus als Clown – auch wenn seine Manege
vor allem das Kino war.
Neben diesen Alleinunterhaltern bildete sich Anfang des 19. Jahrhunderts
das klassische Clown-Entree heraus. Dieses lebte von den beiden Antipoden
Weißclown und Dummer August. Letzterer prägte dann auch das Outfit – Glatze
mit rotem Haarkranz, rote Nase, großflächig geschminkter Mund – an dem sich
die Horror-Clowns orientieren. Im Zirkus selbst trifft man solchermaßen
maskierte Clowns nicht mehr so häufig.
Verständlich, dass professionelle Clowns dem Treiben der
Möchtegern-Pennywises wenig Spaßiges abgewinnen können. Für zirzensische
Feinheiten dürften diese sich denn auch weniger interessieren. Schon eher
für Halloween. Das amerikanische Geisterfest, das seit einigen Jahren auch
in Deutschland begangen wird, eignet sich ohnehin für diverse
Horrorfantasien.
So könnten nächsten Montag besonders viele Horror-Clowns auf der Straße
anzutreffen sein. „Das Erschrecken hat eine lange Tradition, besonders zu
Halloween“, erklärt der Psychologe Jens Hoffmann. „Das hat sich nun
verselbstständigt, da gibt es einen großen Nachahmungseffekt.“
Für viele sei das nur ein Spaß, so der Leiter des Instituts Psychologie und
Bedrohungsmanagement in Darmstadt. „Einige wenige scheinen aber eine
sadistische Motivation zu haben. Hoffmann geht aber davon aus, dass der
Trend bald wieder nachlasse. Vielleicht kriegen die falschen Clowns an
Halloween ja, was ihnen zusteht: Saures.
25 Oct 2016
## AUTOREN
Dominik Baur
## TAGS
Clowns
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