# taz.de -- Debatte um Horrorclowns: Stirb, Clown, stirb! | |
> Der Clown ist brav geworden. Oder er ist ein interventionistischer | |
> Künstler. Dabei soll er Kinder jagen. Ein Hoch auf die Horrorclowns. | |
Bild: Barcelona, Indignados, 2011: ein Clown. | |
Die Horrorclowns sind gekommen, um uns zu retten. Sie wecken uns auf, | |
spielen Symbol des kollektiven Untergangs. Sie sind die Angst vor uns | |
selbst – unser lähmender Alptraum, der uns hindert die Revolution | |
einzuläuten. Da steht er vor uns. | |
Sie jagen Kinder, heißt es, kleine Kinder. Kinder, die nächste Generation. | |
Wir werden alle elendig verrecken, sagt ihr intellektueller Anführer. | |
Schaut her, wie du untergehst, Europa. Wir ersticken an unseren schönen | |
Götterfunken, zerspant liegt die Tochter aus Elysium in der Ecke. | |
Wer ist schuld? Der gemeine Clown. Wie dem König von Gott befohlen war, das | |
Volk zu regieren, hatten auch Clowns eine gesellschaftliche Aufgabe: die, | |
uns den Spiegel vorzuhalten. Kritisch, locker, scharf und unschuldig. Am | |
Ende einer gelungenen Clownsshow, so zeigen mittelalterliche Schriften, | |
fand man das Publikum mit dem Kopf zwischen den Beinen und freiem Blick auf | |
das eigene Arschloch. | |
Für so was haben wir heute keine Zeit. Der Spätkapitalismus bringt eine | |
undifferenzierte Suppe von Anpassungsware hervor. Clowns in Traubenkostümen | |
singen in Kitas Obstlieder. 14 Euro die Stunde. Die meisten Clowns findet | |
man auf Firmenfesten und Kindergeburtstagen. Magic Malini nimmt bei | |
Beschneidungsfeiern nach 18 Uhr 50 Euro extra. Koffer packen, schminken, | |
gefallen. | |
Ah natürlich, die „interventionistischen Künstler“ gibt es noch. | |
Interventionskünstler. Dieses Wort. Ein bleischwerer Sack des | |
Establishments, der allen postmodernen Clowns aufgebürdet wird, die gute | |
Arbeit machen wollen. Interventionskünstler. Der Staubsauger der | |
Kulturproduktion steht saugbereit. Interventionskünstler. Verehrtes | |
linksliberales Publikum, lacht und freut euch selbstgefällig. Liebe | |
Interventionskünstler, bewerbt euch doch mal bei der Kulturstiftung des | |
Bundes. Und Ruhe jetzt, die Show beginnt. | |
Die Horrorclowns sind eine Abmahnung an all die Clowns, die ihrer Rolle in | |
der Gesellschaft nicht mehr gerecht werden. Randy Christensen, Präsident | |
der World Clown Association, beschwert sich über sie. Imageprobleme für | |
„uns“ Clowns, pöbelt er. Sein eigenes Programm ist gefällige Soße. Randy | |
Christensen ist selbst eine Ausgeburt des spätkapitalistischen | |
Entertainments. Sterbt doch aus, Luftballonclowns! Erstickt an eurem | |
Popcorn. | |
Bis dahin, so die Hoffnung, bauen sich die ernstzunehmenden Clowns vor euch | |
auf. Die [1][Hedonistischen Internationalen], die [2][Zentren für | |
politische Schönheit], die [3][Ztohovens], die [4][Space Hijackers] und | |
[5][Bitniks] – all die Clowns, die sich nie so nennen würden. Imagefrage. | |
Die Randy Christensens haben es versaut. | |
Sie sind nicht zu buchen. Gehen nicht dort hin, wo es gefällt. Sie | |
schmeißen uns unser Elysium ins Gesicht, lachen uns aus, bis die | |
Schmerzgrenze erreicht ist, und der postmoderne König ein weiteres mal | |
geköpft wird. Oder wenigstens einer seiner Mitarbeiter. Danke, | |
Horrorclowns. Verjagt uns die Kommerz-Clowns, damit wir wieder arbeiten | |
können. | |
Der Autor ist Mitglied des [6][peng-collective] und hat lange Zeit als | |
Clown gearbeitet. | |
1 Nov 2014 | |
## LINKS | |
[1] http://hedonist-international.org/ | |
[2] http://www.politicalbeauty.de/ | |
[3] http://ztohoven.com/mr/index-en.html | |
[4] http://www.metronaut.de/2014/09/die-space-hijackers-loesen-sich-auf-ein-nac… | |
[5] http://wwwwwwwwwwwwwwwwwwwwww.bitnik.org | |
[6] http://www.peng-collective.net/ | |
## AUTOREN | |
Jean Peters | |
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