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# taz.de -- Antimuslimische Stimmung in Hannover: Die neue Liebe zum Schaf
> Die niedersächsische CDU-Fraktion will das rituelle Schlachten von Tieren
> verbieten lassen, wenn es ohne Betäubung erfolgt.
Bild: Finden das Schächten von Tieren besonders schlimm: Tierschützer vor ein…
Warum den Populismus der AfD überlassen, hat sich offenbar die
niedersächsische CDU-Fraktion gedacht und öffentlichkeitswirksam kurz nach
dem muslimischen Opferfest ein [1][Verbot des Schächtens] gefordert. Dem
betäubungslose Töten von Tieren aus religiösen Gründen einen Riegel
vorzuschieben, ist eine alte Forderung der Rechtspopulisten, deren
antimuslimische Haltung immer mitschwingt, wenn sie von Tierschutz reden.
Von der AfD erwartet niemand etwas anderes. Dass aber die CDU in
Niedersachsen mit einer solch schlichten Forderung die gesellschaftliche
Spaltung vorantreibt, ist bedenklich.
Muslim*innen müssen sich ohnehin oft als „die Anderen“ fühlen. Wie war
gleich der letzte Stand der politischen Debatte? Gehört der Islam nun zu
Deutschland oder nicht? Bei Bewerbungen auf Jobs und Wohnungen haben sie
schlechtere Chancen. Die Kopftuchdebatte ist ebenso endlos wie das
Misstrauen, dem sich Menschen, die an Allah glauben, ausgesetzt sehen.
Bei der aktuellen Debatte in Niedersachsen geht es um [2][200 Schafe]. Das
ist die Zahl der Ausnahmegenehmigungen, die im Land für das Opferfest 2019
erteilt wurden. Natürlich geht es im Tierschutz darum, jedes einzelne Tier
vor Schmerz und Leid zu bewahren. Aber verglichen mit den Millionen
Schweinen, Rindern und Hühnern, die jedes Jahr in niedersächsischen
Schlachthöfen sterben, kann man die Sinnhaftigkeit einer dumpfen Forderung
nach einem Verbot dennoch infrage stellen.
## System Massentierhaltung
In Schlachthöfen und landwirtschaftlichen Betrieben [3][decken
Tierschützer*innen immer wieder Quälerei auf]. Tiere leiden in
Niedersachsen Tag für Tag unter dem skandalösem Fehlverhalten Einzelner,
aber auch unter den Bedingungen, die im System Massentierhaltung
unvermeidlich, ja sogar gewollt sind – Enge, Masse, Turbo-Aufzucht und
Turbo-Schlachtung.
Die niedersächsische CDU-Fraktion hat sich bisher nicht dadurch
hervorgetan, dass sie eine Revolution dieses tierfeindlichen Systems
anstrebt. Sie müsste sich, um wirkliche Verbesserungen zu erreichen, mit
wichtigen Arbeitgeber*innen der Region und starken Lobbygruppen wie dem
Landvolk anlegen – mit den eigenen Wähler*innen.
Es ist einfacher, sich als Tierschützer*innen zu präsentieren, wenn es um
200 Tiere geht, von der nur eine Minderheit im Land einen Nutzen hat.
Die inhaltliche Dimension ist dabei völlig nebensächlich. Denn natürlich
hat die CDU Recht. Zwar sind die Vertreter*innen der
Religionsgemeinschaften davon überzeugt, dass ein schneller, sauberer
Schnitt durch Luft- und Speiseröhre, [4][einen qualfreien Tod bedeutet],
aber selbst wenn: Die Welt ist nicht ideal.
## Die Fehler der Schlachter
Deswegen ist es für ein Tier besser, wenn es vor seinem Tod betäubt wird.
Denn Schlachter, egal ob muslimische oder nicht, machen Fehler. Einmal
falsch angesetzt, nur halb getroffen: ein Gemetzel. Da ist es sicher
besser, wenn, so wie es die CDU vorschlägt, das Schaf oder die Ziege eine
elektrische Kurzzeitbetäubung erfährt. Ebenfalls möglich wäre es übrigens,
gar keine toten Tiere zu essen. Aber das wurde von der CDU
überraschenderweise nie propagiert.
Wenn die niedersächsische Landtagsfraktion, wie sie in einer Mitteilung
schreibt, „um das Wohl unserer Mitgeschöpfe bemüht“, einstimmig beschlie�…
„gegen das betäubungslose Schächten vorzugehen“, ist das problematisch.
Viele Muslim*innen essen schon heute in ihrem Alltag Fleisch, das von
Tieren stammt, die vor ihrem Tod betäubt waren. Solange die Schlachter
selbst Muslime sind und ein Gebet für das Tier sprechen, bevor sie es
töten, ist das für viele liberale Gläubige in Ordnung.
## Gespräche statt Verbote
Es ist an der Politik, mit den Vertreter*innen von Religionsgemeinschaften
über den Tierschutz zu sprechen, sie über neue technische Möglichkeit
aufzuklären und beharrlich für eine Betäubung zu werben. Eine andere
Möglichkeit haben sie nicht. [5][Religionsfreiheit] ist in Deutschland
zurecht ein Grundrecht.
Ein Verbot zu fordern, statt in den Dialog zu treten, verhärtet die Fronten
nur noch mehr. Und wenn die CDU etwas dagegen tun will, dass Tiere leiden,
könnte sie bei der Massentierhaltung beginnen. Dort werden immer noch Küken
geschreddert, Säue eingepfercht, Milchkühe ausgemergelt oder Enten auf dem
Trockenen gehalten.
Mehr über das Schächten mit und ohne Betäubung und warum es die CDU zum
Thema macht, lesen Sie in der aktuellen taz am Wochenende oder [6][hier].
30 Aug 2019
## LINKS
[1] /AfD-fordert-Betaeubung-von-Schlachttieren/!5485841
[2] https://www.ml.niedersachsen.de/startseite/themen/tiergesundheit_tierschutz…
[3] /Schlachthof-Skandale-in-Niedersachsen/!5561146
[4] https://www.ndr.de/info/sendungen/schabat_schalom/Betaeubungsloses-Schaecht…
[5] /Religionsfreiheit/!t5014150
[6] /Unser-eKiosk/!114771/
## AUTOREN
Andrea Maestro
## TAGS
Schlachthof
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Schwerpunkt AfD
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Tierschutz
Halal
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EuGH
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