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# taz.de -- Theologe über Halal-Schlachtmethoden: „Betäubung theologisch zu…
> Fleisch muss halal sein, das gilt für alle Muslime. Die Regeln dafür
> legen sie allerdings unterschiedlich aus, erklärt der Theologe Serdar
> Kurnaz.
Bild: Keine einheitlichen Zertifikate: Wo „Helal“ draufsteht, ist in diesem…
taz: Herr Kurnaz, wann ist Fleisch laut Koran halal?
Serdar Kurnaz: Es geht vor allem um drei Bedingungen. Zum einen darf das
Tier nicht schon verendet sein, bevor es geschlachtet wird. Zum zweiten
soll das Tier nicht für eine andere Gottheit geopfert werden. Um das zu
unterbinden, schlägt der Koran vor, bei der Schlachtung den Namen Gottes
auszurufen. Es ist umstritten, ob das wirklich verpflichtend ist. Wichtig
ist auch, dass das Tier komplett ausblutet. Der Schnitt wird so angesetzt,
dass er die Speise- und Luftröhre und die Halsschlagader durchtrennt.
Muss der Schlachter selbst Muslim sein?
Es gibt einige Hardliner, die darauf bestehen. Da geht es aber um die
muslimische Identität und nicht um theologisch begründete Annahmen. Nach
dem Koran dürfen Muslime auch Fleisch verzehren, das Juden oder Christen
geschlachtet haben.
Weil sie an denselben Gott glauben?
Genau, weil sei auch Monotheisten sind. Theologisch kann man aber auch
argumentieren, dass es egal ist, wer das Fleisch zubereitet, solange es
keiner anderen Gottheit geopfert wird. Demnach wäre Fleisch auch halal,
wenn gar keine religiöse Handlung dahintersteckt, sondern kommerzielle
Fleischproduktion, sofern das Tier bei der Schlachtung ausblutet.
Gilt das Tier noch als lebendig, wenn es vor dem Schlachten betäubt wird?
Es gab in den letzten Jahren immer wieder Diskussionen, ob Tiere bei der
Betäubung schon sterben, mit dem Bolzenschlag oder einem Elektroschock. Das
wäre für viele Muslime ein Problem, weil das Tier dann schon vor dem
Schlachten verendet. Der Koran will aber einfach nur darauf aufmerksam
machen, keine Tiere zu schlachten, die tot auf dem Feld liegen, um die
Verbreitung von Krankheiten zu vermeiden. Einer Betäubung steht also
eigentlich nichts im Wege. Es stehen aber nicht alle Muslime dahinter. Sie
wollen eine Garantie, dass das Tier nicht vor dem Schlachten stirbt.
Sehen Aleviten die Regeln strenger als Sunniten oder Schiiten?
Es gibt verschiedene Ausprägungen des Alevitentums. Es gibt Aleviten, die
sich dem Koran stark verpflichtet fühlen, sie unterscheiden sich nur durch
manche Praktiken von Sunniten. Für sie sind die Regeln sehr wichtig. Viele
Aleviten verstehen sich wiederum als unabhängige Religion, für sie ist das
relativ unproblematisch. Unter Schiiten und Sunniten ist die Sensibilität,
was Halal-Fleisch angeht, sehr ähnlich.
Es gibt also gar keine so großen Unterschiede?
In den Nuancen unterscheiden sich die beiden Seiten, auch unter den
Sunniten selbst. Schafitische Sunniten bestehen zum Beispiel nicht darauf,
den Namen Gottes auszusprechen. Es gibt natürlich unter Sunniten und
Schiiten Konservative, die das strenger sehen. Es gibt aber auf beiden
Seiten auch progressivere Muslime, die sich auf andere Schlachtmethoden
einlassen, solange das Tier nicht während der Betäubung stirbt oder noch
stärker leidet.
Werden Tiere in Halal-Schlachthöfen heutzutage betäubt?
Die meisten versuchen, die Tiere ohne Betäubung zu schlachten. Nach den
traditionellen Methoden setzt man einen Schnitt, sodass das Tier schnell
ausblutet. Es gibt aber auch viele, die ihr Fleisch trotz Betäubung als
halal ausgeben. In Deutschland ist das Schlachten ohne Betäubung ja auch
verboten.
Ist es unter Muslimen verbreitet, Fleisch aus anderen Ländern zu
importieren?
Ja, aber es gibt eine Tendenz, auch bei deutschen Händlern zu kaufen. Vor
allem bei Geflügel greifen viele Muslime auf Discounter zurück, weil das
Schlachten nicht so problematisch ist. Bei anderem Fleisch denkt man mehr
nach.
Es gibt ja auch in Deutschland muslimische Anbieter.
Eben. Viele fühlen sich dort wohler, oder sie wollen kleine Anbieter
unterstützen. Große Konzerne haben sich mit Halal-Fleisch noch nicht
durchgesetzt, weil eine Grundskepsis da ist. Sie könnten ja auf die Idee
kommen, einfach ein Halal-Siegel draufzukleben.
Wer kontrolliert die Halal-Siegel?
Es gibt keine zentrale Instanz, die die Zertifikate verteilt. Deshalb sind
sie nicht einheitlich, sondern haben nur die Regeln aus dem Koran als
gemeinsamen Nenner. Das geht darauf zurück, dass es in der islamischen
Kultur keine Kirche gibt, die darüber entscheiden könnte.
Konsumierende müssen also selbst entscheiden, welchem Siegel sie vertrauen?
Ja. Deshalb ist es nicht ausreichend, dass nur das Siegel drauf ist.
Meistens gibt es auf der Webseite oder in Dönerimbissen an der Wand eine
Liste der Klauseln. Sie erklärt, an welche Regeln sie sich gehalten haben
und was sie genau unter Halal-Fleisch verstehen.
Diskutieren Muslime viel darüber, was als Halal-Fleisch gilt?
Früher ist man einfach davon ausgegangen, dass Fleisch halal ist, wenn es
so deklariert war. In den vergangenen zehn Jahren ist die Diskussion
intensiver geworden, ich sehe aber eine abnehmende Tendenz. Man ist sich
mittlerweile sicher, wann Fleisch halal sein kann und wann nicht und dass
auch Betäubungen aus theologischer Sicht in Ordnung sind. Eigentlich ist
die Diskussion um Halal-Fleisch eine der unproblematischsten, die wir
haben. Aber wenn [1][die CDU so einen Vorschlag macht], könnte das Thema
wieder Brisanz bekommen.
Wenn eine Betäubung möglich ist, warum gibt es überhaupt Ausnahmen zum
Opferfest?
Eigentlich gibt es keine besonderen Bedingungen für das Opferfest. Aber die
meisten Muslime sehen da einen Unterschied, weil das Fest für sie ein
Gottesdienst ist, das gewöhnliche Schlachten aber nicht. Deshalb wollen sie
den unproblematischsten Weg gehen, und so nah wie möglich am Wortlaut des
Korans handeln.
Welche Folgen hätte eine Abschaffung der Ausnahmen?
Viele Muslime würden darauf sehr allergisch reagieren, vor allem
konservative Gruppen. Ältere wären deutlich verärgerter als jüngere. Die
Mehrheit der Muslime in Deutschland schlachtet das Tier aber ohnehin nicht
mehr selbst. Für sie wäre es irrelevant, weil Vereine das Schlachten
übernehmen und die Betäubung ja zulässig ist.
Aber Muslime würden sich trotzdem angegriffen fühlen?
Die Atmosphäre ist in Deutschland für Muslime generell nicht angenehm.
Deshalb finde ich den Zug der CDU nicht nachvollziehbar. Man kann statt
einem Verbot das Gespräch suchen. Muslime lassen sich auch davon
überzeugen, dass andere Wege möglich sind. Durch ein Verbot klammert man
sich aber erst recht an die Praxis, auch wenn sie nicht so wichtig wäre.
Man identifiziert sich auf einmal damit.
3 Sep 2019
## LINKS
[1] /Antimuslimische-Stimmung-in-Hannover/!5619398&s=Maestro+CDU/
## AUTOREN
Jana Hemmersmeier
## TAGS
Halal
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Muslime in Deutschland
Tierschutz
Schlachthof
Schlachthof
Kolumne Habibitus
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