# taz.de -- Anstieg neuer Corona-Infektionen: Merkels Befürchtung wird wahr | |
> Die Zahl der Neuinfektionen verdoppelt sich alle zehn Tage. Bund und | |
> Länder werden am Mittwoch wohl neue Beschränkungen beschließen. | |
Bild: Vor dem Treffen der Ministerpräsident*innen im Kanzleramt hat sich die C… | |
BERLIN taz | Als die Ministerpräsident*innen vor zwei Wochen im Kanzleramt | |
zusammenkamen, konnten sie sich nicht auf deutlich strengere Maßnahmen zur | |
Eindämmung der Corona-Epidemie einigen. Lediglich für Hotspots mit mehr als | |
50 oder 35 Neuinfektionen pro 100.000 Einwohner*innen und Woche gab es neue | |
Kontaktbeschränkungen – mehr war gegen den Widerstand einiger Länder nicht | |
durchzusetzen. „Die Ansagen von uns sind nicht hart genug, um das Unheil | |
von uns abzuwenden“, soll Angela Merkel damals gesagt haben. | |
Wenn die Kanzlerin und die Ministerpräsident*innen an diesem Mittwoch | |
wieder konferieren, dürfte das Ergebnis anders aussehen. Denn Merkels | |
Befürchtung hat sich bewahrheitet: In den letzten zwei Wochen ist die | |
Coronasituation nicht besser, sondern dramatisch schlechter geworden. Die | |
Zahl der Kreise mit mehr als 50 Neuinfektionen pro 100.000 | |
Einwohner*innen und Woche, die vor zwei Wochen noch bei 36 lag, ist | |
seitdem auf 199 gestiegen – weit mehr als die Hälfte des Landes ist jetzt | |
ein „Hotspot“. | |
Die Zahl der täglich gemeldeten Neuinfektionen, die damals im | |
7-Tage-Schnitt bei unter 4.000 lag, ist inzwischen mit rund 11.000 etwa | |
dreimal so hoch; die Zahl der Coronapatient*innen auf Intensivstationen | |
liegt mit rund 1.500 statt 600 zweieinhalbmal so hoch, die Zahl der | |
gemeldeten Coronatoten hat sich auf knapp 40 pro Tag verdreifacht. | |
Alle drei Kurven laufen exponentiell, und zwar steiler als erwartet – die | |
Zahl der Infizierten, Schwerkranken und Toten verdoppelt sich derzeit etwa | |
alle 10 Tage. Die 19.400 täglichen Infektionen, die Merkel vor einem Monat | |
noch als Schreckensszenario für Weihnachten an die Wand gemalt hatte, | |
werden bei dieser Wachstumsrate schon Anfang November erreicht, die | |
Intensivstationen wären bereits Anfang Dezember überfüllt, das notwendige | |
Pflegepersonal dürfte noch früher knapp werden. | |
## Lockdown light? | |
Noch mal zwei Wochen zu warten, das können sich Bund und Länder also nicht | |
erlauben. Die Situation sei „ausgesprochen schwierig“, sagte Merkel am | |
Dienstag vor Pflegekräften. Zustimmung kommt von ihren Koalitionspartnern: | |
„Jetzt sind schnelle und entschlossene Schritte nötig, um diese neue | |
Infektionswelle zu brechen“, erklärte SPD-Kanzlerkandidat Olaf Scholz. Die | |
steigenden Zahlen lassen den Widerstand gegen schärfere Maßnahmen | |
schrumpfen. „Lieber gleich und richtig als spät und halbherzig“, meint | |
Bayerns CSU-Ministerpräsident Markus Söder. | |
Und selbst Sachsen-Anhalts Ministerpräsident Rainer Haseloff, der bisher zu | |
den Bremsern gehört hatte, sprach sich am Dienstag nicht mehr gegen | |
verschärfte Regeln aus, sondern forderte lediglich, dass diese zeitlich | |
begrenzt sein müssten. Thüringens Ministerpräsident Bodo Ramelow (Linke) | |
forderte eine stärkere Einbeziehung der Parlamente, wandte sich aber | |
ebenfalls nicht pauschal gegen schärfere Vorgaben. | |
Doch wie weit die neuen Einschränkungen gehen werden, ist bisher offen. | |
Klar scheint lediglich: Einen echten Lockdown, also Ausgangssperren für | |
alle ohne dringendes Anliegen, dürfte es – ebenso wie im Frühjahr – in | |
Deutschland nicht geben. Die Produktivwirtschaft soll weiterlaufen, Besuche | |
bei Alten und Kranken weniger stark beschränkt werden als im Frühjahr. Eine | |
„Separation von Gesellschaftsteilen“ müsse vermieden werden, sagte Merkel | |
dazu. | |
Wahrscheinlich scheinen dagegen starke Beschränkungen für private Treffen | |
sowie für Kulturveranstaltungen, Amateursport und die Gastwirtschaft – auch | |
wenn die Branche und Schleswig-Holsteins Ministerpräsident Daniel Günther | |
(CDU) bereits gegen eine möglich komplette Schließung der Gastronomie | |
protestierten. | |
Unklar ist, was in Schulen und Kitas geschieht. Sie für mehrere Wochen | |
komplett zu schließen wie im Frühjahr soll nach Möglichkeit vermieden | |
werden, ist aber je nach regionaler Entwicklung wohl auch nicht | |
ausgeschlossen. „Für mich ist klar, die Schulen und Kitas werden als | |
Letztes geschlossen“, sagte Söder. Ob es zu diesem „Letzten“ kommt, dür… | |
davon abhängen, wie scharf die sonstigen Maßnahmen ausfallen – und wie sie | |
eingehalten werden. | |
27 Oct 2020 | |
## AUTOREN | |
Malte Kreutzfeldt | |
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