| # taz.de -- Ankunft Geflüchteter in Hamburg: Aus dem Lager ins Lager | |
| > Hamburg nimmt 41 kranke Kinder und deren Familien aus griechischen Lagern | |
| > auf. Nun müssen die Geflüchteten zunächst in die Zentrale Erstaufnahme. | |
| Bild: Gemütlich sieht anders aus: Ankunftszentrum in Rahlstedt | |
| Hamburg taz | 41 – das ist die Zahl der Menschen, die Hamburg in den | |
| kommenden Wochen aufnehmen wird. Es sind Geflüchtete aus den Lagern auf den | |
| griechischen Inseln. Wer genau kommt, weiß auch die Innenbehörde nicht. Die | |
| Rede ist von „behandlungsbedürftigen“ Kindern und deren Kernfamilien, also | |
| Geschwister und Eltern. Sie seien Teil der 928 kranken Mädchen und Jungen, | |
| die Innenminister Horst Seehofer (CSU) nach Deutschland holen will. Eine | |
| dreiköpfige Familie aus Afghanistan sei bereits in Hamburg angekommen, | |
| teilt die Innenbehörde mit. | |
| Was genau heißt „behandlungsbedürftig“? Ein Sprecher der Innenbehörde sa… | |
| dazu: „Diese Frage kann man jetzt noch nicht beantworten.“ Man wisse nicht, | |
| ob die Kinder an chronischen oder akuten Krankheiten leiden, das werde | |
| individuell bei den Eingangsuntersuchungen geklärt. Eines haben die | |
| Menschen sicher gemeinsam: ihre traumatisierenden Erlebnisse in den | |
| Flüchtlingslagern. | |
| „Die psychischen Situationen derer, die in den Lagern waren, ist bedeutend | |
| schlechter als bei Geflüchteten ohnehin“, sagt Meike Nitschke-Janssen. Die | |
| Fachärztin für Kinder- und Jugendpsychiatrie und Psychotherapie bietet in | |
| ihrer Praxiszweigstelle in der Zentralen Erstaufnahme Rahlstedt (ZEA), dem | |
| sogenannten „Ankunftszentrum“, Sprechstunden und Erstbehandlungen bei | |
| akuten psychischen Störungen von Kindern und Jugendlichen an. | |
| Aus Erzählungen von Familien weiß Nitschke-Janssen um die Extremsituationen | |
| dort. „Durch die Knappheit der Basisversorgung ist die Stimmung | |
| aufgeheizt. Es gibt dort keinen Schutz, keine Rechtsstruktur. Die | |
| Lagerinsassen, so muss man sie wohl nennen, sind permanent Gefahren und | |
| Lebensgefahren ausgesetzt. Überfälle, sexueller Missbrauch, Morde, Brände | |
| sind an der Tagesordnung.“ Sie plädiert deshalb sehr dafür, dass neben der | |
| gesundheitlichen Erstuntersuchung in der ZEA auch ein sorgfältiges, | |
| psychologisches Screening erfolgt, um besonders vulnerable Personen zu | |
| identifizieren und psychisch Kranke in Behandlung zu bringen. Dies schreibe | |
| auch die EU-Aufnahmerichtlinie vor. | |
| Ob die Kinder und deren Familien zunächst in eine zweiwöchige Quarantäne in | |
| Rahlstedt kämen, hänge von den jeweiligen Umständen des Einzelfalls ab, so | |
| die Innenbehörde. Die Belegung dort sei „sehr locker“, Familien würden | |
| gemeinsam untergebracht, ansonsten erfolge Einzelzimmerbelegung. | |
| Hamburger Flüchtlingsorganisationen halten die Unterbringung in | |
| Sammelunterkünften hingegen für unzumutbar. Christoph Kleine von der | |
| Seebrücke sagt: „Es gibt durchaus Möglichkeiten, die Menschen vernünftig | |
| unterzubringen, beispielsweise in leeren Hotelzimmern.“ | |
| 41 Menschen seien ohnehin viel zu wenige. „Was ist das denn für eine | |
| Zahl?“, fragt Kleine. „Natürlich ist es gut für jeden Einzelnen dort | |
| wegzukommen, alles ist besser als Moria.“ Aber Hamburg habe mehr | |
| Kapazitäten, die Seebrücke und andere Initiativen fordern die Aufnahme von | |
| mindestens 1.000 Menschen. | |
| Die 41 seien Hamburg zugeteilt worden, heißt es aus der Innenbehörde. Man | |
| habe signalisiert, 150 Kinder und Jugendliche aufnehmen zu können. Das | |
| liege weit über dem Bedarf, der sich aus dem Königsteiner Schlüssel ergebe. | |
| „Ich weiß nicht, warum sich die Stadt dafür so unglaublich auf die Schulter | |
| klopft“, hält Christoph Kleine dagegen. Die vergangenen Demonstrationen | |
| hätten gezeigt, dass die Hamburger die Aufnahme von mehr Menschen aus den | |
| griechischen Lagern unterstützen. „Wir werden weiter Druck machen“, kündi… | |
| Kleine an. | |
| Wo die Kinder und Familien zukünftig untergebracht werden, ist noch unklar. | |
| Vermutlich erst in der ZEA, später in Folgeunterkünften. Infektionsschutz | |
| und physische Distanzierung seien in den Gemeinschaftsunterkünften fast | |
| unmöglich, gab die Kinderpsychiaterin Nitschke-Janssen schon im Mai 2020 in | |
| einem offenen Brief an die Gesundheitsämter zu bedenken. „Zusätzlich ist | |
| die Angst vor einer Infektion mit dem Covid-19-Virus unter den Geflüchteten | |
| ungleich höher, weil die hohe Anzahl an Covid-Verstorbenen in deren | |
| Heimatländern die Auswirkungen des Virus sehr viel deutlicher macht, als es | |
| für die meisten Hamburger spürbar ist.“ Das führe zusätzlich zu psychisch… | |
| Belastungen. | |
| Die Unterkünfte dürften nicht zu Hotspots von Superspreadern werden, so | |
| Nitschke-Janssen. Das könne zusätzlich zum individuellen Leid der | |
| Erkrankten, die sich aufgrund der strukturellen Bedingungen nicht schützen | |
| konnten, soziale Ausgrenzung und Diskriminierung befördern. Und dies haben | |
| geflüchtete Kinder und ihre Eltern bereits vor und während ihrer Flucht | |
| erlebt. Initiativen wie die Seebrücke gehen noch weiter. „Wir fordern die | |
| Schließung der Sammelunterkünfte, sie dienen lediglich der Abschreckung.“ | |
| 31 Jul 2020 | |
| ## AUTOREN | |
| Juliane Preiß | |
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