# taz.de -- Aktuelle Nachrichten zu Afghanistan: Der Westen evakuiert | |
> Die Taliban befinden sich wenige Kilometer vor Kabul. Viele Staaten | |
> evakuieren ihre Botschaften. Fluchtbewegungen und | |
> Menschenrechtsverletzungen werden erwartet. | |
Bild: Der einzige Weg sicher das Land zu verlassen, führt über den Flughafen … | |
KABUL/BERLIN/WASHINGTON dpa/reuters/afp/ap | Angesichts des rasanten | |
Vormarsches der radikal-islamischen Taliban haben viele westliche Staaten, | |
darunter die USA, Deutschland, Großbritannien und Spanien die Reduzierung | |
ihres Botschaftspersonals in Kabul beschlossen. Dänemark und Norwegen | |
kündigten die vorläufige Schließung ihrer diplomatischen Vertretungen in | |
Kabul an. Die Evakuierung von Botschaftspersonal und Ortskräften wird | |
derzeit mit Hochdruck organisiert. | |
Seit der Entscheidung über den Abzug der internationalen Truppen, darunter | |
auch der Bundeswehr, haben die Taliban große Teile des Landes erobert. | |
Mittlerweile stehen 20 der 34 Provinzhauptstädte unter ihrer Kontrolle. Bis | |
Samstag haben sich die islamistischen Taliban bis auf wenige Kilometer an | |
die Hauptstadt Kabul herangekämpft. Die Aufständischen wollen ein | |
„Islamisches Emirat Afghanistan“ errichten, so wie schon vor dem Einmarsch | |
der US-Truppen im Jahr 2001. | |
## Bundeswehr soll bei der Evakuierung helfen | |
Bundesverteidigungsministerin Annegret Kramp-Karrenbauer (CDU) hat am | |
Samstag angekündigt, Botschaftspersonal und Ortskräfte „schnellstmöglich“ | |
aus Afghanistan zu holen. „Es hat jetzt absolute Priorität, dass wir die zu | |
Schützenden sicher nach Deutschland bringen.“ Die Bundeswehr soll dabei | |
unterstützen. | |
Am Morgen hatte nach Angaben eines Regierungssprechers Bundeskanzlerin | |
Angela Merkel mit Vizekanzler Olaf Scholz, Außenminister Heiko Maas, | |
Kramp-Karrenbauer, Innenminister Horst Seehofer, dem Chef des | |
Bundeskanzleramtes Helge Braun sowie einem Vertreter des Bundesministeriums | |
für wirtschaftliche Zusammenarbeit eine Telefonkonferenz über die Lage in | |
Afghanistan abgehalten. | |
„Es wurde beraten, wie mit Hilfe der Bundeswehr die schnellstmögliche | |
Rückholung von Mitarbeitern der deutschen Botschaft und in Afghanistan | |
tätiger deutscher Organisationen sowie von afghanischen Ortskräften | |
gewährleistet werden kann.“ Eine Beteiligung des Deutschen Bundestags an | |
einer solchen Entscheidung werde erfolgen. „Über das genaue Verfahren | |
finden derzeit Abstimmungen statt.“ | |
## Zapfenstreich verschoben | |
Angesichts der absehbaren erneuten Entsendung deutscher Soldaten nach | |
Afghanistan soll der geplante Abschlussappell und Große Zapfenstreich für | |
den bisherigen Einsatz verschoben werden. Das kündigte | |
Verteidigungsministerin Annegret Kramp-Karrenbauer am Samstag in Berlin an. | |
Sie werde dies in Abstimmung mit Bundestagspräsident Wolfgang Schäuble | |
(CDU) dem Bundeskabinett vorschlagen. | |
„Für eine sachgerechte Bilanzierung und eine Würdigung ist vor dem | |
Hintergrund der Entwicklungen in Afghanistan jetzt nicht der richtige | |
Zeitpunkt. Die volle Aufmerksamkeit gilt der Evakuierung der zu | |
Schützenden“, hieß es in einer Mitteilung der CDU-Politikerin. | |
Die Bundeswehr hatte ihren fast 20 Jahre dauernden Einsatz am Hindukusch | |
Ende Juni mit der Rückkehr der letzten Soldaten beendet. Am 31. August | |
sollte es im Bendler-Block, dem Sitz des Verteidigungsministeriums in | |
Berlin, zunächst eine Kranzniederlegung, einen Appell und Gespräche von | |
Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier mit Hinterbliebenen und Angehörigen | |
geben. Danach war der Zapfenstreich vor dem Reichstagsgebäude geplant. | |
## USA will Material entsorgen | |
Auch das US-Militär treibt die Evakuierung der US-Botschaft in Kabul voran. | |
Am Samstag sei ein weiteres Kontingent an Soldaten eingetroffen, um die | |
Botschaftsangestellten in Sicherheit zu bringen, sagte ein Sprecher des | |
US-Zentralkommandos, William Urban. Eine genaue Zahl wollte er nicht | |
nennen. Drei Bataillons mit insgesamt 3.000 Soldaten sollen aber dem | |
Pentagon zufolge eingeflogen werden, die meisten von ihnen bis Sonntag. | |
Eine erste Vorhut mit Marineinfanteristen kam am Freitag am Flughafen von | |
Kabul an. Erklärtes Ziel der Soldaten ist es, die Angestellten der | |
Botschaft und afghanische Verbündete in Sicherheit zu bringen. Sollte aber | |
die US-Botschaft selbst unter Belagerung kommen, ist nicht ausgeschlossen, | |
dass die Amerikaner auch länger bleiben. | |
In einem Vermerk an die Mitarbeiter der US-Botschaft in Kabul verwies ein | |
Gebäudetechniker auf die bestehenden Möglichkeiten zur Verbrennung oder | |
Entsorgung von Dokumenten und Gerätschaften. Zerstört werden soll demnach | |
alles, was von den Taliban für ihre Propaganda „missbraucht werden“ könnt… | |
wie etwa Gegenstände mit dem Botschaftslogo und US-Flaggen. | |
## Große Fluchtbewegungen erwartet | |
Der Staatsminister im Auswärtigen Amt, Michael Roth (SPD), warnte vor einem | |
starken Anstieg der Zahl afghanischer Flüchtlinge, mit dem auch Deutschland | |
konfrontiert sein werde. Er sei „sicher, dass der Migrationsdruck auf die | |
EU und Deutschland“ zunehmen werde, sagte er der „Rheinischen Post“. | |
Derweil kündigte die kanadische Regierung an, bis zu 20.000 Flüchtlinge aus | |
Afghanistan aufzunehmen. Das Angebot richtet sich insbesondere an Frauen in | |
Führungspositionen, Regierungsmitarbeiter, Menschenrechtsaktivisten, | |
Journalisten und Angehörige verfolgter Minderheiten. | |
Laut UN-Generalsekretär António Guterres begehen die Taliban in den von | |
ihnen kontrollierten Gebieten „entsetzliche“ Menschenrechtsverbrechen. Es | |
sei „herzzerreißend, Berichte zu sehen, wonach afghanischen Frauen und | |
Mädchen ihre hart erkämpften Rechte entrissen werden“, sagte Guterres vor | |
Journalisten. | |
## Menschenrechtsverletzungen durch Taliban | |
So sorgen auch Videos und Bilder von zwei mutmaßlichen Straftätern für | |
Aufregung, die Berichten zufolge von militant-islamistischen | |
Talibankämpfern an einem Strick durch die Stadt geführt wurden. In den in | |
sozialen Netzwerken kursierenden Videos ist zu sehen, wie die Männer, deren | |
Gesichter mit schwarzer Farbe bemalt sind, erst auf ein Podest gestellt und | |
dann an einem Strick über eine Straße geführt werden. Eine unabhängige | |
Bestätigung für die Echtheit der Aufnahmen gab es zunächst nicht; zuerst | |
hatte „Bild“ berichtet. | |
In einem Video, das nahe des Podests gefilmt wurden, rufen die Männer „Gott | |
ist groß“ und „Lang lebe das Islamische Emirat Afghanistan“. Als | |
„Islamisches Emirat Afghanistan“ bezeichneten die Taliban das Land vor dem | |
Einmarsch der US-Truppen im Jahr 2001. In einem anderen Video, das von | |
einem Wohnhaus die Szene filmt, kommentiert ein Mann, dass die Taliban | |
einen Dieb festgenommen hätten und sie nun in Richtung Mastufijat-Platz | |
gehen würden. | |
Bewohner der Stadt Herat im Westen des Landes bestätigten, dass die | |
Aufnahmen in Herat gemacht wurden. Die Taliban hatten die drittgrößte Stadt | |
des Landes am Donnerstag erobert. Ein bekannter afghanischer Journalist | |
hatte die Bilder von dem Vorfall geteilt und kommentiert, dieser habe sich | |
am Freitag nach dem Freitagsgebet zugetragen. | |
Zuletzt gab es vereinzelt Berichte, dass die Taliban in den von ihnen | |
eroberten Gebieten wie während ihrer früheren Herrschaft von 1996 bis 2001 | |
wieder unmenschliche und drakonische Strafen verhängen. Die „New York | |
Times“ berichtete Ende Juli, dass Taliban in einer Stadt nördlich von | |
Laschkargah zwei Männer für alle sichtbar am Eingangstor zur Stadt gehängt | |
hätten. Die Männer seien beschuldigt worden, Kinder entführt zu haben. | |
14 Aug 2021 | |
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