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# taz.de -- Aktionen gegen Automesse IAA: „Jeder Protest im Keim erstickt“
> Die Protestaktionen gegen die Automesse IAA in München gehen weiter. Bei
> Räumungen wird auch ein taz-Reporter festgesetzt.
Bild: Hausbesetzungen als Protest gegen die Automesse IAA in München
München taz | Es ist dunkel, als eine kleine Gruppe Aktivist*innen in
der Münchener Innenstadt durch ein kaputtes Fenster in ein leerstehendes
Gebäude einsteigt. Sie heben Türen aus den Angeln und verbarrikadieren
Eingänge. Es soll die Antwort des Klimaschutzbündnisses „No Future for
[1][IAA]“ auf die sogenannten „Open Spaces“ der internationalen
Autoausstellung in der Innenstadt sein.
Die Ausstellung des Verbands der Automobilindustrie beschränkt sich in
diesem Jahr nicht auf die Messehallen, sondern dehnt sich über öffentliche
Flächen in der Stadt aus. Die Aktivist*innen wollen dagegen mit ihrer
Hausbesetzung einen „Open Space for Future“ eröffnen, prominent gelegen in
der schicken Münchener Altstadt.
„Dass die halbe Innenstadt der Autoindustrie zur Verfügung gestellt wird,
während es an Räumen für unkommerzielle kulturelle und politische Projekte
mangelt, nehmen wir nicht länger hin“, erklärt Fritzi Krämer, Sprecherin
von „No Future for IAA“. Städtischer Raum sei in München so teuer und
begehrt wie kaum irgendwo sonst. Die ganze Nacht und den Morgen über bleibt
die Hausbesetzung geheim – bis am Mittag ein Demonstrationszug vorbeikommt.
Als 500 Klimaschützer*innen an dem Haus vorbeiziehen, zünden die
Besetzer*innen Pyrotechnik aus den Dachfenstern und hängen Banner raus,
auf denen „Block IAA“ und „Squat the City!“ steht. Die Menge vor dem Ha…
jubelt. Die Polizei ist offenbar überrascht, drängt die
Demonstrant*innen ab, setzt Pfefferspray ein. Zwei Aktivist*innen
in Maleranzügen klettern außen an dem Gebäude vom dritten in den vierten
Stock, um ein Transparent mit einem brennenden Autoreifen aufzuhängen.
## Polizei stürmt das Haus nach knapp einer Stunde
Seit Jahrzehnten gilt in Bayern die Regel: Keine Hausbesetzung darf mehr
als 24 Stunden bestehen. Für die Aktivist*innen ist es eine
Herausforderung, aber sie haben Pläne: Bis zum Ende der IAA sei hier ein
Gegenprogramm mit Workshops, Diskussionen und Auftritten von
Musiker*innen und DJs vorgesehen, sagt Krämer. Später könne man das
Haus als unkommerziellen Ort für Kultur- oder Bildungsveranstaltungen oder
Vernetzungsarbeit nutzen sowie kostenlose Bandproberäume und ein
selbstverwaltetes Café einrichten.
Doch dazu kommt es nicht: Nach knapp einer Stunde stürmt eine Einheit der
Bereitschaftspolizei das Haus. Die Besetzung ist beendet, die
Aktivist*innen kommen in eine Gefangenensammelstelle und leisten keine
Gegenwehr. Schon in den vergangenen Tagen hatte die Polizei klargemacht,
dass sie unangemeldete [2][Proteste] nicht duldet und auch vor rechtlich
fragwürdigen Übergriffen nicht zurückschreckt.
Am Donnerstag nahm die Polizei drei Mitglieder von Attac fest, hielt zwei
von ihnen zwölf Stunden lang in Gewahrsam und durchsuchte währenddessen
ihre Hostelzimmer. Polizist*innen hatten sie in einem Mietwagen
kontrolliert und dabei abwaschbare Sprühkreide und Banner im Wagen
gefunden. Attac hatte am Mittwochabend die Scheibe des Autoherstellers
Daimler mit der grünen Kreide besprüht.
Abgesehen davon, dass dabei kein Sachschaden entstand, dürften die
festgehaltenen Attac-Mitglieder wenig mit der Aktion zu tun gehabt haben –
nach Angaben der Attac-Sprecherin Frauke Diestelrath handelte es sich bei
ihnen um einen IT-Systemadministrator, eine Verwaltungsmitarbeiterin und
einen Mitarbeiter für Dokumentation. Während die Attac-Mitarbeiter
festgehalten wurden, hätten die Polizisten sich im Hostel in allen
Stockwerken postiert und die Zugänge versperrt und die Zimmer durchsucht,
sagt Diestelrath.
## Die Dialogbereitschaft – eine Farce
Dabei hätten sie neben einigen Zetteln vom Schreibtisch eine orangefarbene
Regenjacke beschlagnahmt und einen orangefarbenen Maleranzug – „Dinge, die
wir bei jeder Aktion tragen und die man bei uns im Webshop kaufen kann“, so
die Sprecherin.
Die Repression sei völlig überzogen und stehe für einen höchst
undemokratischen Umgang mit Protest, der sich auch schon in den vergangenen
Tagen in München gezeigt habe. Das, was die IAA und die Stadt München nach
außen vermitteln wolle – Dialogbereitschaft und Transparenz – sei eine
Farce. „Vielmehr soll offenbar die ganze Stadt der IAA gehören und jeder
Protest im Keim erstickt werden.“
Am Morgen war es rund 600 Aktivist*innen nicht mal gelungen, das Camp
zu verlassen. Mit Pfefferspray und Schlagstöcken hielten Polizist*innen
des bayerischen Sonderkommandos USK sie davon ab. Am Mittag meldete das
Bündnis „Smash IAA“ dann die Besetzung eines Bosch-Werks im Münchener
Osten, um sich solidarisch mit den Beschäftigten des Zulieferbetriebs zu
zeigen, denen die Kündigung droht. Eine andere Gruppe schaffte es, den
„Open Space“ von Mercedes zu besetzen. Für den Nachmittag sind weitere
Blockaden geplant.
10 Sep 2021
## LINKS
[1] /IAA/!t5617805
[2] /IAA/!t5617805
## AUTOREN
Katharina Schipkowski
Michael Trammer
## TAGS
IAA
Blockade
Protest
Schwerpunkt Klimawandel
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