| # taz.de -- AfD-Politikerin vor der Bayern-Wahl: Holt sie die Stimmen der CSU? | |
| > AfD-Frau Katrin Ebner-Steiner kommt bodenständig daher. Ihre | |
| > Stimmungsmache gegen Islam und Merkel kommt bei vielen Wählern gut an. | |
| Bild: Erfolgreich für die AfD: Katrin Ebner-Steiner vor heimischer Kulisse in … | |
| Abensberg/Deggendorf taz | Auf der Wiese im alten Schlossgarten sind | |
| Bierbänke aufgebaut, darüber flattern weiß-blaue Wimpel. Von der anderen | |
| Straßenseite, dem Gillamoos-Festplatz, hört man die Blasmusik spielen. | |
| Gillamoos, das ist im niederbayerischen Abensberg eine alljährlich Anfang | |
| September laufende Institution, eine Art politischer Aschermittwoch plus | |
| großem Volksfest. Anders als die anderen Parteien hat die AfD kein großes | |
| Festzelt angemietet, sondern trifft sich unter freiem Himmel im | |
| Schlossgarten, der ein wenig abseits liegt. Es nieselt. | |
| Um kurz vor zehn Uhr morgens trifft Katrin Ebner-Steiner ein. Die | |
| 40-Jährige hat ein Plakat mit der Aufschrift „Der Islam gehört nicht zu | |
| Bayern“ und einen Sack dabei. Die Stangen daraus baut sie zu einem Gestell | |
| zusammen, am Ende kommt eine großes Banner darüber. „Unser Land, unsere | |
| Heimat. Du, mein Bayern“ steht darauf. „So ist sie, die Katrin“, sagt ein… | |
| bewundernd, der in Allwetterjacke gehüllt auf einer Bierbank sitzt. „Die | |
| ist bodenständig, die packt an.“ | |
| Katrin Ebner-Steiner ist stellvertretende Landeschefin der AfD und für die | |
| Landtagswahl im Oktober Spitzenkandidatin ihrer Partei in Niederbayern. In | |
| ihrem Wahlkreis Deggendorf hat die AfD mit ihr als Direktkandidatin bei der | |
| Bundestagswahl das beste Ergebnis im alten Westen Deutschlands geholt: 19,2 | |
| Prozent. Für die Christsozialen war das ein Schock. | |
| Im alten Schlossgarten hat der Nieselregen aufgehört, als Ebner-Steiner ans | |
| Redepult tritt. Sie trägt schulterlange blonde Haare und Perlenkette, Jeans | |
| und Jackett. „Wir stehen in Bayern vor einer Schicksalswahl“, setzt sie in | |
| breitem Niederbayerisch an. Das hört sich folkloristisch an. Doch das ist | |
| Ebner-Steiner nicht. | |
| Denn dann spricht sie vom Islam, der nach der Weltherrschaft greife. Dem | |
| drohenden Untergang des bayerischen Volkes. Von täglichen Vergewaltigungen, | |
| Messerstechereien und Morden als Folge der Einwanderung. Und immer wieder | |
| schießt sie gegen die CSU, „die Umfaller“. „Die AfD hält, was die CSU | |
| verspricht“, ruft Ebner-Steiner in den Schlossgarten. Applaus. Über Merkels | |
| Haltung zu Chemnitz sagt sie: „Das ist Brandstiftung, das ist Zündeln an | |
| der Demokratie.“ Noch mehr Applaus. | |
| ## Gedenken an die Toten als Wahlkampfmethode | |
| Katrin Ebner-Steiner holt einmal tief Luft, dann liest sie die Namen von | |
| acht Opfern von Gewaltverbrechen der letzten Jahre vor, die eines gemeinsam | |
| haben: Die Täter oder Tatverdächtigen sind Geflüchtete. „Maria | |
| Landenburger, 19, ermordet am 16. 10. 2016 in Freiburg. Täter: Afghane. Mia | |
| Valentin, 15, ermordet am …“. Dann erheben sich alle und schweigen. | |
| Danach sagt Ebner-Steiner, das Verlesen habe sie etwas mitgenommen. „Ich | |
| bin eine Mutter, ich habe drei Söhne und eine Tochter. Und ich kann oft | |
| nicht schlafen, weil ich Angst um ihre Zukunft habe.“ | |
| Die Kinder, die Familie – das erwähnt Ebner-Steiner gern. „Was sind all die | |
| Mühen gegen ein Kinderlächeln, das sind doch die schönsten Momente im Leben | |
| einer Frau“, sagt sie in einer Videonachricht zu Muttertag. Sie sagt aber | |
| auch: „Ohne deutsche Kinder hat Deutschland keine Zukunft.“ | |
| Anders als die AfD-Spitzenpolitikerinnen Alice Weidel oder Beatrix von | |
| Storch spricht Ebner-Steiner nicht nur über das Familienbild der AfD. Sie | |
| hat es selbst gelebt. Ebner-Steiner ist in einem kleinen Ort im Bayerischen | |
| Wald aufgewachsen, mit 19 hat sie ihr erstes Kind bekommen. Die Schule | |
| setzte sie aus. Heute arbeitet sie für die Münchener Kanzlei ihres zweiten | |
| Mannes als Bilanzbuchhalterin. Teilzeit im Homeoffice, damit Zeit für die | |
| Kinder bleibt. Er selbst kommt nur am Wochenende heim. Das könnte nach der | |
| Wahl auch bei ihr häufiger der Fall sein. | |
| ## Mit Thilo Sarrazin fing alles an | |
| Am Tag nach dem Gillamoos sitzt Ebner-Steiner auf der Holztreppe, die auf | |
| die Bühne der Peitlinger Schlossberghalle führt. Es ist halb zehn am Abend, | |
| sie hat hier vorhin eine Rede gehalten, danach hat Björn Höcke gesprochen | |
| und die Stimmung in der ihm eigenen Art angeheizt. Während drinnen gut 300 | |
| Menschen zuhörten, haben draußen tausend gegen die AfD demonstriert. | |
| Ebner-Steiner ist bekennender Höcke-Fan, die beiden sind schon oft | |
| gemeinsam aufgetreten. Die Niederbayerin hat die Erfurter Resolution | |
| unterschrieben, in der die AfD als „Widerstandsbewegung“ definiert wird. | |
| Sie hat in diesem Jahr das Kyffhäuser-Treffen des rechten Flügels der AfD | |
| moderiert. | |
| In der Halle werden die Stühle gestapelt, auf der Treppe erzählt | |
| Ebner-Steiner, dass alles mit Thilo Sarrazin angefangen habe. Sein 2010 | |
| erschienenes Buch „Deutschland schafft sich ab“ habe ihr die Augen | |
| geöffnet, obwohl in Deggendorf die Welt noch in Ordnung war. „In | |
| Niederbayern war damals davon ja noch nichts zu spüren.“ Auch heute, das | |
| gibt sie zu, darf man sich Deggendorf als beschaulichen Ort vorstellen. Die | |
| Kleinstadt an der Donau hat gut 30.000 EinwohnerInnen, der Marktplatz im | |
| Zentrum ist hübsch saniert, dank BMW, die in der Nähe ein Werk betreiben, | |
| herrscht Vollbeschäftigung. | |
| Passau und die österreichische Grenze sind 60 Kilometer entfernt. Im Herbst | |
| 2015 kamen hier täglich Tausende über die Grenze, in Deggendorf wurden | |
| viele von ihnen registriert und verteilt. Heute gibt es am Bahnhof ein | |
| sogenanntes Ankerzentrum, etwa 500 Geflüchtete meist aus Sierra Leone, sind | |
| hier untergebracht. | |
| ## Der CSU-Mann kann keine Fehler entdecken | |
| Paul Linsmaier ist ein blonder Mann in den Dreißigern. Auf die Frage nach | |
| dem Wahlerfolg der AfD in Deggendorf reagiert er genervt. Viel höher als in | |
| bayerischen Durchschnitt liege die AfD hier nicht, einige Ausreißer nach | |
| oben gebe es vor allem im Bayrischen Wald, sagt er. Linsmaier ist | |
| Fraktionschef der CSU im Deggendorfer Stadtrat, zudem Niederbayernchef der | |
| Jungen Union. Ein Hoffnungsträger seiner Partei. Bei der Erklärungssuche | |
| für den Erfolg der AfD ist Linsmaier schnell bei der Kanzlerin: „Wer gegen | |
| ihre Flüchtlingspolitik ist, wer vertritt denn die?“ | |
| Linsmaier sagt: „Wir haben in Deggendorf nicht viel falsch gemacht.“ Das | |
| kann man selbstbewusst oder trotzig nennen – vor allem aber verströmt es | |
| Ratlosigkeit. „Wir haben Vollbeschäftigung, auf einen Kitaplatz muss man | |
| nicht warten, wir hatten die Landesgartenschau hier, die Hochschule wächst. | |
| Den Leuten geht es gut hier, auch wenn sich manche durchaus Sorgen um die | |
| Zukunft machen.“ Auch die Sache mit den Flüchtlingen habe man gut | |
| organisiert. „Und trotzdem hält sich bei den Leuten das Gefühl, wir hätten | |
| es nicht im Griff.“ Aber hat die CSU dieses Gefühl nicht beständig | |
| mitgeschürt? Schließlich sind es die Christsozialen, die das Thema | |
| Migration seit Monaten am Köcheln halten. Linsmaier winkt ab. Viel mehr | |
| schmerzt ihn, dass sich auch mit Horst Seehofer als Bundesinnenminister an | |
| diesem Gefühl wenig geändert habe. | |
| Gottfried Rösch ist seit mehr als zehn Jahren Pfarrer der kleinen | |
| evangelischen Gemeinde in Deggendorf. Er meint, dass die CSU keine | |
| glaubwürdige Antwort auf die Modernisierung der Gesellschaft finde. | |
| Schlimmer noch: Dass dies die CSU zerreiße. „Viele finden: Das alles passt | |
| zu meinem Deggendorf nicht“, sagt Rösch. „Und die AfD ist eine Partei, die | |
| diese Veränderungen offen benennt.“ Der Pfarrer weiß auch, dass es in | |
| Deggendorf und Umgebung schon lange rechtsextreme Strukturen gibt. Ein | |
| Republikaner sitzt im Stadtrat. Die bayerische NPD feiert hier alljährlich | |
| ihren politischen Aschermittwoch. Zulauf hätten auch die Identitären und | |
| eine radikal rechte Burschenschaft. Und immer mal wieder tritt die | |
| rechtsextreme Kleinstpartei Der III. Weg in Deggendorf auf den Plan. | |
| Wie bei der Demonstration von etwa 200 Geflüchteten kurz vor Weihnachten, | |
| die gegen die Zustände in ihrer Unterkunft protestierten. Neonazis | |
| versuchten, sie zu provozieren. CDU-Stadtrat Linsmaier postete damals: „Wer | |
| sich als Flüchtling über Gastfreundschaft und Hilfe beschwert, sollte nicht | |
| demonstrieren, sondern sofort nach Hause zurückkehren.“ | |
| Ebner-Steiner filmte die Demonstration und stellte das Video ins Netz. Die | |
| Kommentare darunter waren hasserfüllt. Es dauerte, bis die AfD sie löschte. | |
| In mehr als 250 Fällen ermittelte die Polizei wegen Volksverhetzung. Doch | |
| auch Ebner-Steiner selbst fällt immer wieder mit extremen Posts auf. Nach | |
| dem Anschlag auf dem Berliner Breitscheidplatz empörte sie sich über das | |
| „ZDF-Morgenmagazin“. „Wir sehen: Ein Türke moderiert die Sendung, zusamm… | |
| mit einer Afrikanerin. Aus Mainz wird eine Araberin zugeschaltet – ach ja, | |
| und ein Deutscher darf den Wetterbericht moderieren.“ | |
| Als Angela Merkel im Bundestagswahlkampf nach Passau kam, protestierte | |
| Ebner-Steiner in einer Burka verhüllt gegen die Kanzlerin und, nach eigener | |
| Aussage, für die Freiheit der Frau. Das hat ihr ein Ermittlungsverfahren | |
| wegen Vermummung eingebracht, das wieder eingestellt wurde. Sonst aber will | |
| die Niederbayerin von Frauenrechten wenig wissen. „Emanzipation hat uns | |
| nicht viel gebracht, sagt sie. „Früher hatte man als Frau eine Aufgabe, | |
| jetzt sind es zwei.“ Im Schlossgarten beim Gillamoos polemisiert sie gegen | |
| „die schwachsinnige und lebensfeindliche Genderideologie“. Und immer | |
| wieder gegen die christsoziale Konkurrenz. „Die AfD ist die Strafe Gottes | |
| für die CSU“, sagt sie zum Schluss. Sie wäre dann so etwas wie ein | |
| Racheengel. | |
| 12 Sep 2018 | |
| ## AUTOREN | |
| Sabine am Orde | |
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