# taz.de -- AfD-Kolonialverbrecherehrung in Namibia: Mit schwarz-rot-goldener S… | |
> Ein AfD-Parlamentarier sorgt für diplomatische Spannungen. Der namibische | |
> Botschafter beschwert sich, der NRW-Landtagspräsident distanziert sich. | |
Bild: Hat seine ganz eigene Sicht auf die deutschen Kolonialverbrechen: der ste… | |
Düsseldorf/Berlin taz | Der eigentümliche Umgang des Kölner | |
AfD-Landtagsabgeordneten Sven Tritschler mit der verbrecherischen deutschen | |
Kolonialgeschichte sorgt weiter für Unmut im nordrhein-westfälischen | |
Landtag. In scharfen Worten hat inzwischen auch Landtagspräsident André | |
Kuper (CDU) das Agieren Tritschlers im Zusammenhang mit einer | |
Parlamentsdelegationsreise nach Namibia kritisiert. | |
Mit seiner Kranzniederlegung am Grab eines Hauptmanns der deutschen | |
„Schutztruppe“ habe der AfD-Parlamentarier „bewusst die eigentliche | |
Intention der Ausschussreise untergraben und konterkariert“, rügt Kuper in | |
einem Schreiben an ihn: „Mit Ihrem Verhalten haben Sie dem Ansehen des | |
Landtags Nordrhein-Westfalen schweren Schaden zugefügt.“ | |
Über den Vorfall hatte zuerst die taz [1][vor einer Woche berichtet]. | |
Tritschler war Anfang Juli als Mitglied einer Delegation des | |
Landtagshauptausschusses nach Namibia gereist. Offizieller Zweck der Reise | |
war es, die „Aufarbeitung des deutschen Kolonialismus“ und die | |
„deutsch-namibische Zusammenarbeit“ zu befördern. Unter anderem legte die | |
Delegation, zu der elf Abgeordnete sowie fünf | |
Fraktionsreferent:innen von CDU, SPD, Grünen, FDP und der AfD | |
gehörten, einen Kranz am Genozid-Mahnmal in Windhuk ab und besuchte das | |
Genozid-Museum in Swakopmund sowie den dortigen Herero-Friedhof. | |
Namibia war von 1884 bis 1915 als vermeintliches „Schutzgebiet | |
Deutsch-Südwestafrika“ eine deutsche Kolonie. Von Anfang an ging die | |
Besatzungsmacht mit militärischer Gewalt gegen die lokale Bevölkerung vor. | |
Nach Aufständen der Herero und der Nama wollte der preußische General | |
Lothar von Trotha, Kommandeur der deutschen „Schutztruppe“, 1904 die beiden | |
Volksgruppen vollständig vernichten lassen. Schätzungsweise bis zu 100.000 | |
Menschen wurden ermordet, verdursteten in der Omaheke-Wüste oder | |
[2][starben in Konzentrationslagern]. Der [3][Völkermord an den Herero und | |
den Nama] gilt als der erste Genozid des 20. Jahrhunderts. | |
## Deutschnationaler Geschichtsrevisionismus | |
Rechtsaußen Tritschler hat jedoch offenbar eine etwas andere Sicht auf die | |
Geschichte. Gemeinsam mit seinem Fraktionsreferenten posierte der | |
42-jährige Ex-Bundeswehrsoldat in Swakopmund vor dem Grab des 1899 | |
verstorbenen deutschen Offiziers Wilhelm Eduard Richard Heldt. In der Hand | |
hielten die beiden einen mit schwarz-rot-goldener Schleife dekorierten | |
Kranz. Ein Foto davon postete Tritschler auf seinem Instagramkanal, | |
unterlegt mit dem national-heroischen Kriegslied „Ich hatt’ einen | |
Kameraden“. Der Kranz sei „für alle dort bestatteten deutschen Soldaten | |
niedergelegt“ worden, [4][teilte er auf Nachfrage dem WDR mit]. | |
Nach Informationen des Spiegel hat sich im Anschluss an die | |
taz-Veröffentlichung der Botschafter der Republik Namibia in Deutschland, | |
Martin Andjaba, beim Auswärtigen Amt über die Aktion Tritschlers beschwert. | |
Er soll zudem um ein Gespräch in dieser Angelegenheit im Außenamt in Berlin | |
gebeten haben. Aus dem Auswärtigen Amt hieß es am Donnerstag [5][gegenüber | |
dem Spiegel], man habe die Aktion des AfD-Manns in Namibia „mit großer | |
Irritation zur Kenntnis genommen“. Sie repräsentiere in „keiner Weise“ d… | |
Haltung der Bundesregierung. | |
Kuper bestätigt in seinem Schreiben, dass sich vor wenigen Tagen der | |
namibische Botschafter gemeldet und „erhebliche Kritik“ geäußert habe. Der | |
NRW-Landtagspräsident habe demgegenüber festgehalten, „dass es sich bei dem | |
Vorgang nicht um einen Teil während der Delegationsreise des Ausschusses | |
des Landtags, sondern um einen anschließenden ausschließlich privaten Teil | |
der Reise handelte“, teilte ein Landtagssprecher der Nachrichtenagentur dpa | |
mit. Dieser private Teil der Reise sei „weder im Auftrag des Präsidenten | |
noch im Auftrag des Ausschusses“ erfolgt. | |
Kuper habe Tritschler „sein Befremden über das Verhalten ausgedrückt und | |
dazu aufgefordert, künftig jegliches Verhalten zu unterlassen, das die | |
Würde des Parlaments weiter beschädigt“, so der Landtagssprecher: „Weitere | |
Konsequenzen werden ausdrücklich geprüft und vorbehalten.“ | |
## AfD-Mann hält Kolonialsoldaten unverbrüchlich die Stange | |
Tritschler ist stellvertretender AfD-Fraktionschef im Landtag. Die Kritik | |
an seinem Auftreten in Namibia weist er zurück. „Als deutscher | |
Volksvertreter sah ich mich – im Gegensatz zu meinen Kollegen von den | |
anderen Fraktionen – in der Pflicht, auch einen Kranz am Grab der hier | |
gefallenen deutschen Soldaten niederzulegen“, teilte er der taz auf Anfrage | |
mit. | |
„Im Übrigen ist die Erzählung von der ‚unschuldigen‘ Herero- und | |
Namabevölkerung, die ‚verbrecherischen‘ deutschen Soldaten zum Opfer | |
gefallen sei, historisch nicht haltbar“, fügte das frühere FDP-Mitglied | |
hinzu. Das hätten seiner Auslegung nach auch Gespräche im Rahmen des | |
offiziellen Besuchsprogramms so ergeben. | |
Die grüne Fraktionsvorsitzende Verena Schäffer, die auch Teil der | |
Landtagsdelegation war, zeigte sich fassungslos über die Aussagen | |
Tritschlers, die einer Leugnung des Genozids gleichkämen und „historisch | |
faktenfrei“ seien. Die SPD-Landtagsabgeordnete Christina Kampmann, die | |
ebenfalls mit in Namibia war, sprach von einer „Verhöhnung der Opfer“. | |
Gegenüber der dpa gab Tritschler nun an, seinem „Verständnis von | |
Versöhnung“ hätte es nicht entsprochen, dass bei zwei Friedhofsbesuchen im | |
Rahmen der Delegationsreise nur der Hereros und nicht auch der gefallenen | |
deutschen Soldaten gedacht worden wäre, „die unter sehr schweren | |
Bedingungen Dienst taten“. Weil das im offiziellen Programm nicht | |
vorgesehen gewesen sei, habe er dies mit einem Mitarbeiter im Anschluss | |
nachgeholt, „da wir noch einige Tage länger auf eigene Kosten im Land | |
blieben“. | |
Umso „verwunderlicher und anmaßender“ sei für ihn nun das Schreiben des | |
christdemokratischen Landtagspräsidenten, so Tritschler. Er werde Kuper „in | |
aller Deutlichkeit entgegnen, dass ihn meine selbst organisierten Reisen | |
nichts angehen“. | |
26 Jul 2024 | |
## LINKS | |
[1] /AfD-ehrt-deutschen-Offizier-in-Namibia/!6024499 | |
[2] /Archaeologin-ueber-koloniale-KZs/!5960709 | |
[3] /Kolonialverbrechen-an-Herero-und-Nama/!5775474 | |
[4] https://www1.wdr.de/nachrichten/landespolitik/afd-tritschler-kranz-namibia-… | |
[5] https://www.spiegel.de/politik/deutschland/nach-kranzniederlegung-in-namibi… | |
## AUTOREN | |
Pascal Beucker | |
Sabrina Osmann | |
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