# taz.de -- Acht Fragen zur Zukunft der CSU: Mal gründlich „durchlüften“? | |
> Als neuer Chef will Markus Söder die CSU modernisieren. Jünger, | |
> weiblicher und hipper soll sie werden. Wie will er das schaffen? Und | |
> klappt das auch? | |
Bild: Ein Smartphone hat er zumindest schon mal: der bayerische Ministerpräsid… | |
MÜNCHEN taz | Ein neues Zeitalter bricht an in Bayern. 2019 hat die CSU als | |
Jahr der Erneuerung ausgerufen, die am Samstag mit der Wahl des neuen | |
Parteivorsitzenden beginnt. Markus Söder will gleich mal gründlich | |
„durchlüften“. Jung, weiblich, cool soll die CSU in der Ära Söder werden. | |
Wie will er das schaffen? | |
## 1. Wird die CSU jünger? | |
Die CSU hat bei der Landtagswahl viele Wähler verloren, an die Freien | |
Wähler, die Grünen, die AfD. Die größten Verluste verursachte laut | |
Infratest dimap die Gruppe der Verstorbenen: Rund 240.000 der CSU-Wähler | |
von 2013 überlebten die Legislatur nicht. | |
Von den Erstwählern machten 2018 gerade mal 90.000 ihr Kreuz bei der CSU. | |
Wir müssen jünger werden, proklamierte folglich Ministerpräsident Markus | |
Söder und ging mit gutem Beispiel voran. Er ließ sich überreden, den | |
CSU-Vorsitzenden Horst Seehofer, der 70 wird, durch einen 17 Jahre jüngeren | |
Parteifreund auszutauschen – sich selbst. | |
Damit nicht genug: Söder rühmt sich, das jüngste Kabinett in der Geschichte | |
Bayerns zu haben, rund 48 Jahre alt sind seine Minister und Staatssekretäre | |
im Schnitt. In der Landtagsfraktion dagegen sind deutlich mehr als die | |
Hälfte der Mitglieder über 50, die CSU-Bundesminister im Schnitt sogar 57. | |
Entscheidend wird es sein, ob es gelingt, junge Leute in die Partei zu | |
locken und junge Wähler anzusprechen. | |
## 2. Wird die CSU weiblicher? | |
„Ich bin Oberbayer, männlich und über 60 Jahre alt“, sagte der langjähri… | |
Minister Marcel Huber im November dem Oberbayerischen Volksblatt. „Eine | |
aktuell denkbar schlechte Kombination.“ Eine treffende Analyse. Huber war | |
einer derjenigen Männer, die Söder aus dem Kabinett kegelte. Auch | |
Justizminister Winfried Bausback und Kultusminister Ludwig Spaenle, | |
immerhin Taufpate von Söders Sohn, gehörten dazu. | |
Via Twitter ließ Söder wissen: „Das bayerische Kabinett aus CSU und Freien | |
Wählern ist deutlich jünger und weiblicher geworden.“ Das stimmt aber | |
nicht, denn die Freien Wähler haben außer einer Staatssekretärin nur Männer | |
ins Kabinett geschickt und Söder damit den Schnitt versaut. Unter den | |
CSU-Regierungsmitgliedern hat Söder den Frauenanteil in der Tat auf 38,5 | |
Prozent gehoben – was Parteivize Dorothee Bär umgehend zu dem | |
[1][Freudenschrei auf Twitter] veranlasste: „Die CSU verjüngt und | |
verweiblicht sich radikal.“ | |
Andere CSU-Frauen sind weniger euphorisch ob der vermeintlichen | |
Radikalität, etwa Landtagspräsidentin Ilse Aigner. So liegt die | |
Frauenquote in der CSU-Fraktion bei 21 Prozent, in der CSU-Landesgruppe bei | |
17 Prozent. Und in den Spitzenämtern? Parteichef, Landesgruppenchef, | |
Fraktionschef, EVP-Spitzenkandidat, Generalsekretär: alles Männer. | |
In der Parteispitze ist man sich des Problems bewusst. Von Quote ist | |
neuerdings die Rede und von Reißverschlussverfahren. Doch bei der Umsetzung | |
tut sich die CSU noch schwer. Nachdem der neue Landtag zusammengetreten | |
ist, hat die CSU-Fraktion den Vorsitz von 14 Arbeitskreisen zu vergeben – | |
13 gehen an Männer. | |
## 3. Wird die CSU christlicher? | |
Dem Bischof scheint die Frage unangenehm. Als Stefan Oster, Bischof von | |
Passau und zu Jahresbeginn Gast der [2][CSU-Klausurtagung in Kloster | |
Seeon], nach dem schwierigen Verhältnis zwischen Kirche und CSU gefragt | |
wird, antwortet er ausweichend, eigentlich wolle er hier über andere Themen | |
sprechen und die Lage habe sich doch ohnehin schon wieder entspannt. Eine | |
Antwort, die dem neben ihm stehenden Gastgeber Alexander Dobrindt sichtlich | |
gefällt. Nur zu gern möchte man in der CSU vergessen, wie weit der | |
Entfremdungsprozess zwischen Partei und Kirchen bereits fortgeschritten | |
ist. | |
Da war [3][der Söder’sche Kreuzerlass], der das religiöse Symbol zur | |
Lanze im Leitkulturkampf umfunktionieren wollte, da war der neue | |
Generalsekretär Markus Blume, der Kritiker prompt als „unheilige Allianz | |
von Religionsfeinden und Selbstverleugnern“ abstempelte. Da war der | |
[4][Rechtsruck in der Asylpolitik]. Und da waren auf der anderen Seite | |
CSU-Granden wie Alois Glück oder Hans Maier, die sich nur noch mit Grausen | |
abwandten. „Wenn man sich christlich nennt und plötzlich verschwimmt alles | |
Christliche, wo ist denn dann die Glaubwürdigkeit“, [5][fragte Maier in der | |
taz]. Begriffe wie Nächstenliebe, Barmherzigkeit, die höre man ja nur noch | |
von der Linken. | |
Söder ficht dergleichen nicht an, er fühlt sich fest in seinem Glauben. Er | |
betet täglich, trägt stets ein Medaillon mit einem Kreuz bei sich und hört | |
beim Autofahren gern die Bibel als Hörbuch. Bei einem Besuch in Rom | |
gewährte der Protestant sogar katholischen Würdenträgern eine Audienz, | |
darunter dem amtierenden Pontifex. Für Söder ist Religion vor allem | |
Symbolik und Instrument im politischen Kampf. Dass ausgerechnet unter | |
seiner Führung das C im Parteinamen zu neuer Bedeutung finden könnte, | |
erscheint unwahrscheinlich. | |
## 4. Wird die CSU sozialer? | |
Danach sieht es momentan nicht aus. Horst Seehofer war – bei aller | |
Drehhoferhaftigkeit, die ihm während seiner Regierungsjahre in Bayern immer | |
wieder angekreidet wurde – im Grunde seines Herzens immer ein | |
Sozialpolitiker, der für seine Überzeugungen einstand, einmal sogar | |
zurücktrat. Sein Nachfolger hat bislang keinen besonderen inneren Bezug zu | |
derlei Themen erkennen lassen. | |
Auch wenn Söder schon gleich in seiner ersten Regierungserklärung als | |
Ministerpräsident versuchte, zahlreiche sozialpolitische Akzente zu setzen | |
und dem Image des kalten Machtpolitikers entgegenzuwirken, deutet noch | |
nichts darauf hin, dass die Sozialpolitik zum Kern des künftigen | |
Regierungshandelns werden könnte. Dazu kommt, dass Politikerinnen wie | |
Barbara Stamm und Emilia Müller, die gewissermaßen das S im Parteinamen | |
personifizierten, nicht mehr dem Landtag angehören. | |
## 5. Wird die CSU mehr U? | |
Ja. Union wird derzeit ganz groß geschrieben. Dass der Streit innerhalb der | |
CSU wie auch zwischen den Unionsschwestern niemandem genutzt habe, darin | |
sind sich alle einig. In der eigenen Partei will man zurück zur „legendären | |
Geschlossenheit“, mit der CDU zumindest wieder ein konstruktives | |
Miteinander finden. | |
## 6. Wird die CSU fränkischer? | |
Ja und nein. Die CSU ist bereits fränkischer, als man denkt. Der Mythos, | |
die Franken hätten in einer oberbayerisch dominierten Partei immer nur die | |
zweite Geige gespielt, ist historisch nicht belegbar, auch wenn er sogar | |
von Markus Söder befeuert wurde. „Ein Franke wird erst Ministerpräsident, | |
wenn der Klub Deutscher Fußballmeister wird.“ Das habe ihm die | |
Staatskanzlei bedeutet, behauptete 2017 der damalige Finanzminister beim | |
Maibockanstich. | |
Tatsächlich gab es bereits Franken in dem Amt: Hans Ehard, Hanns Seidel, | |
zuletzt Günther Beckstein. Alfons Goppel, der den Freistaat 16 Jahre | |
regierte, stammte zwar aus Regensburg, die Grundlagen seiner politischen | |
Laufbahn legte er jedoch im unterfränkischen Aschaffenburg. Auch an der | |
Parteispitze gab es Franken, neben den besagten Herren auch den Mitgründer | |
und ersten CSU-Chef, Josef Müller, genannt Ochsensepp. | |
Einen Franken als Ministerpräsident und Parteichef in Personalunion hat es | |
schon seit fast 60 Jahren nicht mehr gegeben. Mit der Wahl Söders zum | |
Parteichef wird zudem die engere Parteiführung, der Vorsitzende und seine | |
Stellvertreter, zur Hälfte mit Franken besetzt sein. Allzu große Sorgen | |
wird man sich in Altbayern jedoch nicht machen müssen: Regionaler Proporz | |
spielt immer noch eine wichtige Rolle im Freistaat. Zudem versteht Söder | |
es, seinen inneren Franken, wenn nötig, zu zähmen. Nur zu gern umgab er | |
sich im Wahlkampf mit den Insignien altbayerischer Volkstümelei. Die | |
Kabarettistin Luise Kinseher erkannte darin die Botschaft: „Auch ein Franke | |
kann ein guter Oberbayer sein.“ | |
## 7. Wird die CSU hip? | |
Generalsekretär Markus Blume hat sich einiges vorgenommen. „Besser, | |
moderner, digitaler, einfach cooler“ will er seine Partei machen. In | |
Zusammenarbeit mit seinem neuen Parteichef, versteht sich. Der ist ja | |
ohnehin schon so was von modern und cool, [6][startet neue | |
Weltraumprogramme], fördert Start-ups, will Bayern zur Flugtaxihochburg | |
machen und hat dem Land erstmals [7][ein Digitalministerium] verpasst. | |
Digital will Blume auch die Partei machen. „Wir wollen zur echten | |
Mitmachpartei werden“, erzählte er dem Spiegel. Eine Zukunftsbewegung solle | |
die CSU werden, wie Macrons „En Marche“ – bloß erfolgreicher. Der | |
Modernisierungsprozess soll an diesem Wochenende auf dem Sonderparteitag | |
starten und bis zum nächsten regulären Parteitag im Herbst dauern. Die | |
Erfolgsaussichten sind ungewiss, zumal die Grünen auf der Coolnessskala | |
noch weit vorn liegen. | |
## 8. Wird die CSU wieder zur alten Stärke finden? | |
Mit Händen und Füßen wehrt sich die CSU gegen die Vorstellung, die Zeit der | |
großen Volksparteien könnte vorbei sein. So ist auch das derzeit oft | |
geäußerte Bedauern über den Niedergang der traditionsreichen | |
Sozialdemokratie keineswegs geheuchelt. Von deren Elend ist die Partei zwar | |
noch weit entfernt, doch nach den Desastern bei Bundes- und Landtagswahl | |
spricht von der absoluten Mehrheit, früher das Maß aller Dinge, niemand | |
mehr. | |
Stattdessen ist wahlweise von alter oder neuer Stärke die Rede. Der Weg | |
dorthin, so General Blume, sei ein Langstreckenlauf. „Als Erstes wollen wir | |
wieder über die 40.“ Aktuelle Umfragen sehen die Partei bei der Europawahl | |
noch bei 36, in Bayern sogar nur bei 35 Prozent. | |
18 Jan 2019 | |
## LINKS | |
[1] https://twitter.com/dorobaer/status/1064118505077915649?lang=de | |
[2] /CSU-Klausurtagung-der-Landtagsfraktion/!5563574 | |
[3] /Markus-Soeders-Kreuzerlass/!5506490 | |
[4] /Asylpolitik-im-Freistaat/!5541902 | |
[5] /Ex-CSU-Minister-ueber-Seehofers-Manoever/!5516168 | |
[6] /Markus-Soeders-Raumfahrtprogramm/!5537867 | |
[7] /Kommentar-Staatsministerin-fuer-Digitales/!5486263 | |
## AUTOREN | |
Dominik Baur | |
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