# taz.de -- Abgeriegelte Stadtteile in Madrid: Leben in der Sperrzone | |
> „Wie in einem Film über die Berliner Mauer“ fühlt sich Christina Barred… | |
> Sie lebt in einem der Viertel, das nun strenge Coronaregeln einhalten | |
> muss | |
Bild: Etliche Wohngebiete wurden in Spanien zur Sperrzone erklärt | |
El Barraco taz | 850.000 Menschen in 37 Wohngebieten in [1][Madrid] und | |
mehreren Vororten müssen seit Montag [2][mit erheblichen Einschränkungen | |
leben]. Sie dürfen ihre Covidsperrzonen nur zum Arbeiten und für dringende | |
Behördengänge verlassen. | |
Gema Andrés lebt in einem der betroffenen Gebiete, im Stadtteil Vallecas. | |
Seit Montag durchzieht eine Grenze, die von Polizei bewacht wird, ihren | |
Stadtteil. „Auf meiner Seite der Hauptstraße ist die Mobilität | |
eingeschränkt, auf der anderen Seite nicht“, berichtet die 49-Jährige, die | |
jetzt nicht mehr zur Post oder zur Bank kann. Der Park, in dem sie ihre | |
beiden Hunde ausführt, ist geschlossen. „Aber die Kneipen und Restaurants | |
sind offen“, schimpft sie. | |
„Sie schließen uns zu Hause ein, aber wer in anderen Teilen Madrids | |
arbeitet, kann dort hin, in einer völlig überfüllten U-Bahn“, sagt Andrés, | |
die zum Glück im Homeoffice arbeitet. Sollte sie doch einmal ins Büro | |
müssen, braucht sie einen Passierschein, ausgestellt vom Arbeitgeber und | |
anerkannt von der Regionalverwaltung Madrid. | |
„Die Maßnahmen betreffen nur Arbeiterstadtteile – und vor allem Vororte im | |
Süden“, erklärt Andrés, warum sie am Sonntag an einer der Demonstrationen | |
in den betroffenen Wohngebieten teilnahm – mit Masken und gebührenden | |
Sicherheitsabstand. Die Menschen forderten den Rücktritt der | |
Regionalregierung unter Isabel Díaz Ayuso von der konservativen Partido | |
Popular (PP). Sie regiert in Koalition mit den rechtsliberalen von | |
Ciudadanos und der Unterstützung durch die rechtsextremen VOX. | |
## Personal für die Kontaktverfolgung der Infizierten fehlt | |
Auf den Pappschildern waren Wörter wie „Apartheid“ zu lesen. Die | |
Protestierenden machten Díaz Ayuso für die hohen Infektionsraten | |
mitverantwortlich. Denn die Regionalregierung hat auch nach der ersten | |
Welle kaum weiteres Gesundheitspersonal eingestellt – das fehlt nun, um die | |
Kontakte der Infizierten zu verfolgen. | |
Wer sich wie Antonio Maestre von der Zeitschrift Marea die abgesperrten | |
Zonen genauer anschaut, muss feststellen, dass die Straße mit den teuersten | |
Geschäften im Zentrum Madrids eine höhere Infektionsquote aufweist als | |
andere in Arbeiterstadtteilen, die nun abgesperrt sind. „Das ist wie in | |
einem Film über die Berliner Mauer“, sagt Christina Barredo aus dem | |
Stadtteil Carabanchel. Die 45-jährige Chefsekretärin ist geschieden und hat | |
zwei Söhne. „Eine Woche sind sie beim Vater, eine bei mir. Die beiden | |
brauchen einen Passierschein von der Schule, die wie die Wohnung des Vaters | |
außerhalb der Sperrzone liegt“, berichtet Barredo. | |
Doch es geht noch absurder: Der Park, in dem die Kinder spielen, liegt | |
genau an der Grenze und ist von Barredos Seite aus gesperrt. „Ich muss die | |
beiden auf der Straße an den Vater übergeben. Der geht dann mit ihnen in | |
den Park, bevor sie in meine Zone zurückkommen“, lauten die Pläne Barredos. | |
„Das alles wird leider nichts helfen“, ist sie sich sicher. „Denn wir | |
können zum Arbeiten überall hin.“ Auch sind innerhalb der Sperrzonen die | |
Kneipen und selbst die Wettbüros offen. „Das ist völlig verrückt“, | |
resümiert Barredo. | |
Ab Mittwoch wird die Polizei, die die Sperrzonen bewacht, mit Bußgeldern | |
hart durchgreifen. Wie lange das so gehen soll, steht nicht fest. Was sonst | |
unternommen wird, um dem Virus Herr zu werden, auch nicht. Und das, obwohl | |
sich am Montag Díaz Ayuso und der spanische Premier Pedro Sánchez erstmals | |
in der Covidkrise trafen. | |
Dabei einigten sich die beiden erst einmal nur auf einen „Raum der | |
Kooperation“, der aus einer „Covid-19-Gruppe“ besteht, indem sich Vertret… | |
beider Regierungen einmal die Woche treffen sollen. Díaz Ayuso forderte den | |
Einsatz der Armee zur Kontrolle der Sperrzonen, falls nötig. | |
22 Sep 2020 | |
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## AUTOREN | |
Reiner Wandler | |
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