| # taz.de -- ARD-Doku über Cyberstalking: Bedrohung im Netz | |
| > Betroffene von Cyberstalking werden nicht ausreichend geschützt. Eine | |
| > Dokumentation in der ARD-Mediathek beleuchtet das Problem. | |
| Bild: Annas Cyberstalker attackierte auch ihren Arbeitgeber | |
| Knapp 20.000 [1][Fälle von Stalking] erfasste die Polizei im Jahr 2020 in | |
| Deutschland. Wie oft die Nachstellung, wie die Tat im Strafgesetzbuch | |
| heißt, über das Internet stattfindet, ist wiederum nicht bekannt. | |
| Allein dieser Fakt sagt viel über den Umgang mit Cyberstalking aus. Dass | |
| der Psychoterror im Netz gravierende Folgen für die Betroffenen hat, das | |
| Problem aber von den Behörden nicht effizient verfolgt wird, ist Thema | |
| einer ARD-Dokumentation, die derzeit in der Mediathek verfügbar ist. Was | |
| Cyberstalking für die meist weiblichen Betroffenen – rund 84 Prozent der | |
| Opfer sind Frauen, wie es im Film heißt – bedeutet, beleuchtet die Doku | |
| anhand von drei Beispielen. | |
| Charlotte etwa verbrachte vor fünf Jahren eine Nacht mit einem „Match“ | |
| einer Dating-App und wird seither täglich mit Dutzenden Anrufen und | |
| Nachrichten von diesem bombardiert. Reagiert sie nicht binnen weniger | |
| Minuten, folgen Drohungen. Er würde sie „abpassen“, an ihrer Arbeitsstelle | |
| aufkreuzen. Vor der Kamera bleibt Charlotte anonym. | |
| Anders Anna, die gegen ihren Stalker bereits ein Kontaktverbot erwirkte. | |
| Ihr Nochehemann hat sie dennoch bereits den Job gekostet. Als die zwei von | |
| ihr geleiteten Fitnessstudios von Hunderten negativen Google-Bewertungen | |
| überhäuft wurden, wollte ihr Vorgesetzter das Arbeitsverhältnis beenden – | |
| sie ging freiwillig. | |
| ## Versagen der Behörden | |
| Am bedrückendsten und bedeutsamsten ist die Doku dann, wenn sie anprangert, | |
| wie sehr sich die Betroffenen dafür einsetzen müssen, dass überhaupt gegen | |
| die Täter*innen – 87 Prozent sind Männer, heißt es – vorgegangen wird. | |
| Und wie selten sie tatsächlich Unterstützung erfahren. Gegen die über 70 | |
| Google-Accounts, mit denen Annas Stalker seine Schmähungen verfasste, blieb | |
| der Konzern untätig. Die Polizeibeamt*innen hätten wiederum | |
| „freundlich, aber hilflos“ reagiert. | |
| Im Interview rät Thomas Broy vom Fachstab „Opferschutz und Prävention“ des | |
| LKA Hamburg zwar zur Anzeige, weil das eine „Gefährderansprache“ durch die | |
| Beamt*innen nach sich zöge, die verdeutliche, dass nun von staatlicher | |
| Seite interveniert werde. Danach passiert jedoch oftmals lange nichts, wie | |
| neben Annas auch Merles Geschichte unterstreicht. | |
| Schlimmer noch: Auf die Adresse der Berlinerin ist ihr Stalker, der sie | |
| scheinbar wahllos auf einer öffentlichen Veranstaltung als „Opfer“ | |
| auserkoren hat, erst durch die Behörden aufmerksam geworden – man vergaß, | |
| die Adresse zu schwärzen, als man den Täter über die Anzeige informierte. | |
| Zusätzlich zu Hassbotschaften auf Social Media erreichten Merle dann | |
| unzählige Warensendungen. | |
| ## Lasche Gesetzgebung | |
| Seit es 2019 wegen dieser zu einer Hausdurchsuchung kam, erneuter | |
| Stillstand: Auf Anfrage teilt die Staatsanwaltschaft mit, dass man noch auf | |
| die Auswertung warte, bevor man Anklage erheben könne. | |
| Wie einfach es sein kann, die Täter*innen zu ermitteln, führen die | |
| Filmemacher*innen vor Augen: Sie machen Annas Stalker prompt im Netz | |
| ausfindig, bekommen ihn sogar ans Telefon. | |
| Was also sind die Gründe dafür, dass Cyberstalking ineffizient verfolgt | |
| wird? Der Film liefert mindestens drei Antworten: Unkenntnis der Behörden | |
| zu verfügbaren technischen Möglichkeiten und Personalmangel einerseits. | |
| Eine zu lasche Gesetzgebung andererseits. Noch in diesem Jahr soll der | |
| Bundestag über eine Novellierung des Paragrafen 238 StGB abstimmen. Um die | |
| Vermutung aufzustellen, dass es wesentlich länger dauern wird, bis an den | |
| ersten beiden Stellschrauben gedreht wird, muss man keine Zynikerin sein. | |
| Sollte der Film das Tempo ein wenig erhöhen, hat er seinen Zweck erfüllt. | |
| 1 Jun 2021 | |
| ## LINKS | |
| [1] /Plaene-von-Justizministerin-Lambrecht/!5745124 | |
| ## AUTOREN | |
| Arabella Wintermayr | |
| ## TAGS | |
| Stalking | |
| Hate Speech | |
| Social Media | |
| Hamburg | |
| Opferberatung | |
| Grüne | |
| Stalking | |
| Stalking | |
| ## ARTIKEL ZUM THEMA | |
| Gewalttaten nach Zurückweisung: Vom Penisbild zum Mordversuch | |
| Annäherungsversuche abzulehnen, kann für Frauen fatale Folgen haben – das | |
| zeigt ein Prozess, der am Dienstag im Hamburger Landgericht startete. | |
| Opferschutzbeauftragter über seinen Job: „Viele Opfer erzählen nichts“ | |
| Thomas Pfleiderer ist Opferschutzbeauftragter in Niedersachsen. Ein | |
| Gespräch über Gewalterfahrungen und empathische Richter*innen. | |
| Renate Künasts Klage gegen Facebook: Digitale Gewalt stoppen | |
| Die Grünen-Politikerin Renate Künast klagt gegen Facebook – und legt sich | |
| nicht nur mit dem Tech-Giganten an. Es ist auch eine Botschaft an die | |
| Hater. | |
| Pläne von Justizministerin Lambrecht: Mehr Schutz vor Stalking | |
| Die Bundesjustizministerin will Stalker:innen konsequenter verfolgen und | |
| vor Gericht bringen. Auch digitales Nachstellen soll strafbar werden. | |
| Stalking unter Nachbarn: Drei Zimmer, Küche, Psychoterror | |
| Familie Kirchenmayer war glücklich, als sie endlich eine Wohnung gefunden | |
| hatte. Bis sie Helga Zeller kennenlernte, die unter ihnen wohnte. |