| # taz.de -- Pläne von Justizministerin Lambrecht: Mehr Schutz vor Stalking | |
| > Die Bundesjustizministerin will Stalker:innen konsequenter verfolgen | |
| > und vor Gericht bringen. Auch digitales Nachstellen soll strafbar werden. | |
| Bild: Unter Beobachtung: Stalker:innen sollen bald öfter vor Gericht stehen | |
| Berlin taz | Für Stalkingopfer soll es künftig einfacher werden, gegen die | |
| Täter:innen vorzugehen. „Ich möchte die Betroffenen besser schützen. Es | |
| müssen mehr Stalkingfälle vor Gericht kommen und die Täter müssen | |
| konsequent zur Verantwortung gezogen werden“, sagte Bundesjustizministerin | |
| Christine Lambrecht (SPD) am Mittwoch in Berlin. Die Anwendung des | |
| Paragrafen 238 des Strafgesetzbuchs zur „Nachstellung“ soll erleichtert, | |
| die Strafbarkeitsschwelle gesenkt werden. | |
| Stalking richtet sich meistens gegen Frauen, seltener aber auch gegen | |
| Männer. Studien zufolge werden elf Prozent der Bevölkerung mindestens | |
| einmal im Leben [1][Opfer von Stalker:innen]. Die Täter:innen rufen | |
| immer und immer wieder an, schreiben Nachrichten, forschen Betroffene aus | |
| oder diffamieren sie im Netz. „Das ist oft schrecklicher Psychoterror“, so | |
| Lambrecht. „Die Übergriffe reichen bis hin zu körperlicher und | |
| sexualisierter Gewalt.“ | |
| Am Mittwoch nun billigte das Kabinett einen Bericht des | |
| Bundesjustizministeriums, für den unter anderem Verbände befragt wurden, | |
| die mit Betroffenen oder Täter:innen arbeiten, außerdem die | |
| Justizverwaltungen der Länder. Der Bericht evaluiert die Situation von | |
| Stalkingopfern seit 2017, als der Straftatbestand zum vorerst letzten Mal | |
| neugefasst wurde. Seitdem habe sich der Opferschutz zwar verbessert, heißt | |
| es in dem Bericht. „Nach wie vor sind aber auch erhebliche praktische | |
| Probleme bei der Bekämpfung von Nachstellungen festzustellen“. Diese | |
| beträfen vor allem die hohen Hürden, Stalking zu verfolgen. | |
| Lambrecht will deshalb schon in den kommenden Wochen einen Gesetzentwurf | |
| vorlegen, der diese Hürden senkt. So muss derzeit noch ein „beharrliches“ | |
| Nachstellungsverhalten nachgewiesen werden, das die Lebensgestaltung des | |
| Opfers „schwerwiegend“ beeinträchtigt. Nun soll das Wort „beharrlich“ … | |
| „wiederholt“ und das Wort „schwerwiegend“ durch „nicht unerheblich“… | |
| werden. | |
| Die Strafe soll zwar weiter aus bis zu drei Jahren Gefängnis oder einer | |
| Geldstrafe bestehen. Zugleich sollen aber besonders schwere Fälle | |
| neugeregelt werden, bei denen der oder die Täter:in bis zu fünf Jahre ins | |
| Gefängnis muss. Darunter sollen zum Beispiel Fälle von Stalking über einen | |
| langen Zeitraum fallen oder Taten, durch die der oder die Täter:in die | |
| Gesundheit des Opfers schädigt. | |
| Auch digitales Stalking, sogenanntes Cyberstalking, soll ausdrücklich unter | |
| Strafe gestellt werden. Der bessere Schutz hierbei spielt unter anderem im | |
| Bereich rechtsextremistischer Bedrohungen eine Rolle. | |
| Wolf Ortiz-Müller von [2][der Berliner Beratungsstelle „Stop Stalking“], | |
| die bundesweit einmalig sowohl mit Betroffenen als auch mit Täter:innen | |
| arbeitet, begrüßte Lambrechts Vorstoß. „Das Entscheidende für uns ist abe… | |
| dass der Strafverfolgungsdruck damit kombiniert wird, dass mit den | |
| Beschuldigten gearbeitet wird“, sagte er. „Es braucht beides.“ Die | |
| Istanbulkonvention, das Übereinkommen des Europarats gegen Gewalt gegen | |
| Frauen, gebe vor, derlei Programme aufzulegen. Ein Gesetzentwurf müsse das | |
| berücksichtigen. | |
| „Wir nennen das ‚nachhaltigen Opferschutz‘“, sagte Ortiz-Müller: „De… | |
| die Betroffene ist erst dann wirklich geschützt, wenn der oder die | |
| Beschuldigte nicht nur bestraft wird, sondern auch mit den Taten aufhört.“ | |
| Eine Möglichkeit, das zu erreichen, sei etwa die Auflage, an einem | |
| Täterprogramm teilzunehmen. Ist der oder die Beschuldigte dazu bereit, | |
| könne das Strafmaß verringert oder das Verfahren eingestellt werden. | |
| Stalking war erst 2007 unter Bundesjustizministerin Brigitte Zypries (SPD) | |
| als eigener Straftatbestand eingeführt worden – dieser jedoch lief lange | |
| ins Leere. Noch 2013 wurden nur 236 Täter verurteilt, obwohl es laut | |
| Kriminalstatistik 19.775 Tatverdächtige gab – eine Verurteilungsquote von | |
| rund einem Prozent. | |
| 2016 beschloss das Kabinett deshalb einen Gesetzentwurf des damaligen | |
| Justizministers Heiko Maas (SPD). Auch dieser zielte wie die aktuell | |
| geplante Anpassung darauf, Opfer besser schützen und Täter:innen | |
| einfacher verurteilen zu können. Seitdem müssen Betroffene nicht erst | |
| nachweisen, beeinträchtigt worden zu sein, sondern die Handlung des | |
| Stalkings als solche ist strafbar. | |
| 3 Feb 2021 | |
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| ## AUTOREN | |
| Patricia Hecht | |
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