# taz.de -- 75. Jahrestag Befreiung Auschwitz: Das Gedenken der Mächtigen | |
> So viele hochrangige Regierungschefs waren noch nie da: Die | |
> Feierlichkeiten zur Auschwitz-Befreiung in Israel fanden in Jerusalem | |
> statt. | |
Bild: Unter sich: der russische Präsident Putin, Israels Präsident Rivlin und… | |
Nur ganz am Schluss der Veranstaltung spricht ein Holocaust-Überlebender, | |
Rabbi Meir Lau, von seinen Erfahrungen während der Shoah – auf einer Feier, | |
die sich auf die Fahnen geschrieben hat, der ermordeten Jüdinnen und Juden | |
zu gedenken. „An den Holocaust erinnern. Antisemitismus bekämpfen“ war das | |
Motto des fünften World Holocaust Forum, der wohl größten und hochkarätigst | |
besetzten Veranstaltung, die in Israel je stattgefunden hat. Nahezu | |
minütlich waren in den vergangenen Tagen Delegationen von mehr als 45 | |
Königen, Regierungschefs und Präsidenten aus der ganzen Welt am | |
Ben-Gurion-Flughafen angekommen. | |
„Danke für die Solidarität mit dem jüdischen Volk. Danke für die | |
Verpflichtung an das Gedenken der Shoah“, begrüßte der israelische | |
Präsident Reuven Rivlin die Teilnehmer*innen des Forums in Yad Vashem, der | |
weltweit wichtigsten Gedenkstätte zum Gedenken an die Ermordung der Juden | |
im Nationalsozialismus. Dabei stand er vor einem Bronzerelief, das die | |
Vernichtung, aber auch den Aufstand und Widerstand der Juden im Warschauer | |
Ghetto symbolisiert. | |
Bereits im Vorfeld hatte es Kritik an der kostenintensiven und | |
hochoffiziellen Veranstaltung gegeben, unter anderem kam sie von | |
Holocaust-Überlebenden, denen aus Platzgründen die erwünschte Teilnahme | |
versagt wurde. Darüber hinaus wurde kritisiert, dass nur ein | |
Holocaust-Überlebender eingeladen wurde zu sprechen: der Vorsitzende des | |
Yad-Vashem-Rates Rabbi Israel Meir Lau. Der Vorsitzende der Gedenkstätte, | |
Avner Shalev, verwies darauf, dass mehr als 100 Überlebende der | |
Veranstaltung beiwohnen würden. Derzeit leben in Israel noch circa 200.000 | |
Überlebende. | |
## Netanjahu betonte, Drohungen gegen Israel ernstzunehmen | |
Ministerpräsident Benjamin Netanjahu betonte, dass Israel seine Lektion aus | |
der Geschichte gelernt habe und alle Drohungen gegen Israel ernst nehmen | |
würde. Der Staat Israel sei ein „Schutzschild“ für die Jüdinnen und Jude… | |
sagte er und rief die versammelten Staatsoberhäupter dazu auf, den Iran, | |
„der Nuklearwaffen anstrebt“, zu konfrontieren: „Israel wird alles tun, um | |
den eigenen Staat zu schützen und die jüdische Zukunft zu gewährleisten.“ | |
Betont emotional gab sich der amerikanische Vizepräsident Mike Pence in | |
seiner Rede. Er bekräftigte die Wichtigkeit, gegen den Iran zu agieren, und | |
rief alle Nationen, die versammelt waren, dazu auf, die USA darin zu | |
unterstützen. | |
„75 Jahre nach der Befreiung von Auschwitz stehe ich als deutscher | |
Präsident vor Ihnen allen, beladen mit großer historischer Schuld“, sagte | |
Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier. Er betonte seine Dankbarkeit für | |
„die ausgestreckte Hand der Überlebenden“ und „für das wieder erblühte | |
jüdische Leben in Deutschland“. | |
Die Geschichte habe die Deutschen jedoch nicht immun gegen antisemitisches, | |
völkisches und autoritäres Denken gemacht, sagte Steinmeier in Hinblick auf | |
antisemitische Vorfälle und den Anschlag in Halle im vergangenen Jahr und | |
schloss an: „Wir stehen an der Seite Israels.“ Steinmeier erntete langen | |
Applaus für seine Rede. Auch der französische Staatspräsident Emmanuel | |
Macron warnte vor erneut grassierendem Antisemitismus und Fremdenhass und | |
betonte, dass Antisemitismus nicht nur ein Problem der Juden sei, sondern | |
zunächst einmal das Problem der anderen. | |
## Putin würdigte die Leistungen der Roten Armee | |
Der russische Staatspräsident Wladimir Putin betonte die Leistungen der | |
Roten Armee bei der Befreiung vom Nationalsozialismus und bedauerte, dass | |
das Gedenken an die Shoah politisiert werde. Diese Kritik war ihm im | |
Vorfeld der Veranstaltung selbst entgegengebracht worden. | |
Viele Israelis befürchteten, dass das Forum zu einer Plattform für | |
staatspolitische Interessen werde. Auch innerhalb von Yad Vashem hat es | |
laut der Zeitung Ha’aretz Auseinandersetzungen darüber gegeben, ob die | |
Veranstaltung in der Gedenkstätte ausgetragen werden sollte. Sie solle, so | |
einige Stimmen, keine Veranstaltung ausrichten, die mit nationaler | |
Diplomatie oder prorussischen Interessen zu tun habe. | |
Organisator der Veranstaltung ist der russische Oligarch und Präsident des | |
Europäischen Jüdischen Kongresses, Moshe Kantor. Ihm wird nachgesagt, ein | |
guter Freund des russischen Präsidenten Wladimir Putin zu sein. | |
Auseinandersetzungen um die verschiedenen Narrative haben im Vorfeld des | |
Holocaust Forum zu Zerwürfnissen geführt. Ha’aretz sprach gar davon, dass | |
Israel „Stalins Handschlag mit Hitler“ reinwasche. Der polnische Präsident | |
Andrezj Duda hatte seine Teilnahme am Forum abgesagt, weil er im Gegensatz | |
zum russischen Präsidenten Putin nicht als Redner eingeladen worden war. | |
## Die Unterstützung von Putins Narrativ von israelischer Seite | |
Die Ankunft Wladimir Putins ist auch deshalb mit besonderer Aufmerksamkeit | |
aufgenommen worden, weil viele Israelis auf eine Freilassung der | |
26-jährigen Naama Issachar hoffen. Issachar sitzt wegen Cannabisbesitzes | |
von unter 10 Gramm mit einer ungewöhnlich hohen Gefängnisstrafe von | |
siebeneinhalb Jahren in russischer Haft. | |
In einem Treffen zwischen Ministerpräsident Netanjahu, Putin und der Mutter | |
von Naama, das vor den Feierlichkeiten in Jerusalem stattfand, kommentierte | |
Putin dies mit den Worten: „Alles wird gut sein.“ Die Freilassung könnte | |
allerdings, so vermuten israelische Medien, einen Preis haben: die | |
Unterstützung von israelischer Seite von Putins Narrativ über die russische | |
Rolle im Zweiten Weltkrieg und die Rückgabe von russischen Gebäuden in | |
Jerusalem. | |
Nach dem World Holocaust Forum in Yad Vashem werden zahlreiche der | |
Staatsoberhäupter zu den Feierlichkeiten anlässlich des Internationalen | |
Gedenktages an die Opfer des Holocausts am 27. Januar in die | |
KZ-Gedenkstätte Auschwitz-Birkenau weiterreisen. | |
23 Jan 2020 | |
## AUTOREN | |
Judith Poppe | |
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