# taz.de -- Kriegsverbrechen in Civitella und Distomo: Orte des Schreckens | |
> In italien und Griechenland rächten die Wehrmacht und SS gefallene | |
> deutsche Kameraden mit verbrecherischen Morden. Hunderte wurden | |
> hingerichtet. | |
Bild: Schreckliche Erinnerung: Gebeine der Toten von Distomo. | |
ROM taz | Als die deutschen Soldaten am 18. Juni 1944 in die Dorfkneipe von | |
Civitella, Val di Chiana, traten, zogen einige Partisanen sofort die Waffen | |
und erschossen drei Deutsche. Damit nahm die Tragödie des unweit von Arezzo | |
gelegenen malerischen toskanischen Bergdorfs seinen Lauf. | |
Der Kommandeur der Wehrmachtsdivision "Hermann Göring" verlangte in einem | |
auf 24 Stunden befristeten Ultimatum die Herausgabe der italienischen | |
Täter, ohne Erfolg. Doch dann nahm die Wehrmacht sich Zeit, wiegte die | |
Bewohner in Sicherheit, ließ wissen, die Strafaktion sei abgeblasen. Elf | |
Tage später schlugen die deutschen Truppen zu. | |
Hunderte Soldaten rückten am 29. Juni in Civitella ein, drangen in die | |
Häuser ein, schossen Alte, Frauen, Kinder nieder. In der Kirche fand gerade | |
die Messe zum Sankt-Peter-und-Paul-Feiertag statt. Einer nach dem anderen | |
wurden die Gläubigen per Genickschuss hingerichtet, dann die Kirche in | |
Brand gesteckt. 244 Menschen starben. | |
Erst im Jahr 2006 wurde der Unteroffizier Milde von einem italienischen | |
Gericht in Abwesenheit zu lebenslanger Haft verurteilt - und, gemeinsam mit | |
der Bundesrepublik Deutschland, zu einer Entschädigungszahlung von 780.000 | |
Euro. Das Massaker von Civitella ist nur eines der 695 von Wehrmacht und SS | |
in Italien verübten "Strafaktionen". | |
Mit gleicher Grausamkeit hatte die 4. SS-Polizei-Grenadierdivision nur | |
wenige Wochen zuvor, am 10. Juni 1944, im griechischen Distomo gewütet. | |
Außerhalb des Dorfes waren bei einem Gefecht mit Partisanen einige deutsche | |
Soldaten gefallen. Daraufhin ließ der SS-Kommandeur zunächst zwölf Bauern | |
erschießen. | |
Dann fielen die Soldaten in die Häuser ein, ermordeten alle, deren sie | |
habhaft werden konnten, schlitzten Schwangeren die Bäuche auf, zertraten | |
Säuglinge, trennten ihren Opfern die Köpfe ab oder stachen ihnen mit | |
Bajonetten die Augen aus. | |
SS-Kompaniechef Franz Lautenbach meldete in seinem Bericht: "Nachdem das | |
Dorf gesäubert war, wurden insgesamt 250 bis 300 tote Bandenangehörige und | |
Bandenverdächtige gezählt." Tatsächlich lag die Zahl der Opfer bei 218. | |
Kein einziger der deutschen Täter wurde je für den Massenmord verurteilt. | |
3 Feb 2012 | |
## AUTOREN | |
Michael Braun | |
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