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# taz.de -- 8. Tag Kongo-Kriegsverbrecherprozess: Ein gefährliches Spiel
> Bei der Vernehmung von Hans Romkema fordern die Verteidiger vergeblich
> Zwangsmittel, bevor sie den Zeugen für untauglich erklären. Der Zeuge
> will keine Namen nennen.
Bild: Der mutmaßliche Kriegsverbrecher Ignace Murwanashyaka im Oberlandesgeric…
STUTTGART taz | Ein Urteil im Stuttgarter Kriegsverbrecherprozess gegen
Ignace Murwanashyaka und Straton Musoni, Führer der im Kongo aktiven
ruandischen Miliz FDLR (Demokratische Kräfte zur Befreiung Ruandas), wird
noch auf sich warten lassen. Derweil hat die Verteidigung zum Abschluss des
Verhandlungstages am 1. Juni schon mal ein eigenes Urteil gefällt: Die
Angaben des niederländischen Zeugen Hans Romkema, international anerkannter
Experte zur FDLR und anderen bewaffneten Gruppen im Ostkongo und am 30. Mai
ausführlich zu seinen Erkenntnissen über die FDLR vernommen, seien nicht zu
gebrauchen.
Romkema habe in den zwei Tagen seiner Vernehmung "weitschweifig, ausufernd
und in der Regel an der Frage vorbei fabuliert", erklärte Murwanashyakas
Anwältin Ricarda Lang, nachdem der Zeuge am Abend entlassen worden war.
Seine Aussage sei "gekennzeichnet von Mutmaßungen und Schlussfolgerungen",
zu Vorgängen im Jahr 2009 habe er "keine eigenen Kenntnisse", er mache
"fast ausschließlich Angaben vom Hörensagen".
Wenn die Verteidiger die Möglichkeit dazu hätten, säße Romkema jetzt im
Gefängnis – zweimal beantragen sie gegen ihn Ordnungshaft, wahlweise
Ordnungsstrafe, weil er sich weigerte, einzelne kongolesische
Kontaktpersonen namentlich zu nennen. Der Vorsitzende Richter Hettich
lehnte dies mit dem Verweis auf die niederländische Staatsbürgerschaft des
Zeugen und vor allem auf sein Zeugnisverweigerungsrecht als Autor von
Veröffentlichungen ab.
Wohl ließ der Richter sich aber mehrfach auf Bitten der Verteidigung darauf
ein, den Zeugen selbst zu bitten, die Namen zu nennen, mit dem zusätzlichen
Hinweis, er sei nicht verpflichtet, die Frage zu beantworten. Was Romkema
dann auch nicht tat. In einem Fall nannte der Richter einen Namen dann
selbst, auf Grundlage des Protokolls der polizeilichen Vernehmung Romkemas
als Zeuge im November 2010.
## Unwürdiges Schauspiel
Abgelehnt wurde auch der Antrag, ein Notizbuch Romkemas und weitere
mitgebrachte Archivmaterialien zu beschlagnahmen, auf deren Grundlage
Romkema am Morgen des 1. Juni einige Lücken in seiner Aussage vom 30. Mai
vervollständigt hatte. Diese Anträge verraten immerhin, dass die
Verteidigung Romkema tatsächlich verfahrensrelevante Kenntnisse zubilligt;
sonst hätte sie kaum Zwangsmittel beantragt, um diese Kenntnisse genauer in
Erfahrung zu bringen.
Es war ein unwürdiges Schauspiel, das die Verteidigung an diesem Tag abgibt
- mit ständig wiederholten, teils privaten Fragen, zum Beispiel wer seine
Hochzeitsgäste waren und mit wem er zwischen den beiden Verhandlungstagen
in Stuttgart gesprochen habe; mit dem Herumhacken auf selbst aufgestellten,
durch nichts belegte Mutmaßungen wie die, Romkema habe während seiner
Arbeit im Kongo noch andere Geldgeber gehabt als seinen Arbeitgeber;
wichtige Gesprächspartner von ihm seien Geheimdienstmitarbeiter gewesen.
Die Verteidigung behauptete sogar, dass sich am Montag die
Prozessbeobachterin der ruandischen Botschaft von ihm mit "Küsschen"
verabschiedet habe - eine Unterstellung, die bei den anwesenden
Prozessbeobachtern große Heiterkeit auslöste. Der Niederländer, der im
Kongo schon ganz andere Dinge erlebt hat, blieb gelassen. "Das ist nicht
normal", wunderte er sich höchstens.
## Informanten in Gefahr
Aber hinter dem Disput darüber, ob Romkema die Personen aus dem Kongo, die
ihm Informationen gegeben oder Kontakte hergestellt haben, mit Namen nennen
muss, steckt ein grundsätzlicheres Problem: Während der Präsident und der
1. Vizepräsident der FDLR in Stuttgart auf der Anklagebank sitzen, kämpft
und mordet ihre Organisation im Kongo weiter und stellt eine Bedrohung dar.
"Ich möchte hier nicht die Namen von Kongolesen nennen, die nicht gut
beschützt werden können", sagte Romkema.
Die Anwälte wollen ihn trotzdem dazu zwingen, um die Glaubwürdigkeit der
Informanten und damit der Zeugenaussage einschätzen zu können. Wie sie das
hätten machen wollen, bleibt allerdings ihr Geheimnis. Und sie nehmen
dadurch in Kauf, dass Menschen in Gefahr geraten könnten. Was in Stuttgart
Verteidigungsstrategie ist, kann im Kongo tödlich enden.
2 Jun 2011
## AUTOREN
Dominic Johnson
## TAGS
Schwerpunkt Kongo-Kriegsverbrecherprozess
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