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# taz.de -- Rechte Literatur in der „Zeit“: Bislang stand die Brandmauer
> „Die Zeit“ gesteht dem rechtsradikalen Autor Volker Zierke „Ambivalenze…
> zu. Dabei entstammt dessen Taktik dem Lehrbuch neurechter
> Literaturpolitik.
Bild: Protest gegen die rechte Buchmesse „Seitenwechsel“ in Halle
Vor einem Monat fand in Halle (Saale) [1][die rechte Buchmesse mit dem
euphemistischen Namen „Seitenwechsel“] statt. In der Messehalle am
Stadtrand trafen sich unterschiedliche AkteurInnen, eingeladen von Susanne
Dagen, Buchhändlerin und Verlegerin aus Dresden. Zentrales Anliegen von
Dagen und ihrer Messe war die Vernetzung der rechten und rechtsradikalen
Szene über alle internen Auseinandersetzungen hinweg.
Angelehnt an die politische Theorie des neurechten Vordenkers Götz
Kubitschek sollte hier der vorpolitische Raum stärker noch mit Themen der
Neuen Rechten besetzt und von ihnen genutzt werden. Teil von Kubitscheks
Konzept ist es, immer wieder neue Räume zu öffnen, Diskursfelder zu weiten
und der eigenen Politik damit weitere Handlungsfelder zu ermöglichen.
Vier Wochen später, am 7. Dezember, stellte die Zeit online den Roman
„Herrengedeck“ von Volker Zierke [2][in den Mittelpunkt eines Texts.] Der
Roman erscheint im rechten Jungeuropa Verlag, der sich mit seinem Programm
an eine junge, faschismusaffine Klientel richtet. Unter den weiteren
AutorInnen des Verlages befindet sich auch der Rechtsextremist Martin
Sellner.
Rezensieren tut die Zeit-Redakteurin Mariam Lau den Roman dabei weniger,
vor allem gibt sie den Inhalt wieder und beschäftigt sich ansonsten
ausführlich mit dem Autor, Volker Zierke. Sachliche Kritik an Text, Form,
Sprache oder den literarischen Mitteln des Autors fehlt.
Dennoch bemüht um einen literarischen Vergleich, bringt Lau den Text von
Zierke in die Nähe der sogenannten Popliteratur à la [3][Christian Kracht.]
Dabei ist Kracht für die Neue Rechte eine wichtige Figur, insbesondere sein
Roman „Faserland“. Kontinuierlich sind sie darum bemüht, die Behauptung zu
etablieren, Krachts Roman sei eigentlich rechts. Wichtiger als eine genaue
Lektüre ist ihnen dabei, die Nähe zu etablierten literarischen Werken zu
suchen, um die eigene Position dadurch zu legitimieren.
Ob Lau in ihrer Rezension an den Roman „Faserland“ oder an „Imperium“
gedacht hat, bleibt ungeklärt. Genauigkeit im Umgang mit Zierkes Text lässt
sie missen. Der für Lau überraschendste Moment im Roman, so erfahren wir,
ist eine Liebesgeschichte, „mit einer streng katholischen Französin namens
Idylle (…). Offenheit für diese Art von ambivalenten Gefühlen, die von
Sehnsucht über Verachtung oder sogar einer Art Geschwisterlichkeit mit
einer Frau reichen, findet man in Texten der Neuen Rechten nicht sehr oft.“
Wie Lau zu dieser Annahme kommt oder woran sie die „Geschwisterlichkeit“ im
Text festmacht, bleibt unerklärt.
## Angebliche Ambivalenz
Lau bescheinigt Zierke ein „Faible für Ambivalenz“, unter anderem deswegen,
weil der sich im Telefonat mit ihr von [4][den „Triumphgesängen” der
Jung-AfD „Generation Deutschland”] unbeeindruckt zeigt. In seinen
Positionen ist Zierke jedoch ungleich radikaler als die Jung-AfD, und eben
dieser Richtungsstreit ist Thema seines Romans: Sein Protagonist arbeitet
im AfD-Milieu, ist aber frustriert davon, dass die Partei nicht radikal
genug ist.
Lau bezieht sich in ihrem Text immer wieder auf dieses Telefonat mit
Zierke. Darin jedoch scheint er sich mehr zur Zukunft der (Jung-)AfD
geäußert zu haben, als zu seinem Roman. „Auf viele mögen die Reden und
Slogans des Gründungsparteitags bedrohlich radikal gewirkt haben“, schreibt
Lau. „Für Zierke waren da eine Menge Floskeln, die mühsam verbergen
sollten, dass es hier für die Mutterpartei schlicht darum ging, einen
Jugendverband besser unter Kontrolle zu bekommen. Trotzdem seien ‚einige
gute Leute‘ nun gewählt worden, sodass er ‚verhalten optimistisch‘ in die
Zukunft blicke.“
Warum sich Mariam Lau so sehr für die wenig überraschende Positionierung
eines rechtsradikalen Autors interessiert, bleibt unklar. Eingeordnet
werden Zierkes Zitate, etwa, dass es eine Verflachung rechter Politik
aufgrund des Fokus auf Migration gebe, von Lau nicht. Nicht verständlich
bleibt, warum sie Zierke vorstellt, als wäre er ein interessanter Kandidat
für ein Porträt und nicht Posterboy einer Strömung innerhalb der neurechten
Literatur.
Dabei ist er mitnichten der Erste, der es auf diese Tour versucht.
Sebastian Schwaerzel zum Beispiel hat ein einfühlsames Buch über die Leiden
eines bemitleidenswerten Incels geschrieben. Nur streitet dieser öffentlich
ab, rechtsradikal zu sein, was Zierke nicht tut. Er steht der
rechtsextremen Identitären Bewegung nahe, war in der Vergangenheit
Regionalleiter des Landesverbands Schleswig-Holstein und arbeitet im Umfeld
von Björn Höcke für die AfD.
## Anschlussfähigkeit ist Strategie
Bei der Lektüre von Laus Text entsteht der Eindruck, „Herrengedeck“ sei ein
Buch eines Rechtsextremen, das zufällig auch für Nichtrechte interessant
ist. Lau schreibt, es sei „erstaunlich“ und „verblüffend“, dass aus di…
Milieu solche Stimmen zu hören sind. Dabei ist eben diese vermeintlich
niedrigschwellige Anschlussfähigkeit Strategie.
Liest man Laus Text, so könnte man denken, es habe die Auseinandersetzungen
zum öffentlichen Umgang mit Rechtsradikalen der letzten zwölf Jahre nicht
gegeben. Sie macht damit unfreiwillig auf eine Freistelle aufmerksam. Die
bisherigen Versuche, den Literaturbetrieb von rechts zu
instrumentalisieren, sind weitestgehend gescheitert. Wenn auf den
Buchmessen rechte Verlege ihre Stände aufbauen, geschieht dies nicht ohne
Protest und Widerspruch.
Rechte AkteurInnen konnten in dieser Branche bislang nicht so ungestört
wirken wie in anderen gesellschaftlichen Bereichen. Die Brandmauer steht.
Das war auch in Halle (Saale) während der rechten Buchmesse „Seitenwechsel“
zu beobachten. Die Messe fand zwar statt, allerdings am Stadtrand. [5][Im
Stadtzentrum fand zur selben Zeit das Wir-Festival statt.]
Es lohnt sich, eben diese Versuche der Raumnahme von rechts genau zu
betrachten. Weniger die Inhalte der Texte und Romane sind dabei relevant,
vielmehr die Geste des Rezipierens, Besprechens und Verbreitens. Bücher wie
„Herrengedeck“ zu lesen, kann aufschlussreich sein, braucht aber eine
entsprechende Einbindung.
Die beiden Autoren dieses Artikels hatten das große Glück, dass ihre Romane
in der Zeit besprochen wurden. Kritiken in großen Zeitungen schlagen sich
in verkauften Büchern nieder. Sie sichern das Leben von AutorInnen und
schaffen und verstärken die gesellschaftliche Relevanz der jeweiligen
Verlage.
Umso schlimmer ist es, wenn einer dieser Plätze bewusst genutzt wird, um
ohne weitere Einordnung ein Werk aus der neuen Rechten vorzustellen. Wurde
vormals vor allem Musik genutzt, um sich neue soziale Räume zu erschließen,
öffnet Mariam Lau so der rechten Literatur nun die Tür zur breiten
Öffentlichkeit. Verlag und Autor Zierke werden sich fortan damit schmücken,
dass die Zeit sie als „ambivalent“ bezeichnet und mit literarischen
Schwergewichten wie Bukowski, Kracht und Hunter S. Thompson vergleicht.
Egal, ob das Buch positiv oder negativ besprochen worden wäre, integriert
die Zeit mit dieser Rezension die Neue Rechte ein Stück weiter in die
gesellschaftliche Mitte.
12 Dec 2025
## LINKS
[1] /Rechte-Buchmesse-Seitenwechsel/!6124393
[2] https://www.zeit.de/politik/deutschland/2025-12/herrengedeck-volker-zierke-…
[3] /Neuer-Roman-Air-von-Christian-Kracht/!6071798
[4] /Neu-AfD-Jugendorganisation/!6134134
[5] /Protest-gegen-rechte-Buchmesse/!6127682
## AUTOREN
Clemens Böckmann
Domenico Müllensiefen
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Schwerpunkt Frankfurter Buchmesse
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