| # taz.de -- Jüdisches Krankenhaus Berlin: Nach über 260 Jahren insolvent | |
| > Deutschlands einziger jüdischer Klinik droht das Aus, sollte sich nicht | |
| > ein neuer Partner finden. Verdi fordert, dass das Land Berlin einspringt. | |
| Bild: Berliner Institution in Gefahr: Das Jüdische Krankenhaus im Ortsteil Ges… | |
| Das Ringen um die Zukunft des Jüdischen Krankenhauses (JKB) in | |
| Berlin-Gesundbrunnen geht weiter. Die Senatsverwaltung für Gesundheit und | |
| Pflege teilte am Dienstag mit, man stehe in „intensivem Austausch“ und | |
| unterstütze das JKB, „auch in Zukunft für die medizinische Versorgung | |
| seiner Patientinnen und Patienten da zu sein“. Während das JKB weiterhin | |
| nach einem Träger sucht, der das Haus übernimmt, fordern Linke und | |
| Gewerkschaften, der Senat solle das JKB in die Charité eingliedern. | |
| [1][Nach Monaten finanzieller Schieflage] stellte die Geschäftsführung am | |
| vergangenen Donnerstag einen Insolvenzantrag. „Die strukturellen | |
| Veränderungen im Zuge der Krankenhausreform treffen auf eine insgesamt | |
| angespannte wirtschaftliche Lage, aus der wir uns nur mit rechtlichen | |
| Werkzeugen und Unterstützung von außen lösen können“, teilte Brit Ismer, | |
| Vorstandsvorsitzende des JKB, in einer Pressemitteilung am Freitag mit. | |
| Weder die Patientenversorgung noch die Lohnzahlungen würden durch das | |
| Verfahren beeinträchtigt. | |
| Die Ursachen für die wirtschaftlichen Probleme sind vielfältig. Ein | |
| Hauptgrund ist allerdings die ständige Unterfinanzierung der Krankenhäuser | |
| durch das Land. Besonders bei den Investitionsmitteln, für die laut | |
| Krankenhausfinanzierungsgesetz die Länder verantwortlich sind, knausert | |
| Berlin seit Jahren. | |
| [2][Laut Berechnungen der Berliner Krankenhausgesellschaft] liegt der | |
| Investitionsbedarf aller Krankenhäuser bei jährlich 500 Millionen Euro, im | |
| aktuellen Haushalt sind allerdings nur 160 Millionen eingeplant. Die Lücke | |
| schließen die Kliniken selbst. „Geld wird aus dem Betrieb abgezweigt und | |
| für Investitionen genutzt“, sagt Tobias Schulze, gesundheitspolitischer | |
| Sprecher der Linken. | |
| So auch beim JKB. Die Kosten für den 60 Millionen teuren Neubau des | |
| Bettenhauses musste die Klinik über ein eigenes Darlehen finanzieren, | |
| dessen Raten aus den Einnahmen des laufenden Betriebs finanziert werden | |
| sollten. Die Eröffnung des Neubaus war eigentlich für September geplant, | |
| doch ein Wasserschaden verzögert die Eröffnung auf unbestimmte Zeit. Die | |
| Einnahmeausfälle trugen dazu bei, dass das JKB seine | |
| Zahlungsverpflichtungen nicht mehr bedienen konnte. | |
| Denn auch die Einnahmen aus dem laufenden Krankenhausbetrieb sind gesunken. | |
| Inflation und Tarifsteigerungen seien in den Fallpauschalen, nach denen | |
| Behandlungsleistungen der Krankenhäuser vergütet werden, nur mit | |
| Verzögerung berücksichtigt, kritisiert Verdi-Gewerkschaftssekretärin Gisela | |
| Neunhöffer. Gerade kleinere und mittelgroße Häuser wie das JKB seien nicht | |
| mehr in der Lage, die Unterfinanzierung auszugleichen. | |
| „Es ist eine politisch erzeugte Krise“, kritisiert Neunhöffer. Im Zuge der | |
| Krankenhausreform, die 2027 in Kraft tritt, sei es gewollt, dass kleinere | |
| Häuser schließen oder sich zu größeren Verbünden zusammenschließen. Mit d… | |
| Reform soll die Zahl der Standorte reduziert, aber die Qualität der | |
| Versorgung durch Spezialisierung gesteigert werden. Mit der | |
| Unterfinanzierung forcierten Länder und Bund schon die Umstrukturierung, | |
| ohne dass die Reform überhaupt in Kraft getreten ist und ohne dass eine | |
| bedarfsgerechte Planung überhaupt vorliege, kritisiert Neunhöffer. | |
| Auch das JKB würde als kleines Kiezkrankenhaus mit breit gefächertem | |
| Angebot eher zu den Verlierer:innen der Reform gehören. Deshalb schaut | |
| sich das Management schon seit vergangenen Monat nach einem Partner um, der | |
| beim JKB einsteigt. | |
| Infrage kämen neben privaten Klinikkonzernen auch kirchliche Träger. | |
| Derzeit wird das JKB von einer Stiftung betrieben, in deren Satzung die | |
| Gemeinnützigkeit vorgesehen ist. Eine Übernahme durch einen kirchlichen | |
| Träger würde auch [3][eine Einschränkung des Streikrechts] bedeuten. „Ein | |
| Verkauf an einen privaten Träger wäre vermutlich mit einer teilweisen oder | |
| vollständigen Abwicklung verbunden“, fürchtet Schulze von der Linkspartei. | |
| Eine dritte Variante, für die sich sowohl die Linke als auch Verdi | |
| einsetzen, ist die Fusion mit der landeseigenen Universitätsklinik Charité. | |
| „Es muss ein Partner gefunden werden, der dem Haus den Rücken stärkt“, so | |
| Schulze. Unter kommunaler Trägerschaft hätte das JKB wieder Vertrauen bei | |
| den Banken und ließe sich nicht durch unvorhergesehene Ereignisse wie den | |
| Wasserschaden aus der Bahn bringen. Auch könnten in einem Verbund mit der | |
| Charité die nötigen Weichen für die anstehende Krankenhausreform gestellt | |
| werden. | |
| Egal welche Lösung gefunden wird, die jüdische Identität der über 260 Jahre | |
| alten Institution müsse erhalten bleiben, fordert Silke Gebel, | |
| gesundheitspolitische Sprecherin der Grünen. Darüber hinaus müsse „die | |
| Senatsverwaltung die Versorgungsseite im Blick behalten“. Erst Anfang des | |
| Jahres kündigte das Deutsche Rote Kreuz das Ende seines Standortes in Mitte | |
| an, mit dem Wegfall des JKB als Krankenhausstandortes bliebe in der Nähe | |
| nur die Charité. | |
| 9 Dec 2025 | |
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| ## AUTOREN | |
| Jonas Wahmkow | |
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