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# taz.de -- Weihnachtsfrieden im 1. Weltkrieg: Als deutsche und britische Solda…
> Es war ein Moment ohne Happy End. Trotzdem erinnert der 24. Dezember 1914
> daran, dass auch im unmenschlichen System menschliche Momente möglich
> sind.
Bild: Eine Gruppe deutscher Soldaten mit zwei Engländern in Belgien, Weihnacht…
Vier Monate war der Erste Weltkrieg im Dezember 1914 alt. Was als schneller
Feldzug geplant war, hatte sich in einen Stellungskrieg verwandelt.
Schlamm, Kälte, Läuse, Ratten. Hunderttausende Tote. Und dann, in der Nacht
zum 25. Dezember, geschah etwas, das nicht vorgesehen war. An mehreren
Abschnitten der Westfront begannen deutsche Soldaten Weihnachtslieder zu
singen.
„Stille Nacht“ hallte über das Niemandsland. Britische Soldaten antworteten
– mit eigenen Liedern. Kerzen wurden auf die Schützengräben gestellt,
kleine Tannenbäume hochgezogen. Schließlich wagten sich Männer aus den
Gräben, zögernd zuerst. Man traf sich zwischen den Linien, reichte sich die
Hand, tauschte Zigaretten, Schokolade, Knöpfe, Abzeichen. Es wurde Fußball
gespielt.
Der sogenannte Weihnachtsfrieden von 1914 dauerte nicht lange. Mancherorts
nur Stunden, andernorts ein, zwei Tage. Schon bald griffen Offiziere ein,
der Krieg ging weiter und dauerte vier Jahre. Und doch ist dieser Moment
geblieben. Als Wunder. Als Störung. Denn der Weihnachtsfrieden war kein
Befehl von oben, sondern das Ergebnis einer spontanen, stillen Übereinkunft
von Menschen, die einander eigentlich töten sollten – und es [1][für einen
Augenblick nicht mehr taten.]
[2][Feindschaft] ist kein Naturzustand. Sie muss hergestellt werden. Der
Krieg von 1914 beruhte auf nationalistischen Erzählungen, auf Propaganda,
auf der systematischen Entmenschlichung des Gegners. Aber als die Soldaten
einander sahen – nicht als Silhouetten im Nebel, sondern als Männer mit
Gesichtern, Stimmen, Akzenten –, verlor der Feind seine Abstraktion.
Der Weihnachtsfrieden war kein Wendepunkt, sondern eine Ausnahme. Gerade
deshalb eignet er sich schlecht für sentimentale Verklärung. Er beweist
nicht, dass „[3][der Mensch im Grunde gut]“ ist. Autoren wie Rutger Bregman
haben ihn als Beleg für die soziale und kooperative Grundanlage des
Menschen gelesen. Das ist nicht falsch. Aber es greift zu kurz. Denn der
Weihnachtsfrieden zeigt vor allem, wie machtlos selbst starke moralische
Impulse bleiben können, wenn die politischen, militärischen und
ökonomischen Bedingungen unverändert sind.
Die Männer, die sich im Niemandsland die Hand gaben, wurden wenige Tage
später wieder gezwungen, aufeinander zu schießen. Der Weihnachtsfrieden war
ein menschlicher Moment in einem unmenschlichen System – und daran zerbrach
er. Er war ein Innehalten, ein kurzer Bruch mit der Logik, dass Gewalt
zwangsläufig mit Gegengewalt beantwortet werden müsse.
Wer heute über Kriege, Terror, geopolitische Rivalitäten oder
gesellschaftliche Polarisierung spricht, kennt meist nur zwei Modi:
Empörung oder Parteinahme. Dazwischen scheint kaum Platz. Der
Weihnachtsfrieden erinnert daran, dass es Momente geben kann, in denen
diese Logik ausgesetzt wird. Deshalb war dieser Moment für die
militärischen Führungen auch so gefährlich: Er stellte die Erzählung vom
notwendigen, alternativlosen Töten infrage. Ein Soldat, der den Feind als
Menschen erkennt, ist kein verlässliches Instrument mehr.
Der Weihnachtsfrieden von 1914 hatte kein Happy End. Aber er hat gezeigt,
dass es selbst in extremen Situationen Spielräume gibt. Sie sind klein,
fragil und oft nur kurz offen – aber sie existieren. [4][Frieden] beginnt
nicht mit großen Verträgen, sondern mit der Weigerung, den anderen zum
Feind zu erklären.
24 Dec 2025
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## AUTOREN
Matthias Kalle
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Deutscher Film
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