Introduction
Introduction Statistics Contact Development Disclaimer Help
# taz.de -- Amazon-Beschäftigte warnen vor KI: Stürmt die Maschinen!
> Amazons halsbrecherische Entwicklung von KI ist gefährlich, sagen
> Beschäftigte. Der Widerspruch zeigt: Wir müssen nicht jede Innovation
> akzeptieren.
Bild: Das inzwischen geschlossene Amazon-Logistikzentrum in Brieselang
Spätestens wenn die Entwickler:innen künstlicher Intelligenz vor ihrem
eigenen Produkt warnen, sollte man aufhorchen. [1][In einem offenen Brief
fordern über 1.100 Amazon-Beschäftigte ihren Arbeitgeber zu einem radikalen
Kurswechsel in der KI-Entwicklung auf.] Es sind diejenigen, die für Amazon
künstliche Intelligenz entwickeln, trainieren und nutzen.
„Wir sind überzeugt, dass die überstürzte Entwicklung von KI um jeden Preis
immensen Schaden an unserer Demokratie, unseren Jobs und unserer Erde
anrichten wird“, schreiben die Verfasser:innen des Briefes.
Der Bau von immer mehr Rechenzentren, die Unmengen an Strom und Wasser
verbrauchen, habe dazu geführt, dass Amazon seine Ambition, klimaneutral zu
werden, de facto aufgeben habe.
Auch werde die Technologie zunehmend für moralisch fragwürdige Zwecke
eingesetzt: Massenüberwachung, autonome Waffensysteme oder Trumps
Abschiebewahn. So läuft die [2][umstrittene Polizei-KI Palantir, mit der
die US-Immigrationsbehörde ICE „illegale“ Migranten identifiziert], auf
Servern von Amazons Cloud-Sparte AWS.
## Ein Aufbegehren von denen, die KI entwickeln
Klar: Dass nun auch gut bezahlte Amazon-Entwickler:innen die
schwerwiegendsten Kritikpunkte an der vermeintlichen Wundertechnologie
teilen, mag vor allem daran liegen, dass sie sich in ihren eigenen Jobs
bedroht sehen.
[3][Erst Ende Oktober kündigte Amazon an, weltweit 14.000 Jobs zu
streichen, mit der Begründung, dass KI mittlerweile viele Programmier- und
Wissensaufgaben übernehmen könne. ]
Aber das Aufbegehren der Amazon-Beschäftigten ist gerade deshalb
bemerkenswert, weil sie nicht nur persönlich vom Einsatz der Technologie
betroffen sind, sondern auch an ihrer Entwicklung mitwirken.
## Arbeiter:innen müssen sich der Innovation nicht ergeben
Große Tech-Unternehmen verbreiten gerne den Mythos, dass der Siegesmarsch
von KI unausweichlich sei. Uns bleibe also nichts anderes übrig, als immer
mehr Daten zu sammeln, Rechenzentren zu bauen, KI bei unserer Arbeit zu
nutzen und KI-generierte Inhalte zu konsumieren. Wer das nicht wahrhaben
will, sei von vorgestern und klammere sich vergeblich an die Vergangenheit.
Dabei wird der KI-Boom vor allem vom enthemmten Profitstreben der
Tech-Konzerne getrieben. [4][Denn KI ersetzt keine Arbeitskraft, sondern
lagert sie nur aus.] Die Arbeitskraft, die in Form von Daten, Medien oder
schnöder Klickarbeit in das Training der KI-Modelle fließt, bezahlen die
Tech-Riesen oft gar nicht oder nur schlecht. [5][So trainierte
Facebook-Mutterkonzern Meta seine KI mit Millionen raubkopierter Bücher.
Die Autor:innen sahen bislang noch keinen Cent.]
Aber Arbeiter:innen sind diesen Entwicklungen nicht hilflos
ausgeliefert. Sie müssen nicht jede technologische Innovation akzeptieren
oder gar mitentwickeln, die der Abwertung ihrer eigenen Arbeitskraft dient
und dazu noch gesellschaftlichen Schaden anrichtet.
## Das vermeintlich Unausweichliche in Frage stellen
In diesem Sinne könnten sich die Amazon-Beschäftigten sogar ein
historisches Vorbild nehmen. Anfang des 19. Jahrhunderts griffen Handwerker
in England gezielt Baumwollspinnereien an. Indem sie die industriellen
Webstühle zerstörten, wehrten sie sich gegen die Herabwertung ihrer Arbeit
von fachkundigem Handwerk zur austauschbaren Fabriktätigkeit. Benannt nach
ihrem fiktiven Anführer Ned Ludd, verstanden die Ludditen die soziale und
politische Dimension des technischen Fortschritts. Wichtiger noch, sie
wagten es, dessen Unausweichlichkeit infrage zu stellen.
[6][Tech-Kritiker wie der US-amerikanische Journalist Bryan Merchant
fordern daher, auch heute wieder mehr Luddismus zu wagen]. Das bedeutet
keineswegs, dass Amazon-Arbeiter:innen KI-Rechenzentren anzünden sollen.
Vielmehr ist damit ein selbstbestimmter Umgang mit Technologie gemeint: Was
brauchen wir als Arbeiter:innen und Gesellschaft wirklich? Was lehnen
wir ab?
Die Forderungen des offenen Briefes sind ein guter Anfang: Datenzentren
sollen nur dort gebaut werden, wo sie ökologisch verträglich sind, der
Einsatz von KI soll durch die Beschäftigten-Räte bestimmt und Algorithmen
nicht für Gewalt, Überwachung und Massenabschiebungen eingesetzt werden.
Statt blind dem KI-Hype hinterherzulaufen, könnte auch die Politik eine
gute Dosis Luddismus gebrauchen: [7][Nicht jedes Rechenzentrum, das so viel
Strom wie eine Kleinstadt verbraucht, muss genehmigt werden.] Strenge
Regulierung kann den sozialverträglichen Einsatz von KI-Technologien
fördern. Nicht zuletzt bleibt der effektivste Weg, um Missbrauch zu
verhindern, Tech-Unternehmen zu zerschlagen und die IT-Infrastruktur zu
vergesellschaften.
5 Dec 2025
## LINKS
[1] https://www.amazonclimatejustice.org/open-letter
[2] https://www.washingtonpost.com/technology/2025/12/03/palantir-immigration-i…
[3] /Amazon-streicht-14000-Jobs/!6124998
[4] /Streik-bei-TikTok-in-Berlin/!6111637
[5] https://www.theguardian.com/books/2025/apr/03/meta-has-stolen-books-authors…
[6] https://thebulletin.org/2023/10/rage-against-the-machine-owners-luddite-les…
[7] /Boom-der-Serverfarmen/!6099850
## AUTOREN
Jonas Wahmkow
## TAGS
Schwerpunkt Künstliche Intelligenz
Arbeitskampf
Big Tech
Amazon
Klimaschutzziele
GNS
Black Friday
Onlinehandel
Schwerpunkt USA unter Trump
Schwerpunkt Künstliche Intelligenz
## ARTIKEL ZUM THEMA
Amazon-Lager in Erfurt: Der tote Mitarbeiter
Mitte November bricht in einem Amazon-Lager in Erfurt ein Mitarbeiter
zusammen und stirbt. Verdi gibt dem Konzern eine Mitschuld, der wiegelt ab.
Weltgrößter Online-Händler: Amazon streicht 14.000 Jobs
Amazon streicht rund 14.000 Arbeitsplätze in der Verwaltung. Das
Unternehmen erklärte den Abbau mit Änderungen in der Organisation.
Dobrindts Flirt mit Palantir: Eine Software für den autoritären Umbau
Innenminister Alexander Dobrindt überlegt, die US-Software Palantir in
Deutschland einzusetzen. Das ist ein Überwachungstool rechter
Tech-Oligarchen.
Prognose zu KI und Stromverbrauch: Der Energiefresser
Eigentlich soll Künstliche Intelligenz das Leben der Menschen erleichtern.
Doch der große Stromhunger macht KI auch zum potenziellen Klima-Killer.
You are viewing proxied material from taz.de. The copyright of proxied material belongs to its original authors. Any comments or complaints in relation to proxied material should be directed to the original authors of the content concerned. Please see the disclaimer for more details.