| # taz.de -- Debatte im Berliner Abgeordnetenhaus: Abschied vom Rechtsstaat? | |
| > Für Grüne und Linke öffnet das neue Polizeigesetz die Tür zum | |
| > Überwachungsstaat. CDU und SPD hingegen halten erweiterte Kompetenzen für | |
| > unabdingbar. | |
| Bild: Polizeibeamte laufen am Kottbusser Tor in Berlin-Kreuzberg zu einer Perso… | |
| Überwachungsstaat versus nötige Anpassung an neue Bedrohungen und | |
| Möglichkeiten: Weit, sehr weit sind am Donnerstag im Abgeordnetenhaus die | |
| Einschätzungen zum überarbeiteten Polizeigesetz auseinandergegangen. Wo die | |
| CDU fragte, wer das eigentlich ernstlich ablehnen könne, sahen Grüne und | |
| Linkspartei quasi das Tor zur Überwachungshölle geöffnet. Nach kontroverser | |
| Debatte ist der seit Monaten diskutierte Gesetzesentwurf nun mit Stimmen | |
| von CDU und SPD beschlossen – und jenen der AfD, die sich noch mehr | |
| Möglichkeiten zur Kriminalitätsbekämpfung wünschte. | |
| Bei der Neufassung des Polizeigesetzes geht es um erweiterte Befugnisse zur | |
| Kommunikationsüberwachung, dauerhafte Videoüberwachung an Orten, die als | |
| kriminalitätsbelastet eingestuft sind, den Einsatz künstlicher Intelligenz, | |
| längere Speicherung von Videomaterial aus U-Bahnhöfen und größeren Schutz | |
| von Frauen vor häuslicher Gewalt. Die Änderungen gegenüber der bisherigen | |
| Fassung des Polizeigesetzes, die zum Jahresbeginn 2026 in Kraft treten, | |
| umfassen 750 Seiten. | |
| Für Martin Matz, den innenpolitischen Sprecher der SPD-Fraktion, bekommt | |
| die Polizei nun „zeitgemäße Instrumente an die Hand, um mit den Aufgaben | |
| unserer Zeit umgehen zu können“. Zwei Dinge schloss er für die Arbeit der | |
| Berliner Polizei ausdrücklich aus: eine biometrische Fernidentifizierung in | |
| Echtzeit und den Einsatz der umstrittenen Ermittlungssoftware Palantir. | |
| Letztere ist bei der nordrhein-westfälischen Polizei bereits im Einsatz. | |
| CDU-Innenexperte Burkard Dregger hält moderne Instrumente für unabdingbar, | |
| um Gefahren durch Terrorismus und organisierte Kriminalität begegnen zu | |
| können. „Wir haben die Pflicht, unsere Demokratie wehrhaft zu machen“, | |
| sagte er. Mache man das nicht, werde das Vertrauen in die Demokratie | |
| erschüttert. | |
| ## Innensenatorin Spranger nimmt nicht an Debatte teil | |
| Nicht im Plenarsaal ist bei der Debatte die zuständige Innensenatorin Iris | |
| Spranger (SPD), [1][die den Gesetzentwurf bei seiner ersten Lesung im Juli] | |
| „das sicherheitspolitische Kernstück dieser Koalition“ nannte. Grüne, | |
| Linkspartei und AfD kritisieren, dass Spranger stattdessen beim Treffen der | |
| 16 Landesinnenminister in Bremen ist. Dort geht es allerdings auch um | |
| gewichtige Dinge – und Spranger gilt nicht als eine, die sich vor einer | |
| Debatte im Abgeordnetenhaus drücken würde. | |
| An Sprangers Stelle redet Bausenator Christian Gaebler (SPD) für die | |
| Landesregierung. Der hat allerdings durchaus eine prägende Verbindung zum | |
| Thema Bedrohung: Gaebler war 2016 gerade Staatssekretär in der | |
| Senatsverwaltung für Inneres und Sport geworden, als beim Anschlag auf den | |
| Weihnachtsmarkt am Breitscheidplatz 13 Menschen starben und seine Behörde | |
| im Fokus stand. | |
| Die Polizei könne jetzt besser gegen Terrorismus und organisierte | |
| Kriminalität vorgehen, sagte Gaebler, Frauen würden besser vor häuslicher | |
| Gewalt geschützt. „Es geht nicht um einen übergriffigen Staat, sondern um | |
| den Schutz vor übergriffigen Gewalttätern.“ | |
| ## Heftige Kritik von Grünen und Linkspartei | |
| Die oppositionellen Grünen und Linken folgten dieser Argumentation nicht. | |
| Für den Grünen-Abgeordneten Vasili Franco legen CDU und SPD „die Axt an das | |
| Prinzip der Verhältnismäßigkeit“. Wer so ein Gesetz beschließe, „der | |
| verabschiedet sich vom Rechtsstaat, sagte Franco. Anders als vom SPDler | |
| Matz zugesichert, vermutet er, dass die Polizei doch mit der kritisierten | |
| Palantir-Software arbeiten könnte. Und sein Kollege Niklas Schrader von der | |
| Linkspartei warf der Koalition vor, sie gehe [2][an die Grenzen des | |
| verfassungsrechtlich Möglichen] „und manchmal auch darüber hinaus“. | |
| Matz hat in seiner Rede zugesichert, dass die Koalition auch nach dem | |
| Gesetzesbeschluss an dem Thema dranbleiben will: Man werde schauen, ob die | |
| Änderungen als Leitplanken funktionieren oder vielleicht nochmal angepasst | |
| werden müssten. „Dann würden wir das auch machen.“ | |
| 8 Dec 2025 | |
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| ## AUTOREN | |
| Stefan Alberti | |
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