| # taz.de -- Blackfacing im Hamburger Schauspielhaus: Eklat beim Theaterjubiläum | |
| > Im Hamburger Schauspielhaus wurden Fotos von Blackfaces gezeigt. Es gab | |
| > Kritik, Kritik an der Kritik und eine Entschuldigung. | |
| Bild: Aufnahmen „nicht angemessen kontextualisiert“: Hamburger Schauspielha… | |
| Das Hamburger Schauspielhaus hatte bei der Geburtstagsgala zum 125-jährigen | |
| Bestehen des Theaters im November auf eine große Leinwand Aufnahmen alter | |
| Inszenierungen projiziert: Gustaf Gründgens als „Faust“, Ausschnitte aus | |
| Frank Castorfs „Raststätte“ und: Fotos der weißen Schauspieler Ulrich | |
| Wildgruber und Alexander Scheer, mit schwarzer Farbe angemalt in „Othello“. | |
| [1][Sogenanntes Blackfacing ist tief verankert in der Theatertradition]. | |
| Ursprünglich kommt es aus Minstrel-Shows des 19. Jahrhunderts. Das Prinzip: | |
| weiße Schauspieler*innen karikieren Schwarze Menschen, indem sie sich | |
| als Schwarze Menschen „verkleiden“ und zumeist stereotype, | |
| entmenschlichende Schwarze Figuren spielen. | |
| In einer größtenteils weißen Theaterlandschaft wurde Blackfacing auch mit | |
| dem Argument genutzt, Schwarze Rollen besetzen zu können, ohne Schwarze | |
| Schauspieler*innen einstellen zu müssen. Diese rassistische Praxis wird | |
| seit Jahrzehnten problematisiert. | |
| Entsprechend groß war die Kritik im Anschluss der Veranstaltung im | |
| Hamburger Schauspielhaus. „Das Schauspielhaus Hamburg ist richtig stolz auf | |
| sein Blackfacing“, postete zum Beispiel die Schwarze [2][Regisseurin und | |
| Schauspielerin Isabelle Redfern]. | |
| ## Wohl nicht rassistisch gemeint | |
| Die Aufnahmen, um die es geht, entstanden während zweier | |
| „Othello“-Inszenierungen von „Theatergrößen“, einmal von Peter Zadek … | |
| und von Stefan Pucher 2004. Sie gelten als legendär für die deutsche | |
| Theatergeschichte. | |
| „Korrektheit essen Theaterseele auf“, titelte jetzt die Frankfurter | |
| Allgemeine Zeitung in einem Verteidigungsreflex. Und Die Zeit fragt: „War | |
| das wirklich Rassismus?“ Auch das Schauspielhaus weist die | |
| Rassismusvorwürfe im ersten Moment von sich. | |
| „Wir haben fälschlicherweise angenommen, dass die Präsentation innerhalb | |
| einer Darstellung der Theatergeschichte eine hinreichende | |
| Kontextualisierung darstellt“, heißt es in einer späteren Mitteilung. Also | |
| (und auch das ist irgendwie deutsche Tradition): Wir sind nicht | |
| rassistisch, ihr habt es nur einfach nicht verstanden. | |
| Wahrscheinlich waren Zadeks und Puchers Inszenierungen nicht rassistisch | |
| gemeint. Vielleicht waren sie sogar rassismuskritisch gemeint. Trotzdem war | |
| Blackfacing auch schon zu Zadeks Inszenierung 1976 eine rassistische | |
| Praxis. Nur hat damals eben noch kaum jemand darüber geredet. | |
| Doch um die aktuellen Vorwürfe aus der Schwarzen Community zu verstehen, | |
| muss man gar nicht so tief in die Theatergeschichte einsteigen, [3][wie Die | |
| Zeit es vorschlägt]. Es geht schließlich gar nicht darum, Zadek, der selbst | |
| als Jude vorm Nationalsozialismus nach London geflohen ist, 50 Jahre später | |
| Rassismus vorzuwerfen. | |
| Es wird kritisiert, dass die historischen Aufnahmen an jenem Abend im | |
| Schauspielhaus nicht kontextualisiert wurden. Stattdessen waren sie Teil | |
| eines unkritischen, nostalgischen Rückblicks auf die „Glanzmomente“ des | |
| Theaters. | |
| „Der unterhaltende Charakter der Geschichtsdarstellung hat eine kritische | |
| Auseinandersetzung mit der rassistischen Praxis des Blackfacing unmöglich | |
| gemacht“, heißt es auch in der Entschuldigung des Schauspielhauses Hamburg. | |
| Doch wie konnte das überhaupt passieren? Bedeutet ein Rückblick nicht genau | |
| das: sich mit der Vergangenheit beschäftigen, sie reflektieren, im besten | |
| Falle: aus ihr lernen? Ist das nicht etwas, was gerade deutsche | |
| Institutionen mittlerweile wirklich verstanden haben sollten? | |
| Es sind mal wieder Schwarze Kulturschaffende, die daran erinnern müssen. | |
| Die nicht kontextualisierten Projektionen der Blackfacing-Bilder seien in | |
| Zeiten des Rechtsrucks „geschmackslos bis fatal“, heißt es in einem offenen | |
| Brief an das Schauspielhaus. Das Theater sei schließlich ein politischer | |
| Ort mit Bildungsauftrag. | |
| Eine Woche nach der Veranstaltung reagierte [4][Karin Beier, die | |
| Intendantin des Schauspielhauses], auf die Kritik. Man habe zwei | |
| schwerwiegende Fehler gemacht: Man habe die Aufnahmen „in keiner Weise | |
| angemessen kontextualisiert“ und im Anschluss zunächst nicht ausreichend | |
| auf die berechtigte Kritik reagiert. Dafür wolle sie sich entschuldigen. | |
| 2 Dec 2025 | |
| ## LINKS | |
| [1] /Blackfacing-beim-Bayerischen-Rundfunk/!5767034 | |
| [2] /sieben-sachen/!6034459/ | |
| [3] https://www.zeit.de/kultur/2025-11/schauspielhaus-hamburg-gala-blackfacing-… | |
| [4] /Portraet-der-Schauspielerin-Lina-Beckmann/!6005632 | |
| ## AUTOREN | |
| Amanda Böhm | |
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