| # taz.de -- Klimaschonende Architektur: Zukunft, aufgebockt | |
| > Wie Zusammenleben und Raumgestaltung gelingen könnte. Das Deutsche | |
| > Architektur Zentrum DAZ in Berlin zeigt zehn Strategien für nachhaltiges | |
| > Umbauen auf. | |
| Bild: Stadtbad Luckenwalde(2023), von Rurbane Realitäten, in „Baustelle Tra… | |
| Munter sprudelt das Wasser aus dem Springbrunnen, sogar im Winter. Gut, die | |
| zierende Fontäne ist drinnen installiert, in den Ausstellungsräumen des | |
| Deutschen Architektur Zentrums Berlin. Eine Anmutung von Erholungsqualität | |
| wie einst in barocken Gärten geht von ihr aus, selbst wenn es sich nicht | |
| wie dort üblich um edlen Marmor handelt und der Charakter eher temporär | |
| ist. | |
| Vier hölzerne Böcke, wie man sie beim Tapezieren unter die Arbeitsplatte | |
| legt, sind als provisorische Sitzgelegenheiten strahlenförmig um den | |
| kleinen Brunnen arrangiert. Die Anordnung ist Konzept. Die gesamte | |
| Ausstellung „Baustelle Transformation. Zehn Strategien für Stadt und Land“ | |
| ist auf solchen Böcken installiert. | |
| Sie fußt auf dem gleichnamigen Programm des Bundes Deutscher Architektinnen | |
| und Architekten. In ihm geht es um minimalistische Eingriffe in städtische | |
| Räume und bestehende Bauten. Weil Neubau, [1][egal wie energiearm die | |
| Baustoffe auch produziert wurden], den CO2-Fußabdruck massiv vergrößert, | |
| loben die Organisatoren denn auch die bereits gebaute Architektur als | |
| „unsere wertvollste Ressource auf dem Weg in eine klimagerechte Zukunft“. | |
| Bedürfnisse und Anforderungen | |
| Wie diese klimaschonend auf aktuelle Bedürfnisse und Anforderungen hin | |
| verändert werden kann, wird in den „zehn Strategien“ beispielhaft | |
| vorgestellt. Inhaltlich lassen sich diese Strategien zu drei Themenblöcken | |
| zusammenfassen: erstens in ernstgemeinte Beteiligung von Bauherren, | |
| Nachbarn, Nutzern und Verwaltung. Zweitens in Zwischennutzungskonzepten und | |
| vor allem geeigneten Finanzierungsformen dafür. Ein dritter Schwerpunkt von | |
| mehreren der Strategien liegt in der intelligenten Gestaltung von | |
| Zwischenräumen und -flächen. | |
| Als verhältnismäßig unaufwendiger Ansatz wird das Projekt „Ein Zimmer für | |
| dich“ vom Projektbüro Hamburg vorgestellt. Als eine Art Zwischenraum | |
| zwischen Öffentlichkeit und privatem Rückzugsraum kann für maximal zwei | |
| Wochen ein Zimmer angemietet und als Proben-, Schreib- oder Spielraum, | |
| Atelier oder Begegnungsstätte benutzt werden. Der Raum richtet sich an | |
| alle, die über begrenzte Räumlichkeiten verfügen und ihr angestammtes | |
| Quartier (noch) nicht verlassen wollen oder können. Im Berliner Bezirk | |
| Lichtenberg wurde es vor zwei Jahren erstmals umgesetzt. | |
| Größere Dimensionen hat der Umbau des Stadtbads Luckenwalde. Das Berliner | |
| Büro Rurbane Realitäten entwickelte dafür neue Beteiligungsformen, lud die | |
| Bevölkerung etwa über eine Fahrradrikscha, Postkartenaktionen und einen | |
| Anrufbeantworter zum Austausch von Geschichten über das alte Bad und neue | |
| Nutzungswünsche ein. Geplant ist, das Stadtbad in einen Kulturort zu | |
| verwandeln. Dafür vor den baulichen Eingriffen zu eruieren, welche Arten | |
| von Kulturnutzung gewünscht sind und später auch nachgefragt werden, ist | |
| sicher sinnvoll. | |
| Mehrfach genutzte öffentliche Räume | |
| Tief in den ländlichen Raum, in die Gemeinde Dettmannsdorf | |
| (Mecklenburg-Vorpommern), ging die Berliner Architektin Marika Schmidt. Sie | |
| gestaltete dort eine Schule und integrierte in das Gebäude auch andere | |
| dörfliche Gemeinschaftsräume, wie etwa eine Bibliothek und ein – vor allem | |
| in den Ferien genutztes – Jugendwanderquartier. Vorbild waren | |
| Gebäudekomplexe in Dänemark, bei denen Schulgebäude unter anderem | |
| Arztpraxen und Arbeitsämter beherbergen und somit zu mehrfach genutzten | |
| öffentlichen Infrastrukturen werden. | |
| Ein Zwischennutzungskonzept einer ehemaligen Kaufhof-Filiale in Stuttgart – | |
| laut Ausstellungstext eines von insgesamt 307 (!) bereits geschlossenen | |
| Warenhäusern des Unternehmens – entwickelte das Stuttgarter Studio Cross | |
| Scale. Auch hier steht eine Nutzung durch Kulturakteure im Vordergrund. | |
| Beispielgebend könnte dabei das bereits 2004 eröffnete Kulturkaufhaus der | |
| [2][diesjährigen Kulturhauptstadt Europas, Chemnitz,] sein. Es enthält in | |
| einer leer gezogenen Kaufhof-Filiale Ausstellungsräume, Cafés, | |
| Volkshochschule und Stadtbibliothek. | |
| Größer dimensioniert ist wiederum das NRE-Gelände im holländischen | |
| Eindhoven. Die dortige Stadtverwaltung legte bei der Umgestaltung des | |
| ehemaligen Gaswerk-Areals vor allem Wert auf die Zwischenräume. Diese | |
| „shared spaces“ können Spazierweg, Grillfläche, Vorgarten oder Spielplatz | |
| sein. Über manche Flächen staksten gar Hühner – rurale und urbane Elemente | |
| sind hier glücklich vereint. | |
| Die Ausstellung und das vom Jovis Verlag herausgegebene Begleitbuch bieten | |
| zwar keine allumfassenden Lösungen für Großprobleme wie den | |
| innerstädtischen Wohnungsmangel. Abseits der quantitativen Debatten um den | |
| großsprecherisch angekündigten „Bauturbo“ der aktuellen Bundesregierung | |
| fokussieren die Fachleute hier dankenswerterweise auf inhaltliche Aspekte | |
| und die Qualitäten des Zusammenlebens und Zusammengestaltens. Dazu passt | |
| ein Sinnieren am Brunnenrand doch perfekt. | |
| 4 Dec 2025 | |
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| ## AUTOREN | |
| Tom Mustroph | |
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