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# taz.de -- Zukunft deutsch-syrischer Beziehungen: Partner für ein neues Syrie…
> Eine Million Syrer leben in Deutschland, ihr Land wird nun wieder
> aufgebaut. Das ist die Chance für Deutschland, aktiv den Nahen Osten
> mitzugestalten.
Bild: Syrien ist auf einem langen Weg zu Frieden, Demokratie und Wiederaufbau
Seit dem Sturz des Regimes von Bashar al-Assad im Dezember 2024 befindet
sich Syrien in einer neuen Phase. Sie geht über bloße politische
Veränderung hinaus. Die außenpolitischen Beziehungen werden neu gestaltet,
der Staat muss komplett wieder aufgebaut werden.
In diesem Zusammenhang steht Deutschland vor einem entscheidenden Moment:
Soll Berlin in der Rolle des humanitären Gebers verharren, oder nutzt es
die Gelegenheit, ein strategischer Partner beim Wiederaufbau eines neuen
Syriens zu werden?
Die Wiedereröffnung der deutschen Botschaft in Damaskus im März 2025 – nach
über einem Jahrzehnt der diplomatischen Eiszeit – war nicht nur ein
protokollarischer Schritt, sondern ein politisches Signal: Deutschland
beabsichtigt, sich ernsthaft an der kommenden Phase zu beteiligen.
Doch Berlin stellte keinen Blankoscheck aus; vielmehr knüpfte es sein
Engagement an klare Bedingungen: Rechtsstaatlichkeit, Minderheitenschutz,
Transparenz und umfassende politische Teilhabe. Bedingungen, welche die
Bundesregierung als grundlegend und notwendig erachtet, um eine nachhaltige
Partnerschaft zu gewährleisten.
## Syriens pragmatische Außenpolitik
[1][Die syrische Übergangsregierung unter der Leitung von Ahmad al-Shar’a
verfolgt eine pragmatische Außenpolitik], die auf einem Gleichgewicht
zwischen den internationalen Akteuren beruht, ohne sich einseitig zu
verpflichten. Dieser Ansatz steht im Einklang mit den Prinzipien der
deutschen Außenpolitik – insbesondere nachdem Syrien gleichzeitig den
Dialog mit sowohl Russland als auch der Ukraine wiederaufgenommen hat.
Diese ausgewogene Haltung bietet Deutschland eine geeignete Grundlage, um
eine Partnerschaft aufzubauen, die auf gegenseitigen Interessen und nicht
auf kurzfristigen Planungen basiert.
Der vielleicht größte Gewinn für Deutschland aus einer solchen
Partnerschaft liegt in der Stärkung seiner internationalen Rolle. Berlin
hat die Chance, ein aktiver Akteur bei der Gestaltung der Nachkriegsordnung
im Nahen Osten zu werden – unabhängig vom Einfluss der USA oder Russlands.
Das würde Deutschland neue politische Handlungsspielräume eröffnen und
seine Position als unabhängige europäische Macht weiter festigen.
Während Syriens zerstörte Infrastruktur wiederaufgebaut werden muss, bieten
sich deutschen Unternehmen – bekannt für ihre Effizienz und Qualität –
vielversprechende Chancen, insbesondere in den Bereichen erneuerbare
Energien, Wasser und Industrie. Dabei handelt es sich nicht bloß um
Hilfeleistungen, sondern um langfristige Investitionen, die neue Märkte für
die deutsche Wirtschaft eröffnen und Arbeitsplätze für beide Seiten
schaffen können.
## Die syrische Diaspora als strategischer Vorteil
Auch die Zusammenarbeit im Gesundheitswesen, die bereits durch
Partnerschaften zwischen deutschen und syrischen Krankenhäusern begonnen
hat, zeigt, welches Potenzial in dieser Beziehung steckt.
Die Ausbildung syrischer Ärztinnen und Ärzte, der Wissenstransfer und der
fachliche Austausch sind nicht nur humanitäre Maßnahmen – sie stellen eine
Investition in Humankapital dar, die auch Deutschland zugutekommt, das
unter einem akuten Fachkräftemangel im Gesundheitssektor leidet.
Einer der größten strategischen Vorteile Deutschlands in Bezug auf Syrien
ist die [2][syrische Diaspora], die sich in der deutschen Gesellschaft gut
integriert hat. Diese Gemeinschaft kann die Rolle als „natürlicher
Vermittler“ zwischen beiden Bevölkerungen einnehmen – durch
Bildungsinitiativen, universitäre Austauschprogramme und wissenschaftliche
Kooperation.
Die Syrerinnen und Syrer in Deutschland sind nicht nur Geflüchtete; sie
sind Wissenschaftler, Ärztinnen, Ingenieure und sie können eine zentrale
Rolle beim Wissenstransfer und bei der Förderung des gegenseitigen
Verständnisses spielen.
## Eine Chance neu und nachhaltig zu gestalten
Politische Rhetorik allein genügt nicht mehr. Deutschland ist heute
gefordert, sich von der Rolle des humanitären Gebers zum gleichberechtigten
Partner weiterzuentwickeln. Eine Partnerschaft, die auf gemeinsamen
Interessen und langfristiger Vision basiert, jenseits von Notfallhilfe oder
kurzfristigen Projekten.
Die Stabilität Syriens ist längst keine rein nationale Angelegenheit mehr,
sondern ein Thema, das regionale Sicherheit und Stabilität in Europas
Nachbarschaft direkt beeinflusst.
[3][Deutschland steht heute vor einer seltenen Gelegenheit, seine
Nahostpolitik neu zu gestalten], im Einklang mit seinem politischen und
wirtschaftlichen Gewicht. Eine Partnerschaft mit Syrien – wenn sie auf
realistischer und umfassender Grundlage aufgebaut wird – könnte zu einem
Modell für Kooperation zwischen Europa und der Region werden.
Die Jahre 2025 und 2026 werden entscheidend sein. Entweder Deutschland
entscheidet sich für ernsthaftes und aktives Engagement oder es überlässt
das Feld jenen Akteuren, die weniger an demokratischen Prinzipien
interessiert sind und eher dazu neigen, in Instabilität zu investieren.
Ein Projekt der [4][taz Panter Stiftung.]
22 Nov 2025
## LINKS
[1] /US-Interessen-in-Syrien/!6128887
[2] /Willkommenskultur-und-wahre-Integration-/!6109849
[3] /Die-Lage-in-Syrien/!6126221
[4] /taz-panter-stiftung/die-taz-panter-stiftung/!v=e4eb8635-98d1-4a5d-b035-a82…
## AUTOREN
Osamah Ali Hamad
## TAGS
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