Introduction
Introduction Statistics Contact Development Disclaimer Help
# taz.de -- Zement-Konzern und Terrorfinanzierung: Exemplarischer Prozess
> Der französische Zement-Multi Lafarge soll in Syrien Terrorgruppen
> finanziert haben. Bei der Klage gegen ihn geht es auch um
> Konzernverantwortung.
Bild: Muss sich vor Gericht verantworten: Der ehemalige Generaldirektor von Laf…
Die französische Justiz unternimmt einen zweiten Anlauf, um das weltweit in
der Zementherstellung tätige Unternehmen Lafarge wegen der Finanzierung
[1][terroristischer Gruppen in Syrien] in den Jahren 2012 bis 2014 zur
Verantwortung zu ziehen. Das multinationale Unternehmen wird beschuldigt,
zur Aufrechterhaltung der Produktion in Dschalabiya insgesamt rund 5
Millionen Euro an mehrere terroristische Organisationen, darunter IS,
gezahlt zu haben. Damit habe Lafarge nicht nur wissentlich diese
dschihadistischen Milizen und ihren Krieg finanziert, sondern auch gegen
die internationalen Sanktionen verstoßen.
Das französische Unternehmen Lafarge, das 2015 vom schweizerischen
Konkurrenten Holcim übernommen wurde, steht gemeinsam mit seiner Filiale in
Syrien, LCS, als juristische Person vor Gericht. Angeklagt sind zudem der
damalige Lafarge-Vorsitzende Bruno Lafont, sein für Syrien zuständiger
Vizedirektor Christian Herrault, die beiden Leiter der Filiale in Syrien
und die dortigen Sicherheitsverantwortlichen.
Dass ein Gerichtsverfahren gegen ein multinationales Unternehmen keine
einfache Sache für ein Strafgericht ist, haben die Anwälte der Verteidigung
mit ihren zahlreichen Einwänden, Anträgen und Beschwerden bewiesen. Wegen
eines Formfehlers in der Anklageschrift musste kurz nach der Eröffnung der
Verhandlung am 4. November der eigentliche Prozessbeginn auf den 18.
November verschoben werden.
Im Zentrum der Anschuldigungen der Staatsanwaltschaft stehen die [2][Jahre
des syrischen Bürgerkriegs]. Das repressive Regime von [3][Baschar
Al-Assad] sah sich 2011 mit Demonstrationen und einem wachsenden Widerstand
konfrontiert und geriet ins Wanken. Anders als andere französische
Industrieunternehmen wie Total und Air Liquide oder der Käseproduzent Bel,
die Syrien wegen der militärischen Eskalation der Krise umgehend verließen,
blieb das Werk von Lafarge. Das Werk in Dschalabiya, 87 Kilometer von der
Stadt Rakka, hatte der französische Konzern 2008 der ägyptischen
Gesellschaft Orascom abgekauft und mit Investitionen im Wert von 680 Mio.
Dollar ausgebaut. Es versprach für Lafarge eine Expansion der Aktivitäten
in der ganzen Region des Mittleren Ostens.
## Produktion aufrechterhalten
Da Rakka und die umliegende Region wechselnd unter die Kontrolle
verschiedener kurdischer militärischen Rebellen und danach
dschihadistischer Terroristen wie Dschabat A-Nosra, Al-Qaida und
schließlich IS gerieten, verhandelte laut Anklage die Direktion mit
Zustimmung der Konzernführung, um die Produktion aufrechterhalten und die
Zufahrten zum Werk offen halten zu können. Dies gegen Bezahlung und mit der
Zusicherung (ohne Garantie), dass die Beschäftigten der Zementfabrik so in
Sicherheit blieben. Vor dem Richter erklären die Direktoren, es sei ihnen
nichts anderes übrig geblieben, als gezwungenermaßen der Erpressung
nachzugeben. Aus Sicht der Anklage trifft dies nicht zu, weil Lafarge
jederzeit die Aktivitäten in Syrien beenden und das Werk hätte schließen
können.
Unklar ist, wie viel die französische Staatsführung von dieser Finanzierung
der Terroristen wusste, etwa über den damaligen Botschafter und ihren
Geheimdienst DGSE. Der damals für die Sicherheit zuständige
Lafarge-Direktor Jean-Claude Veillard hat in der Voruntersuchung angegeben,
er habe regelmäßig Berichte über die Situation in der Region und sogar
Fotos von Dschihadisten aus Frankreich übermittelt.
## Klage gegen Lafarge
Gegen Veillard hatten die Untersuchungsrichter im Strafverfahren ebenfalls
ermittelt, er zählt nun aber nicht zu den Angeklagten in diesem Prozess.
Bei einem Schuldspruch muss die Firma Lafarge mit einer Geldbuße von mehr
als einer Million Euro rechnen, den individuell angeklagten Personen droht
eine Höchststrafe von bis zu zehn Jahren Haft.
Antikorruptionsorganisationen wie Sherpa haben zusammen mit elf ehemaligen
Beschäftigten des Zement-Multis in Syrien Klage gegen Lafarge eingereicht,
dies auch, weil Lafarge das Leben und die Sicherheit seiner Beschäftigten
aufs Spiel gesetzt und nichts zu ihrer Evakuierung unternommen habe. Die
NGOs betrachten den Prozess als exemplarisch, um multinationale Unternehmen
im Kampf gegen den Terrorismus zur Verantwortung zu ziehen. Sie hofft darum
auf ein wegweisendes Urteil. Eine gerichtliche Untersuchung wegen
mutmaßlicher Beihilfe zu Verbrechen gegen die Menschlichkeit ist von der
französischen Justiz ausgegliedert worden, könnte aber später zu einem
weiteren Prozess gegen Lafarge führen.
In den USA war es Lafarge gelungen, gegen die Zahlung von 778 Millionen
Dollar einen Prozess zu vermeiden. Dabei hatte Lafarge indes auch explizit
die Verantwortung für die „Finanzierung von Al-Nosra und IS“ eingeräumt u…
eine „Verschwörung“ zur „materiellen Unterstützung einer terroristischen
Organisation im Umfang von 6 Millionen Dollar“ gestanden. Wie kann Lafarge
das nun vor dem Gericht in Paris in Abrede stellen?
18 Nov 2025
## LINKS
[1] /Unruhen-in-Syrien/!6127461
[2] /10-Jahre-Buergerkrieg-in-Syrien/!5755021
[3] /Baschar-al-Assad/!t5010795
## AUTOREN
Rudolf Balmer
## TAGS
Syrischer Bürgerkrieg
Konzernverantwortung
Terrorismus
Reden wir darüber
Social-Auswahl
Rohstoffe
Syrischer Bürgerkrieg
Friedrich Merz
Podcast „Freie Rede“
Ahmed al-Scharaa
## ARTIKEL ZUM THEMA
Europäisches Zentrum für Menschenrechte: Menschenrechtsorganisation verklagt …
Von dem Konzern mitfinanzierte mosambikanische Soldaten sollen 2021 auf
einem Total-Gelände Dorfbewohner schwer misshandelt haben. Nun wurde gegen
den Konzern Klage eingereicht.
Justiz in Syrien: In Aleppo beginnt ein historischer Prozess
Es ist der erste Prozess gegen Gewalttäter der Massaker an Alawiten im
März. Auf der Anklagebank sitzen auch Soldaten der Übergangsregierung.
Die Lage in Syrien: Deutsche Kredite und Know-How würden helfen
Die deutsche Regierung muss auf Syrien zugehen, statt nur über
StraftäterInnen zu diskutieren. Sonst verpassen wir eine wichtige Chance.
Geschafft? Zehn Jahre nach der Ankunft: Ankommen mit doppeltem Maß
Geflüchtete aus der Ukraine haben es in Deutschland einfacher als Menschen
aus Syrien. Ein Gespräch mit Yahya Alaous, Darka Gorova und Susanne
Memarnia.
Ahmed al-Scharaa im Weißen Haus: Er hat wenig Spielraum
Die Diskussionen um den syrischen Präsidenten drehen sich meist darum, was
er mit dem Land vorhat. Wichtiger ist, was er überhaupt tun kann.
You are viewing proxied material from taz.de. The copyright of proxied material belongs to its original authors. Any comments or complaints in relation to proxied material should be directed to the original authors of the content concerned. Please see the disclaimer for more details.